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Von Easyrider bis Tzatziki

Untertitel
Chromblitzende und lila Neuerscheinungen für Violine
Publikationsdatum
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N. Paganini: Moto perpetuo op.11 f. Violine und Klavier, rev. und herausg. von Tomislav Butorac, Edition Butorac 2003, EB 031R051-G

Moto perpetuo: chromblitzender Easyrider auf endlosem Notenhighway, ins Fahrtenbuch sind circa 3.000 Sechzehntelnoten zu schreiben nach sautillöser Bogen(hüpf)fahrt, uff, raus aus den verkrampften Lederklamotten, wohl deshalb heute nur noch selten im Konzert zu hören. Den Hilferuf der Geiger hat der Herausgeber erhört und möchte durch geschickte Saitenwechsel dem Bogenspasmus zuvorkommen. Seine Neurevision richtet sich in der Regel ganz nach der Bogenhand. Unvermeidbare Saitenwechsel sollten – wann immer möglich – zur nächsthöheren Saite mit Aufstrich, zur nächsttieferen Saite mit Abstrich durchgeführt werden. Die linke Hand sollte sich demnach im Allgemeinen an der rechten orientieren und nicht umgekehrt. Die Bearbeitung Fritz Kreislers, die sich vom Original, wie es in dieser Ausgabe vorliegt, vor allem in der Klavierbegleitung unterscheidet und nur an ganz wenigen Stellen im Solopart, blieb in der vorliegenden Neurevision unberücksichtigt. Und wenn es trotzdem mal knattert an einer unzugänglichen Stelle, dann wissen wir Geiger endlich, dass der Bogenauspuff ein Loch hat, das sich mit zielsicherem, Saitenwechsel peilenden Üben bestimmt flicken lässt, ohne die Tachonadel im Geschwindigkeitsrausch kurzfristig hochzujagen, um die Stelle möglichst schnell und unauffällig zu überspielen.

F. Wohlfahrt: 40 Elementar-Etüden op. 54 für Violine solo, rev. und herausg. von Tomislav Butorac, Edition Butorac 2003, EB 031L053-S

Wohlfahrts Etüden sind bei Geigerkindern so bekannt wie die lila Kuh-Schokolade, jedoch längst nicht so lecker und beliebt. Auf der Bewertungsskala stehen sie meist eher zwischen Zahnarzt und Durchfall. Wohl um dies zu ändern, wurden unter Beibehaltung der originalen Striche sämtliche Fingersätze auf den optimalen Bewegungsablauf der Finger und Bogenführung hin abgestimmt sowie Symbole zur Verdeutlichung einer sinnvollen Bogeneinteilung eingetragen. Über die Etüden verteilte Strichsymbole sollen den Einstieg inmitten der Etüde erleichtern und so das Üben in kleineren Abschnitten fördern. „Ta, ta, ta taaa…“ Darauf einen Tusch! Die auf einem gesonderten Blatt abgedruckten und beigefügten Strichvarianten dienen dem fortführenden Studium der Etüden. Lieber Tomislav, bitte nach jeder Strichart noch ein lila Belohnungs-Leckerli in die Noten kleben, dann werden diese Etüden sicherlich reißenden Absatz finden.

F. Mendelssohn Bartholdy: 4 Lieder ohne Worte für 3 Violinen, bearbeitet von Hanno Haag, Tonger 2003, 3199-2 P.J.T.

Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ in dieser Bearbeitung für drei Violinen sind nichts für Testosteron-gestärkte, durchsetzungserprobte Kammermusiker. Empfindsam, mit viel Innigkeit vorzutragen, erwecken sie die Freude am gegenseitigen Zuhören und Einfühlen. Dabei sind die drei instrumentalen Stimmen immer in der gleichen Schwierigkeit gehalten. Weil nur vereinzelt die dritte Lage auftaucht, die Vorzeichen über ein Kreuz beziehungsweise zwei B im „Venezianischen Gondellied“ nicht hinausgehen, eröffnen sie auch dem Anfänger sensiblen Musiziergenuss.

G. Kasassoglou: Sonate für Violine und Klavier, jmk-Verlag 2002, jmk 113

Der Grieche Kasassoglou glaubt an den Nationalismus in der Musik. Das heißt eben nicht, wie wir Deutschen neidvoll meinen, seine Kunst sei geprägt von der so genannten „mediterranen Heiterkeit“. Die ist wohl von jenen erfunden worden, die sich eine solche Illusion ersehnten. Die griechische Musik ist schwerblütig. Hartes, karges Leben und sengende Sonnenhitze, strenge patriarchalische Vorstellungen und ein Bild der Frau als die gebärende, sorgende, dunkle – in dunkle Kleider gehüllte – „Mama“ lassen eher Kräfte in der Tiefe wachsen, denn fröhliche Leichtfüßigkeit. Da aber immer erst zwei Pole einander ergänzen, das Ganze bilden, entstand dieses Ideal von der mediterranen Heiterkeit. Kasassoglou wurde 1908 in Athen geboren. Strawinski sagte: „In Ihrer Musik höre ich Griechenland und in Ihrem Händedruck spüre ich Griechenland.“ Dies gilt auch für Kasassoglous Violinsonate. Schwermütig pathetische Rubati auf der G-Saite mit dunklem, Retsina-getränkt herben Nachgeschmack wechseln zu leichtfüßigen Siebenviertel-Takten im Intermezzo, der tänzerische Charakter jedoch auch hier von Melancholie durchwoben. Ausgesprochen benutzerfreundlich ist die einleitende Form- und Themenanalyse. So lässt sich der Aufbau dieses griechisch geprägten Werkes doch relativ zügig auch von sonnenentwöhnten Bayern und Preußen durchschauen. Liebe Verleger moderner Musik: Wäre doch toll, wenn wir User solch eine fertige Kurzanalyse in jeder Ausgabe finden würden! Schließlich wird ja auch die Gabel nur deshalb neben den Teller gelegt, damit wir den Tzatziki leichter schlucken können, ohne uns die Hände schmutzig zu machen.

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