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Vorsicht vor Ludwig van Beethoven

Untertitel
Die Memoiren des russischen Star-Pianisten Lazar Berman
Publikationsdatum
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Lazar Berman: Schwarz und Weiß – Erinnerungen und Gedanken eines Pianisten zwischen Ost und West, Staccato-Verlag, Düsseldorf 2003, 218 S., € 28,00, ISBN 3-932976-22-3

Buch versandkostenfrei im Was tun, wenn das Klavier plötzlich Beine bekommt und sich langsam in Bewegung setzt? Einfach sich an den schwarzen Tasten festkrallen, rät Lazar Berman aus eigener Erfahrung. Denn wer wie er seit den 1970er-Jahren endlich auch international zum russischen Pianisten-Jetset gehören durfte, der hat schon so manch ungeplante Situation meistern müssen. Wie eben bei einem Konzert in der Universität von Moskau, bei dem die Radbremsen am Flügel nicht angezogen worden waren. Solche Tipps für die alltägliche Pianisten-Praxis gibt es zuhauf in den Memoiren „Schwarz und Weiß“ von Lazar Berman. Wenngleich die nicht immer nur als amüsante Anekdote verpackt sind. Berman, der mit Emil Gilels und Sviatoslav Richter als legendäres Triumvirat an die große russische Klaviertradition anknüpfte, gibt Selbstauskünfte über sein Arbeiten und musikalisches Denken, die für nachfolgende Pianistengenerationen durchaus wertvoll sein dürften. So widmet er sich im Kapitel „Beruf ‘Klavierspiel’“ der Interpretation von Beethovens 4. Klavierkonzert, nimmt er Stellung zu Kritikern, Wettbewerben sowie zu den Mentalitätsunterschieden von russischen und deutschen Klavierpädagogen. Doch da Berman Jahrgang 1930 ist, ist sein Rückblick nicht nur eine Würdigung seiner Lehrer und Idole Alexander Goldweiser und Vladimir Sofronitzky. Wie viele seiner prominenten Musikerkollegen hatte Berman mit offiziellen Widerständen hinter dem Eisernen Vorhang zu kämpfen, den er erst spät durchbrechen konnte, um in den westlichen Musikmetropolen Karriere zu machen. Wobei ihm gerade die Zusammenarbeit mit Herbert von Karajan 1975 half, mit dem er das Tschaikowsky-Konzert einspielte. Neben den detaillierten Erinnerungen gibt es aber auch einen andere, überraschende Facette von Berman zu entdecken. So sind Auszüge aus Bermans Zeichenbüchern zu sehen, mit oftmals bissig skizzierten Impressionen von Klavierwettbewerben, bei denen der Juror Berman in den letzten Jahren zur festen Institution wurde. Da haben sich Friedhöfe voll malträtierter Flügel gebildet, wird ein Pianist von der Zahlenreihe „111“ aufgespießt – als Warnung vor den möglichen Auswirkungen der höllisch schweren Beethoven-Sonate opus 111! Diesen Risiken will sich Berman aber nun nicht mehr aussetzten. Nach seinem Berliner Recital, das er im vergangenen Oktober anlässlich der Buch-Präsentation gab, hat er jetzt endgültig beschlossen, dass das sein letztes Konzert gewesen sein wird. Immerhin gibt es ja noch von Berman einen reichen, wenngleich weitverstreuten Nachlass an Schallplatten-Aufnahmen. Sowie seine Autobiografie, die in ihrer idealtypischen Form diesem Genre alle Ehre macht.

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