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Constantin Schiffner (Klavier), der tschechische Cellist Jakub William Gráf und der polnische Geiger Wiktor Dziedzic stellten Musikschulkindern vor ihrem Konzert in Kufstein ihre Instrumente vor. Foto: Manuela Matran
Constantin Schiffner (Klavier), der tschechische Cellist Jakub William Gráf und der polnische Geiger Wiktor Dziedzic stellten Musikschulkindern vor ihrem Konzert in Kufstein ihre Instrumente vor. Foto: Manuela Matran
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Wie das Öffnen einer Schatztruhe

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Die Angebote der EMCY bereichern das Förderangebot von „Jugend musiziert“
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EMCY, das ist die „European Union of Music Competitions for Youth“, mit Sitz in München. Auch „Jugend musiziert“ ist einer der rund 50 Mitgliedswettbewerbe. Nicht zuletzt aufgrund der räumlichen Nähe zur Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert” – es besteht seit vielen Jahren eine Bürogemeinschaft – nehmen immer wieder erfolgreiche Musikerinnen und Musiker, die beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert” einen 1. Preis erhalten hatten, auch an den von EMCY angebotenen internationalen Anschlussförderungen teil.

Jeden Sommer organisiert EMCY für herausragende Nachwuchs-musiker/-innen seiner Mitgliedswettbewerbe eine Kammermusik­reihe mit dem Titel „Young Hearts for Music Tour“. 2019 führte die Konzert­reise durch Südbayern und Österreich und begann mit einem viertägigen Workshop in der Landesmusikschule Kufstein, wo die Teilnehmer einander kennenlernten und unter der Leitung eines erfahrenen Dozenten das Repertoire ihrer Konzerttour erarbeiteten. Anschließend folgten Konzerte in Österreich (Kufstein und Bad Ischl) und Süddeutschland (Eggenfelden und Seefeld). Mitwirkende der jüngsten Young Hearts for Music Tour waren der tschechische Cellist Jakub William Gráf (*2001), der polnische Geiger Wiktor Dziedzic (*2002), beide Preisträger des tschechischen Radiowettbewerbs „Concertino Praga“, und der Pianist Constantin Schiffner (*1999) mehrfacher Bundespreisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“.

Aus dem Abiturient ist inzwischen ein Student geworden: Der 20-jährige Constantin studiert an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Dirigieren und Klavier. An der Staatsoper Hamburg ist er neben seinem Studium seit einem Jahr mit einer Teilzeitstelle als Beleuchtungskorrepetitor angestellt; eine ideale Möglichkeit, das Opernrepertoire kennen zu lernen und den unterschiedlichsten Dirigenten „auf die Finger zu schauen“, wie er sagt.

Ausprobieren, Zuhören, Lernen – damit sind bereits die wesentlichen Begriffe gefallen, die den jungen Pianisten kennzeichnen und seine musikalisch-künstlerische Entwicklung begleiten. Über einen Zeitraum von neun Jahren, von 2010 bis 2018, hatte sich Constantin beinahe jedes Jahr auf Bundesebene an „Jugend musiziert“ beteiligt. In dieser Zeit hatte er 15 Mal mit 3 verschiedenen Instrumenten zahllose Bundespreise in unterschiedlichen Solo- und Ensemblekategorien erspielt. Mehrfach waren seine Geschwister auch seine musikalischen Partner. Welche Möglichkeiten „Jugend musiziert“ zu bieten hat, wurde ihm zum ersten Mal 2012 bewusst, als er als 12-Jähriger beim Bundeswettbewerb in Stuttgart, zusammen mit seiner damals 14-jährigen Schwester Felicitas, einen 1. Bundespreis erhielt und damit auf seine hohe Musikalität aufmerksam machte. In der Folge erhielt das Duo eine Reihe von Konzerteinladungen, wurde zum „WDR Klassikpreis der Stadt Münster“ eingeladen, absolvierte den hochkarätigen Spezialwettbewerb als Preisträger, stellte sich in 3sat in der Sendung „Annettes DaschSalon“ dem Fernsehpublikum vor und konzertierte im darauf folgenden Jahr mit den Dortmunder Philharmonikern das Doppelkonzert op. 17 von Johann Nepomuk Hummel.

Der 1. Bundespreis: Ein Schatz

„Alles Einladungen, die ohne „Jugend musiziert“ nie an uns herangetragen worden wären“, bilanziert Constantin mit Blick auf seinen bisherigen musikalischen Lebensweg. „Wir ahnten ein bisschen, welchen Zukunftswert dieser 1. Bundespreis hatte und wir haben ihn gehütet wie einen Schatz, und tatsächlich hat er uns so viele Möglichkeiten eröffnet.“

Die Preise waren nicht zuletzt Ermutigung, sich mit verschiedenen Instrumenten der Herausforderung eines Wettbewerbs zu stellen und so bereitete Constantin Wettbewerbsprogramme für Violoncello, Orgel, Klavier und auch Cembalo vor, in einigen Fällen auch in mehr als einer Kategorie innerhalb desselben Wettbewerbsjahres. Irgendwann, so analysiert Constantin diese Lebensphase kritisch, war der Moment gekommen, in dem er sich entscheiden musste, welchen Schwerpunkt er in seinem eng getakteten Musikerleben setzen wollte.

War es Zufall oder nicht, jedenfalls kreuzte eines Tages der Dirigent Mathias Husmann Constantins Weg, und so erwachte in ihm der Wunsch, sich intensiver mit dem Dirigieren zu beschäftigen. „Eher unüblich mit 17 Jahren“, so stellt Constantin im Rückblick fest. Aber er unterzog sich, nach intensiver Vorbereitung durch Mathias Husmann, den Aufnahmeprüfungen für Dirigieren an den Musikhochschulen in Weimar, Hamburg, Leipzig, Detmold und Salzburg – und erhielt von vier Institutionen eine Studienplatzzusage.. Die Wahl des in Norddeutschland Geborenen fiel auf den Ausbildungsort Hamburg.

In dieser Situation erreichte ihn die Anfrage der Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“ für die „Young Hearts for Music Tour“. „Von der Einrichtung EMCY hatte ich zuvor ehrlich gesagt noch nie gehört“, gibt Constantin auf Nachfrage zu. „Aber ich war sofort extrem dankbar, für dieses Projekt vorgeschlagen worden zu werden, denn so viel wusste ich: Es ist eng mit „Jugend musiziert“ verbunden und ich wusste ja aus Erfahrung, wie wertvoll es ist, als Bundespreisträger Teil dieses Netzwerks zu sein. Es ist wie das Öffnen einer Schatztruhe: Immer wieder tauchen neue Fördermöglicheiten auf, von denen ich profitieren konnte.“

Eine Konzertreise ist kein Freizeitspaß

Die „Young Hearts for Music Tour“ ist als Konzertreise ausgelegt. Das Besondere und auch Herausfordernde ist, dass sich alle Konzertpartner, die unterschiedliche kulturelle Wurzeln haben, binnen kurzer Zeit menschlich und musikalisch aufeinander einstellen müssen. Etwa sechs Wochen vor der Tour nimmt man via Skype und E-Mail zum ersten Mal Kontakt miteinander auf, um dann gemeinsam aus dem Pool der von EMCY vorgeschlagenen Werke das Repertoire der Konzertreise zu destillieren. Anschließend üben alle Musiker/-innen das Repertoire und treffen dann vier Tage vor dem Start der Tour persönlich aufeinander, um dann in intensiven Probentagen das Programm auf die Beine zu stellen. „Das war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte“, so die Bilanz von Constantin, „denn man lernt, flexibel und kooperativ zu sein. Es war ein fantastisches Erlebnis, als ich feststellte, dass ich in ­solch kurzer Zeit mit zwei ausgezeichneten Musikern gemeinsam so ein hohes musikalisches Niveau erreichen konnte. Verglichen mit einem Wettbewerb wie „Jugend musiziert“, wo man bereits im November des Vorjahres an seinem Repertoire zu arbeiten beginnt, war das eine wertvolle Erfahrung, wie gut und vorzeigbar das war, was wir unter hohem Zeitdruck auf die Beine stellen konnten. Uns dreien war bewusst, dass wir nur diese vier Tage hatten und so begrübelten, diskutierten, probten wir die Werke, die wir dann in den Folgetagen präsentieren wollten.“ Aus Linz stieß schließlich der eingangs erwähnte Dozent dazu: Martin Yavyran, Konzertmeister des Bruckner Orchesters Linz. Er gab den drei jungen Musikern wertvolle Tipps und den Stücken den letzten Schliff.

„Die viertägige Konzertreise selbst war kein Freizeitspaß, sondern vermittelte uns einen ersten Eindruck, wie das Leben eines Berufsmusikers aussehen würde“, so Constantin. Der Zeitplan war dicht getaktet mit Reisen, Proben, Konzertieren. Ein großes Lob hat Constantin für die Projektleiterin von EMCY, Manuela Matran: Sie sei die perfekte Reisebegleiterin gewesen, die den Musikern alles Organisatorische vom Leib hielt. So konnten sich die drei ausschließlich auf die musikalische Seite konzentrieren. Auf dem Konzertprogramm standen durchaus anspruchsvolle und umfangreiche Werke: Das Trio in Es-Dur, op 1. Nr. 1 – mit allen drei Sätzen –, von Ludwig van Beethoven, eine Elegie von Josef Suk, die Sonate für Violine und Klavier in B-Dur von Wolfgang Amadé Mozart, eine Solo-Sonate von Zoltán Kodály und ein Tanz von Witold Lutoslawksi. Zur Intention dieser Konzertreise gehörte nicht nur die Präsentation von drei ausgezeichneten Nachwuchsmusikern aus drei Ländern, sondern auch ein Brückenschlag zwischen Interpret und zu interpretierenden Werken: So wurden mit Bedacht Werke aus dem jeweiligen Herkunftsland der Musiker gewählt, die dann auf hohem Niveau gemeinsam zelebriert wurden.

Musik verstehen heißt auch: darüber sprechen

Die vier öffentlichen Konzerte wurde von allen dreien abwechselnd moderiert. Constantin erledigte dies auf deutsch, die beiden anderen moderierten auf englisch. „Es ist ganz erstaunlich, wie die Moderation bei der Einstudierung der Werke hilft“, sagt Constantin, „erst dadurch macht man sich den historischen, den gesellschaftlichen Kontext klar, indem das Werk entstanden ist.“

In den vier Tagen, in denen die drei als Solisten, Duo und Trio in Kufstein, Bad Ischl, Eggenfelden und Seefeld in Oberbayern konzertierten, spürten sie am eigenen Leib, wie sich der Charakter der Werke in ihrer Wahrnehmung veränderte. „Natürlich waren wir vor dem ersten Konzert am nervösesten, denn wir hatten ja nur vier Tage Zeit zum Proben gehabt. Am zweiten Tag war das Programm schon „abgelagert“ und es stellte sich eine Art Routine ein, während wir dennoch in der Lage sein wollten, dem Publikum die Musik in dem Moment unseres höchsten Niveaus zu präsentieren.“

Am 23. Juni endete die Reise und jeder kehrte in sein Heimatland zurück. Doch ist der Kontakt der drei untereinander seither nicht abgerissen. Die unterschiedliche Sozialisation seiner Musikerkollegen, der je nach Nationalität unterschiedliche Zugang zu den Werken, hat Constantin nachhaltig beeindruckt. „Wenn Wiktor eine polnische Polka spielte, dann stand diese Musik spürbar in Verbindung zu seiner kulturellen Herkunft. Das hat mich unglaublich bereichert und seither suche ich auch an der Universität den Kontakt vor allem zu den Kommilitonen, die aus Kulturbereichen außerhalb meiner eigenen Erfahrungen kommen. Mit ihnen Kammermusik zu machen, ist ungeheuer bereichernd.“

Zum Schluss des Gespräch schlägt Constantin erneut den Bogen zu „Jugend musiziert“ und betont, wie wichtig die Teilnahme als Auslöser all seiner Initiativen und Aktivitäten war: Mit der Auszeichnung im Bundeswettbewerb kamen die Angebote, die ihn als jungen, aufstrebenden Musiker formten. Auch die erste CD, die von Constantin in der zweiten Jahreshälfte bei einem CD-Label in Lübeck erscheinen wird, ist die Nachwirkung dieser positiven Wettbewerbserfahrungen.

Selbst kritische Rückmeldungen, die es im Rahmen seiner Teilnahmen durchaus gegeben hatte, münzt er selbstbewusst um: „Bei jeder heftigen Kritik sollte man sich fragen: Was kann sie mir nützen?“ 

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