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 Licht ist ein Musikinstrument. Sagt der Komponist Georg Friedrich Haas. Für die Donaueschinger Musiktage (Bericht Seite 6/7) komponierte er jetzt ein Konzert für Licht und Orchester, das den Titel „Hyperion“ trägt. Die Grundkonzeption ist einfach: Vier O
Licht ist ein Musikinstrument. Sagt der Komponist Georg Friedrich Haas. Für die Donaueschinger Musiktage (Bericht Seite 6/7) komponierte er jetzt ein Konzert für Licht und Orchester, das den Titel „Hyperion“ trägt. Die Grundkonzeption ist einfach: Vier O
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Wo junge Komponisten die Schulbank drücken

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Donaueschingens Musiktage legen sich ein Off-Programm zu ·
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Die Donaueschinger Musiktage begreifen sich vornehmlich als Uraufführungsfestival. Jedes Jahr im Herbst erklingen hier ein Dutzend und mehr neuer Kompositionen, vornehmlich für das sinfonische Orchester, zum ersten Mal. Tendenzen aktuellen Komponierens werden dabei erkennbar, ästhetische Fragen neu gestellt. In den letzten Festivaljahren hat sich der ästhetische Kanon bemerkenswert erweitert. Neue Ausdrucksmittel wie Film, Video, Installationen, Performances stellten sich zu den tradierten strengen Kompositionen, die sich wiederum oft mit theatralisch-szenischen Raumkonzeptionen vereinigten.

Nicht nur ein guter Ruf, auch die Zukunft verpflichtet, und diese Zukunft liegt für die Musik vor allem in den Händen (den Köpfen, den Herzen, der Fähigkeit zur Imagination) der jungen Komponisten. Es war daher ein sinnstiftender Gedanke, das Forum der Donaueschinger Musiktage auch für die nächste Komponistengeneration zu öffnen. Gemeinsam mit der Musikhochschule in Trossingen, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main sowie dem Institut für Neue Musik der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden boten die Musiktage europäischen Kunst- und Musikstudenten, auch jungen Musikwissenschaftlern, einen „Workshop“ an, in dem sie sich über aktuelle Tendenzen zeitgenössischen Komponierens informieren konnten. Der Besuch der Konzerte sowie der Proben zählte selbstverständlich zum Programm. Gespräche mit den beteiligten Komponisten über das Gehörte, Diskussionen über gemeinsame Fragestellungen, auch über eigene Arbeiten der jungen Komponistinnen und Komponisten komplettierten das Angebot. Da derartige Begleitveranstaltungen zu einem Kern-Festival leicht einen unverbindlichen Info-Charakter annehmen, fügte man den drei Musiktagen in Donaueschingen noch zwei strenge Arbeitstage in Trossingen hinzu, jeweils einen davor und danach. Hier konnten junge Komponistinnen und Komponisten ihre eigenen Stücke vorstellen. Vertreten waren Studierende der Kompositionsklassen aus Bremen, Essen, Frankfurt und Freiburg. Es spielten Studierende der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen. In mehreren Workshops wurden in kleineren Gruppen Themen wie „Klangraum/Raumklang – Komponieren für den Raum“, die „Auseinandersetzung mit elektronischen Medien“, „Komponieren in neuen Traditionen“ oder „Klang als instrumentale Synthese“ behandelt, also all die Materialien und Verfahrensweisen, die das „Komponieren heute“ prägen, wie es die Studenten dann „real“ bei den Konzerten der Musiktage erfahren können. Das Interesse an diesem Angebot der Donaueschinger Musiktage, das natürlich nicht ohne einen englischen Titel auskommt, den beliebten „The Next Generation“, war zur Überraschung der Veranstalter enorm. Bereits vierzehn Tage nach der Ausschreibung waren die vorgesehenen hundertfünfzig Plätze belegt, so dass man die Zahl auf zweihundert erhöhen musste.

Die Verantwortlichen für das Off-Programm bitten für ihr Projekt ausdrücklich um Vorschläge und Anregungen für die weitere Ausgestaltung des Programms. Denkbar wäre zum Beispiel eine engere Verzahnung mit den Musiktagen selbst, die Aufnahme eines eigenen Konzertbeitrags in das Hauptprogramm. Das setzt natürlich eine akzeptable Professionalität voraus. Vorbild dafür könnte etwa die Arbeit des Ensemble Modern in Frankfurt sein, das in Workshops re-gelmäßig mit jungen Komponisten deren Werke erarbeitet, dabei auch junge Interpreten in die oft komplizierten und komplexen Spielweisen der neuen Partituren einführt. Wenn in Donaueschingen im nächsten Jahr das neue Konzerthaus bei den Donauhallen errichtet wird, die Donauhallen selbst einer gründlichen Renovierung unterzogen werden, dann müssten auch die räumlichen Voraussetzungen für eine Erweiterung des Musiktage-Programms in die genannte Richtung gegeben sein.

Für den weiteren Ausbau von „Off-Donaueschingen“ würde sich vielleicht auch ein Blick nach Luzern lohnen. Dort hat sich in drei Jahren die Lucerne Festival Academy nicht zuletzt durch die Mitwirkung von Pierre Boulez zu einer höchst effektiven Institution für die Qualifizierung des Musikernachwuchses entwickelt – siehe hierzu das Interview mit der Projektleiterin Katharina Rengger auf Seite 17. Und da in der Neuen Musik das Visuelle und Theatralische ständig an Bedeutung gewinnt, wären auch die Erfahrungen, die das Forum für Neues Musiktheater der Staatsoper Stuttgart in den vergangenen Jahren gesammelt hat, für die Arbeit in Donaueschingen, natürlich in entsprechender Auswahl, nützlich.

In diesem Zusammenhang muss, unabhängig von Donaueschingen, eine ernste Kritik an den Stuttgarter Kulturverantwortlichen geübt werden. Mit dem Fortgang Klaus Zeheleins von der Stuttgarter Oper steht wohl auch sein ambitioniertes Projekt eines Labors für Musiktheater auf dem Spiel. Für das Musiktheater-Forum will offensichtlich niemand mehr Geld bereitstellen. Diejenigen, die solche Entscheidungen treffen, haben offenbar nie den wunderbaren Spielraum im Römerkastell betreten, nie die dort geleitete Arbeit und deren oft faszinierende Ergebnisse in Gestalt hoch professioneller Musiktheater-Aufführungen zur Kenntnis genommen. Inzwischen wurde bekannt, dass sich die Frankfurter Oper für die Fortführung des Musiktheater-Forums interessiert, mit demselben Team, das in Stuttgart arbeitete.

Der Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe hat auch mit anderen Institutionen in der Stadt als möglichen Kooperationspartnern gesprochen. Wenn die Frankfurter Musikhochschule in das Projekt „Musiktheater-Forum“ mit einsteigen sollte, wäre der Weg nach Donaueschingen nicht weit, schließlich beteiligt sich die Frankfurter Musikhochschule bereits an Donaueschingens „The Next Generation“. Vernetzung heißt das Stichwort. Man muss die Energien bündeln, um der wachsenden Erosion an der Kultursubstanz unseres Landes mit Erfolg zu begegnen.

Siehe auch:

Ein Streichquartett sagt mehr als ein großes Orchester
Einige notwendige Anmerkungen zu den Donaueschinger Musiktagen 2006

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