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Kunstfest Weimar: Vor Wagner kommt Seemann +++ Daniel Barenboim hat zum 60. Geburtstag seine Autobiografie neu herausgebracht

Kunstfest Weimar: Vor Wagner kommt Seemann
Weimar (ddp-lth). Der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik, Hellmut Seemann, will die künstlerische Leitung des Kunstfestes 2003 übernehmen. Das erklärte er am Montag in einer Live-Sendung des Weimarer «Radio Lotte». Dieser Schritt sei mit dem Kunstfest-Beirat abgestimmt. Er begreife dies als eine Übergangsaufgabe, damit Nike Wagner als künftiger Kunstfest-Intendantin den Staffelstab 2004 übernehmen könne.
Für die inhaltliche Ausrichtung des nächstjährigen Festivals nannte Seemann vier Schwerpunkte. Neben dem traditionellen Tanztheater-Programm sowie einer Fixierung auf die «Faust»-Inszenierungen des Deutschen Nationaltheaters Weimar seien ein Literarischer Salon mit namhaften deutschen Autoren sowie ein Bach-Programm geplant. Angesichts der unklaren finanziellen Situation gebe es jedoch noch keine festen Abmachungen mit den Künstlern, jedoch Erfolg versprechende Vorgespräche unter anderem mit Hans Magnus Enzensberger, Durs Grünbein und Christoph Ransmayr.
Mit diesem Konzept bekenne sich der Beirat ausdrücklich zu einem Kunstfest mit Übergangscharakter 2003, sagte Seemann. Nun habe es der Weimarer Stadtrat in der Hand, das Festival mit seiner Zusage der verabredeten Fördermittel zu unterstützen. Der Stadtrat hatte Anfang Oktober zugesichert, das Kunstfest mit 250 000 Euro zu unterstützen und damit die Ko-Finanzierung durch Land und Bund zu sichern.
Weimars Stadtkultur-Direktor Felix Leibrock sieht «abgesehen von den finanziellen Problemen keine größeren Hindernisse», das Festival 2003 auf die Beine zu stellen, da man auf bewährte Strukturen zurückgreifen könne. Das Mitglied des Kunstfest-Verwaltungsrates und CDU-Stadtrat im Weimarer Kulturausschuss, Horst Hasselmann, begrüßte die Initiative des Beirates. Zunächst jedoch müsse über dessen Ideen und die offene Frage der Finanzierung im Stadtrat und in Verwaltungsrat verhandelt werden. Dafür müsse jedoch erst einmal der Antrag des parteilosen Oberbürgermeisters Volkhardt Germer von der Stadtrats-Liste am Mittwoch genommen werden. Germer forderte darin, das Kunstfest 2003 ausfallen zu lassen.
(www.weimar.de)

Daniel Barenboim hat zum 60. Geburtstag seine Autobiografie neu herausgebracht
München (ddp-bay). Der Mann macht Schlagzeilen: Ob als genialer Pianist und Dirigent, streitbarer Opernchef oder musikalischer Friedensstifter. Daniel Barenboim bietet immer wieder Anlass für begeisterte oder empörte Zwischenrufe - und das nicht nur in den Feuilletons. Erst im März war weltweit vom ihm zu hören, als er ein umstrittenes Konzert im palästinensischen Ramallah auf Druck der israelischen Sicherheitsbehörden absagen musste. Eine Friedensbotschaft hatte Barenboim senden wollen in einem Konflikt, in dem es nach seiner festen Überzeugung «keine militärische Lösung» geben kann. Kurz vor Barenboims 60. Geburtstag (15.11.) hat der Berliner Ullstein-Verlag die schon 1991 erschienene Autobiografie des Künstlers «Die Musik - Mein Leben» neu herausgebracht. Barenboim persönlich stellte das Buch am Dienstag in München der Öffentlichkeit vor.
Dass der kleine, energische, etwas untersetzte Mann ein musikalisches Ausnahmetalent ist, steht außer Frage. Überall war er der jüngste, der beste. Schon als Siebenjähriger gab das in Buenos Aires geborene Kind russisch-jüdischer Eltern sein erstes öffentliches Konzert, nahm mit elf in Salzburg an Dirigierklassen teil. An der «Academia di Santa Cecilia» in Rom wurde er als jüngster Meisterschüler aller Zeiten aufgenommen, erhielt 1955 mit 13 Jahren sein Diplom. Im selben Jahr gewann er den renommierten Alfredo-Casella-Klavierwettbewerb in Neapel.
Damit begann Barenboims pianistische Weltkarriere. Regelmäßig konzertierte er in Europa, den USA, Südamerika, Australien und Fernost. Legendär war seine Gesamteinspielung aller Mozart-Klavierkonzerte mit dem English Chamber Orchestra, das er vom Klavier aus selbst dirigierte. Barenboims Ausflüge aufs Dirigentenpult wurden seither immer häufiger, bis er sich ? seinem Lehrer und großen Vorbild Edwin Fischer ähnlich - fast ganz aufs Dirigieren verlegte. Stationen seiner «zweiten» Karriere waren das Orchestre de Paris, die Pariser Bastille-Oper und das Chicago Symphony Orchestra, das er seit 1991 leitet. 1992 unterzeichnete er einen Vertrag als Künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Deutschen Staatsoper Berlin und der Staatskapelle Berlin. Seit August dieses Jahres gilt ein neuer Vertrag, der ihn für weitere fünf Jahre an das Haus bindet.
Zwar gelang es Barenboim mit seinem Nimbus, die behäbige Lindenoper in kurzer Zeit wieder flott zu machen. Doch drohen diese Errungenschaften nun ein Opfer der desolaten Berliner Haushaltslage zu werden. Mehr als einmal drohte Barenboim im Konflikt mit Berliner Kulturpolitikern, das Handtuch zu werfen, um sein Haus und die gesamte Berliner Opernlandschaft vor dem befürchteten Absinken auf «Provinzniveau» zu bewahren.
Ebenso konfliktbereit wie in der deutschen Hauptstadt zeigte sich Barenboim auch in seinem Heimatland Israel, wohin die Familie 1952 übersiedelt war. Im Sommer 2001 löste er einen Skandal aus, als er in Jerusalem ein Werk des bei vielen Israelis immer noch verpönten, antisemitischen Komponisten Richard Wagner aufführte. Das Ereignis schlug Wellen bis zurück nach Berlin, wo ihn die dortige jüdische Gemeinde als Nestbeschmutzer beschimpfte. Doch einen couragierten Mann wie Barenboim focht das nicht an. Schon ein Jahr später provozierte er erneut, als er auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada kurzerhand das Konzert in Ramallah auf seinen Terminplan setzte.
Das Projekt, das ihm zur Zeit vielleicht am meisten am Herzen liegt, ist das West-Eastern-Divan-Orchestra. In dem Klangkörper, den er zusammen mit dem palästinensischen Intellektuellen Edward Said als praktischen Beitrag zum Frieden gründete, musizieren junge israelische und arabische Musiker einträchtig miteinander. Musik könne die Probleme des Nahen Ostens nicht lösen, sagte Barenboim in München. Doch sie könne für eine gewissen Zeit «den Hass auf Null bringen». Das Anliegen des Orchesters müsse dabei «total unpolitisch» sein. Für die Gründung des West-Eastern-Divan-Orchestra wurde Barenboim vor wenigen Tagen mit dem Friedenspreis der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet. In München verriet er das Credo hinter diesem Projekt: «Gerade weil das Thema so politisch ist, muss die Botschaft eine menschliche sein.»
Georg Etscheit