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Berliner Volksbühne meutert gegen neuen Intendanten Dercon
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Berliner Volksbühne meutert gegen neuen Intendanten Dercon [update, 22.6.]

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Berlin - Zahlreiche Mitarbeiter der Berliner Volksbühne wehren sich mit einem offenen Brief gegen den neuen Intendanten Chris Dercon. «Uns schreckt nicht das Neue», heißt es in dem am Montag veröffentlichten Schreiben. Die Vollversammlung Ende April habe jedoch darauf schließen lassen, dass es an der Bühne keine neuen Formen und künstlerischen Herausforderungen geben werde.

«Dieser Intendantenwechsel ist keine freundliche Übernahme», heißt es. Die Mitarbeiter befürchten eine «irreversible Zäsur» und einen Stellenabbau - «bis hin zur Abwicklung ganzer Gewerke».

Zu den Unterzeichnern gehören Schauspieler wie Sophie Rois, Birgit Minichmayr und Martin Wuttke sowie weitere prominente Theaterschaffende wie René Pollesch, Jürgen Kuttner, Carl Hegemann und Anna Viebrock.

Dercon, ehemaliger Direktor des Londoner Museums Tate Modern, soll im Sommer 2017 Nachfolger des langjährigen Intendanten Frank Castorf werden. An der Ernennung des Belgiers hatte es bereits viel Kritik gegeben. Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner hatte die Personalie verteidigt.

Die Theatermitarbeiter schreiben nun: «Wir sehen die Zukunft der Volksbühne bedroht!» Sie fordern das Berliner Abgeordnetenhaus und den Senat auf, das Konzept des Leitungsteams mit Blick auf ihre Sorgen zu prüfen.

(nmz) - In dem offenen Brief heißt es: "Eine konzeptionelle Linie der künstlerisch-strukturellen Weiterentwicklung unseres Theaters ist in den Ausführungen Chris Dercons und seiner Programmdirektorin Marietta Piekenbrock nicht zu erkennen.
Vielmehr werden uns Tanz, Musiktheater, Medienkunst, digitale Kunst und Film, die ohnehin fester Spielplanbestandteil an der Volksbühne sind, als Novität vorgesetzt. Im selben Atemzug wird der versammelten Belegschaft verkündet, dass „das Sprechtheater nicht die dominante Säule dieses Hauses sein wird“ und es werden Gemeinplätze wie „die Bühnensprache wird polyglotter werden“ bemüht. In der Banalität der Verkündung fürchten wir den Ausverkauf der für uns geltenden künstlerischen Maßstäbe und die zu erwartende Schwächung unseres potenten Schauspieltheaterbetriebs."

 

s. auch: Theaterstreit spitzt sich zu - «Berlins Ruf steht auf dem Spiel»

 

[update, 22.6.]

Senat: Sorgen der Volksbühnen-Mitarbeiter unbegründet

Die Berliner Kulturverwaltung will im Streit um die Zukunft der Volksbühne mit allen Beteiligten das Gespräch suchen. Sie nehme die Kritik mit Blick auf den neuen Intendanten Chris Dercon «sehr ernst», die Sorgen seien aber unbegründet, teilte die Kulturverwaltung am Dienstag mit. Es gehöre zum Selbstverständnis der Kulturverwaltung, sich die Pläne neuer Intendanten aufmerksam anzuschauen. Das werde sie auch bei Dercon so handhaben.

Die Kulturverwaltung betonte, die im Brief angesprochene Personalvollversammlung im April sei keine Programmkonferenz gewesen. Dercon und seine Programmdirektorin Marietta Piekenbrock würden ihre Pläne im Frühjahr 2017 veröffentlichen. «Alle Abteilungen und Werkstätten des Hauses bleiben erhalten, der aktuelle Stellenplan wird nicht gekürzt, sondern sogar aufgestockt.» Das Haus werde auch künftig mit einem eigenen Ensemble arbeiten.

Auch Dercon selbst meldete sich in der Mitteilung zu Wort: «Wir planen ein Programm, das Brücken schlägt von der Gegenwart in die Geschichte des Theaters und in die Geschichte der Volksbühne. Dieses einzigartige Theater hat bisher in jeder Generation Revolution gespielt - und immer erscheinen die Verhältnisse nachher noch beweglicher als zuvor!» Es werde weder einen großen personellen Umbruch geben noch seien die verschiedenen Gewerke in Gefahr.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte: «Es ist nicht unproblematisch, aber auch nicht ungewöhnlich, dass Änderungen wie der geplante Leitungswechsel an der Volksbühne so viel Unruhe auslösen.» Dann folgt eine leise Mahnung mit Blick auf das Profil der Bühne: Sie könne allen Beteiligten nur raten, «die markante Tradition dieses Theaters, sein künstlerisch-soziales Profil und seine Eigenart auch vor dem Hintergrund der Kulturangebote des Bundes in Berlin sensibel im Blick zu behalten».

Der Theaterchef Claus Peymann forderte den Berliner Regierungschef Michael Müller (SPD) auf, Dercon als neuen Intendanten der Volksbühne zu verhindern. Der Regierende Bürgermeister solle einen «Fehler einsehen und korrigieren», schrieb der Intendant des Berliner Ensembles. Müller solle sich mit Dercon einigen und ihn auszahlen. «Das kostet erheblich weniger als seine unsinnigen Pläne.»

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