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Dame (noch) ohne Unterleib

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Reform des Stiftungszivilrechts nimmt endlich wieder Fahrt auf

Nach der Reform des Stiftungssteuerrechts (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen, Bundesdrucksache 14/2340) im letzten Jahr war es still um das Vorhaben Reform des Stiftungssteuer- und des Stiftungszivilrechts geworden. Die erste Etappe war geschafft. Erste Erfolge wurden sichtbar. Die Bundesregierung hatte versprochen, den zweiten Teil der Stiftungsrechtsreform, die Reform des Stiftungszivilrechtes, noch in dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmen.

Nachdem die F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag nun einen Gesetzesentwurf zur Reform des Stiftungszivilrechts in den Deutschen Bundestag in den Bundestag (Entwurf eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsrechtsreformgesetz) zu finden unter http://www.kulturrat.de/themen/fdp-stiftung.htm) eingebracht hat, werden hoffentlich auch die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wieder Dampf bei der Reform des Stiftungszivilrechts machen.

Bei den Parteien und bei den Verbänden herrscht Übereinstimmung, dass eine Reform des Stiftungsrechts ohne zivilrechtlichen Teil eine Dame ohne Unterleib ist. Der Deutsche Kulturrat hat in seinen Forderungen nach der Reform des Stiftungsrecht dem Stiftungszivilrecht höchste Priorität eingeräumt. Die Forderungen des Deutschen Kulturrates wurden im Jahr 1999 in der Stellungnahme „Verbesserungen im Stiftungsrecht sind erforderlich“ formuliert. Die Stellungnahme ist nachzulesen unter: http://www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/stiftung.htm.


Erst mit der noch ausstehenden Reform des Stiftungszivilrechts ist der Reformkomplex Stiftungssteuer- und Stiftungszivilrecht abgeschlossen.

Was sind Stiftungen?

Stiftungen sind Ausdruck des Bürgerschaftlichen Engagements. Stifterinnen und Stifter schenken bei der Errichtung einer Stiftung der Gesellschaft einen Teil oder ihr gesamtes Vermögen dauerhaft und unwiderruflich.

Stiftungen leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag in der Finanzierung von Kultur. Stiftungen können flexibel auf die Bedarfe reagieren. Sie agieren zumeist unbürokratisch. Viele Stiftungen fördern gerade junge Künstlerinnen und Künstler oder künstlerische Projekte. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Entwicklung des kulturellen Lebens. Darüber hinaus stellen einige Stiftungen Mittel zur Erhaltung der kulturellen Traditionen zur Verfügung. Stiftungen sind also in beiden Bereichen tätig: der künstlerischen Innovation und der Traditionspflege.

Die Bedeutung von Stiftungen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen, kulturellen Projekten sowie Künstlerinnen und Künstlern wird in der Zukunft voraussichtlich zunehmen. Die Finanzierungsspielräume der öffentlichen Hände zur Förderung zusätzlicher Vorhaben bestehen gerade im Kunst- und Kulturbereich längst schon nicht mehr. Selbst die Substanz kann vielfach nicht mehr öffentlich finanziert werden. Diese Finanzierungslücken werden in der Zukunft unter anderem auch durch Stiftungen geschlossen werden müssen.

Die Bereitschaft bei den Bürgerinnen und Bürgern zu dem Stiften wächst deutlich. Die Zahl der Stiftungserrichtungen steigt kontinuierlich an. Es steht zu erwarten, dass gerade in den nächsten Jahren, in denen nach mehr als 50 Jahren Frieden in Deutschland breite Vermögen vererbt werden können, für die Stiftungsbereitschaft weiter geworben werden kann. Viele Erblasser möchten nach ihrem Tod der Gesellschaft etwas von dem zurückgeben, dass sie erhalten haben. Ihre Nachkommen sind zumeist ausreichend versorgt. Das Instrument der Stiftung eignet sich hervorragend, um über den Tod hinaus das „Leben“ zu sichern und etwas Gutes mit seinem Vermögen anzustiften.

Im Rahmen der Erstellung des neuen Verzeichnisses deutscher Stiftungen hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen aktuelles Zahlenmaterial zur Stiftungslandschaft in Deutschland vorgelegt. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland 2470 Stiftungen, die Kunst und Kultur fördern. Das sind 13,7% aller Stiftungen. Insgesamt gibt es 17.932 Stiftungen. Von 1997 bis 2000 wurden 903 Kunst- und Kulturstiftungen neu errichtet. Die Zahlen zum Stiftungswesen sind der Zusammenstellung „Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Stiftungswesen, hg. v. Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2. Ausgabe, Berlin 2001“ entnommen. Einen hervorragenden Überblick über die deutsche Stiftungslandschaft bietet das Verzeichnis „Verzeichnis deutscher Stiftungen 2000, hg. v. Bundesverband Deutscher Stiftungen, 4. Ausgabe 2000, Darmstadt 2000“. Die genannten Publikationen sind im Buchhandel erhältlich.

Der zur Zeit zu beobachtende Stiftungsboom hängt auch mit den seit den 01.01.2000 geltenden steuerlichen Vergünstigungen bei der Gründung von Stiftungen zusammen. Ausführliche Informationen zu diesen Regelungen findet man unter: http://www.kulturrat.de/themen/stiftung-gruenden.htm.

Aber es kann noch mehr gemacht werden. Erst wenn die noch fehlende Reform des Stiftungszivilrecht abgeschlossen wird, kann das Instrumentarium Stiftung wirklich sinnvoll für die Unterstützung von Kunst und Kultur eingesetzt werden.

Bei der Reform des Stiftungszivilrechts sind folgende Aspekte vordringlich.

Stiftungen müssen gemeinwohlorientiert sein. Steuervorteile für Stifterinnen und Stifter sind nur zu rechtfertigen, wenn sie ihr Vermögen in eine Stiftung geben, die aus ihren Erträgen tatsächlich gemeinnützige Zwecke fördert. Eine mögliche Definition für solche gemeinwohlorientierte Stiftungen könnte sein: „Stiftungen sind mitgliederlose Organisationen, die aus den Erträgen ihres Vermögens gemeinnützige Zwecke ewiglich fördern“.

Eine solche Begrenzung des Stiftungsbegriffs auf gemeinnützige Zwecke würde das positive Image von Stiftungen nochmals nachhaltig stärken. Es ist auch nicht einzusehen, warum sich einige Vereine oder GmbHs Stiftungen nennen dürfen, obwohl sie es eindeutig nicht sind. Besonders bekannte „Mogelpackungen“ sind die politischen Stiftungen, wie z.B. die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Konrad-Adenauer-Stiftung. Diese vermeintlichen Stiftungen sind in Wirklichkeit Vereine, die weder für die Ewigkeit errichtet wurden, noch haben sie ein Stiftungskapital. Sie erhalten vielmehr jährlich zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben vom Bund öffentliche Mittel. Doch Stiftungen sind etwas Besonderes. Sie dürfen nicht mit einem Verein, einer GmbH oder einer anderen Unternehmensform verwechselbar sein

Damit Stiftungen ihre gemeinwohlorientierten Zwecke erfüllen können, muß in der Zukunft sichergestellt werden, dass sie immer ein ausreichendes Stiftungskapital haben. Aus den Erträgen dieses Kapitals wird der Stiftungszweck erfüllt.

Da das Haushaltsrecht der öffentlichen Hand Kultureinrichtungen vielfach enge Fesseln anlegt und wirtschaftliches Handeln im betriebwirtschaftlichen Sinne nicht zulässt, werden immer häufiger Trägerstiftungen für öffentliche Kultureinrichtungen von der öffentlichen Hand gegründet. Die Trägerstiftungen führen zwar den Namen Stiftung, verfügen aber über kein ausreichendes Vermögen, um die satzungsgemäßen Zwecke zu erfüllen. Diese Stiftungen sind weiterhin von der öffentlichen Förderung abhängig. Der schwarze Peter für den Umgang mit den Unzulänglichkeiten des öffentlichen Haushaltsrechtes liegt nun nicht mehr bei den Kulturverwaltungen sondern bei den verantwortlichen Gremien und der Geschäftsführung der Stiftung. Das Problem wurde also nicht gelöst, sondern nur verschoben. Auch diese Stiftungen der öffentlichen Hand, die nicht mit dem notwendigen Kapital ausgestattet werden, sind eigentlich keine echten Stiftungen.

Wenn man die Stiftungsidee wirklich fördern will, dann muß man Stiftungen in der Zukunft eindeutig definieren. Nur damit kann erreicht werden, dass die „Mogelpackungen“ und die „Unechten Stiftungen“ den guten Ruf der Stiftungen nicht gefährden können.

Neben dieser klaren Definition von Stiftungen wird bei der Reform des Stiftungszivilrechtes die Verbesserung der Arbeit der Stiftungsbehörden das zweite wichtige Ziel sein. Die Stiftungsbehörden sollten in der Zukunft ihren Arbeitsschwerpunkt in der Beratung von Stifterinnen und Stifter sehen. Die Stiftungsbehörden verfügen über die Erfahrungen bei der Errichtung von Stiftungen. Diese Erfahrungen sollten genutzt werden und die Stiftungsbehörden so zu „Geburtshelfern“ von Stiftungen werden. Für die Entwicklung eines stiftungsfreundlichen Klimas ist gerade diese Veränderung von herausragender Bedeutung.

In diesem Zusammenhang sollten die Stiftungsbehörden als Clearing-Stelle auch die notwendige Abstimmung mit den Finanzbehörden übernehmen. Für viele Stifterinnen und Stifter ist es entmutigend, erst einen Behördenmarathon bei den Stiftungsbehörden zu durchlaufen und dann dasselbe noch einmal mit der Finanzbehörde für die Erteilung der Gemeinnützigkeit zu absolvieren.

Eine enge Abstimmung zwischen Stiftungsbehörde und Finanzamt würde in der Zukunft auch dazu beitragen, dass das Verfahren zur Stiftungsgründung beschleunigt wird. Um dieser Verfahrensbeschleunigung noch mehr Schubkraft zu verleihen, sollte darüber hinaus gesetzlich fixiert werden, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraumes über den Antrag auf Errichtung einer Stiftung zu entscheiden ist. In anderen Verwaltungsbereichen wurde mit der Festsetzung solcher Bearbeitungsfristen für Genehmigungen bereits gute Erfahrungen gesammelt.

Einige fordern die Abschaffung der staatlichen Stiftungsaufsichtsbehörden. Ich halte das für einen Fehler, da nur die staatliche Stiftungsaufsicht die Dauerhaftigkeit der Erfüllung der Stiftungszwecke in einer Stiftung garantieren kann. Stiftungen wirken ewiglich. Einige Stiftungen sind bereits 1.000 Jahre alt. Die Stiftungsaufsichtsbehörde trägt nach dem Tod der Stifterinnen und Stifter dafür Sorge, dass auch weiterhin die satzungsgemäßen Zwecke erfüllt werden. Ein Stifter muß sich auch in der Zukunft sicher sein können, dass die von ihm gegründete Stiftung auch nach seinem Tot, noch in hunderten von Jahren, weiterlebt und die von ihm festgelegten Ziele fördert.

Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat zur Stiftungsreform einen sehr beachtenswerten Vorschlag unterbreitet. Ich hoffe sehr, dass die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen nun ebenfalls zügig Vorschläge zur Reform des Stiftungszivilrechts vorlegen werden, damit die Reform, wie versprochen, noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden kann. Die Zeit wird knapp!

Ausführliche Informationen zur Debatte um die Reform des Stiftungsrechts finden Sie unter: http://www.kulturrat.de/themen/stiftung-reform.htm.

Olaf Zimmermann

Stand Juni 2001