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Das Goethe-Institut wird 60 - Präsident Lehmann sieht Kulturinstitut vor großen Aufgaben

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Berlin - Am Dienstag (5. Juli) feiert das Goethe-Institut seinen 60. Geburtstag mit einem Festakt in Berlin. dapd-Korrespondent Holger Mehlig sprach mit Instituts-Präsident Klaus-Dieter Lehmann über die Bedeutung der Einrichtung, die Entwicklungen im arabischen Raum und den in China unter Hausarrest stehenden Künstler Ai Weiwei.

dapd: Was sind heute die wichtigsten Aufgaben des Goethe-Instituts?

Lehmann: Wir sind wichtiger denn je geworden. Die Welt in ihrer bipolaren Form gibt es nicht mehr. Heute ist die Welt aufgegliedert, es gibt sehr viele Konflikte. Kunst und Kultur können zum einen wie ein Seismograf in Gesellschaften die Entwicklung spüren. Auf der anderen Seite kann durch Kultur Menschen eine Wertigkeit gegeben werden, können zivilgesellschaftliche Strukturen aufgebaut werden. Die Schwerpunkte in unserer Arbeit sind deshalb derzeit zum einen ausgerichtet auf die Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika, zum anderen auf die in den großen Volkswirtschaften wie in China und Indien. Ein weiterer großer Bereich ist die Sprachpolitik: Es geht um Länder, die bislang eine Bevölkerung mit guten Deutschkenntnissen hatten wie Russland. Dort wird aber die Sprachpolitik geändert, Deutsch nicht mehr als erste Fremdsprache gelehrt. Da betreiben wir eine offensive Sprachpolitik, dass Deutsch nach Englisch als zweite Fremdsprache erhalten bleibt.

dapd: Was kann das Goethe-Institut tun, um demokratische Entwicklungen in den arabischen Ländern zu unterstützen?

Lehmann: Schon in der Vergangenheit hatte das Goethe-Institut in dieser Region auch Kontakt zur Zivilgesellschaft. Das gibt uns jetzt große Möglichkeiten. Während viele Mittler ihre Partner verloren haben, haben die Goethe-Institute die Chance, mit denjenigen weiterzuarbeiten, die die Revolution tragen und getragen haben, nämlich mit den kulturellen Intellektuellen, der jungen Generation. Das sind die, die weiter gestalten. Die brauchen auch uns weiter mit unserer Dialogbereitschaft. Wir werden diesen Bereich, eine Kulturinfrastruktur zu schaffen, weiter verstärken, um den Künstlern eine internationale Anbindung zu verschaffen. Der zweite Bereich ist, dass wir mit der Jugend die Demokratisierungsmöglichkeiten ausloten. Eine Möglichkeit ist ein Jugendparlament. Wir wollen Jugendliche aus Südost- und Südwesteuropa mit den arabischen Jugendlichen zusammenbringen - entweder auf einem Schiff im Mittelmeer oder in Berlin oder Kairo.

dapd: Ein anderer Krisenherd ist Griechenland - gibt es dort angesichts des politischen Drucks eine antideutsche Stimmung?

Lehmann: In Griechenland haben wir zwei starke Institute in Athen und Thessaloniki. Es gibt das Bewusstsein, dass die Deutschen positiv wirkten bei der Abschaffung der Militärdiktatur. Das ist nicht vergessen worden. Das blieb jetzt in Athen trotz der negativen Presse so. Für Thessaloniki gibt es eine andere Situation. Aus Nordgriechenland kamen die meisten ersten Gastarbeiter nach Deutschland. Diese Gastarbeiter haben ein positives Bild nach Griechenland zurückgebracht. Das hat sich erhalten. Es zeigt sich, wie wichtig Goethe-Institute in Europa sind, einem Europa, das bislang häufig gleichgesetzt wird mit dem Euro. Wenn das wirklich so wäre, dann wäre es tragisch. Dann wäre es ja so, dass, wenn der Zahlmeister nicht mehr zahlen würde, alles zusammenbräche. Wir müssen in Europa diesen Prozess mit unterstützen, dass über die Kultur das Ganze einen ganz anderen Anstrich bekommt.

dapd: Wenn Europa nicht der Euro ist, was dann?

Lehmann: Europa ist eine Region, die nicht nur durch ethnische oder ökonomische Dinge verbunden sein sollte, sondern durch gemeinsame Wertschätzung für Gesellschaft, Kultur und Bildung. So wird man nicht so anfällig gegen ökonomische Schwankungen. Wenn man immer nur auf die Kasse guckt, wird das nie erfolgreich sein, wird es keine Solidarität geben.

dapd: Sie haben sich stark für die Freilassung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei eingesetzt. Nun steht er für ein Jahr unter Hausarrest. Wagen Sie eine Prognose, wie es mit ihm weitergeht?

Lehmann: Ich glaube, dass es innerhalb der Zeit, die jetzt gesetzt ist, entweder zu einem Prozess kommt, oder aber die Beweise reichen nicht aus und die Hausarrest-Situation muss aufgehoben werden. Ai Weiwei hat ja eine erstaunliche Strategie entwickelt, dass er in der Zeit, in der er im Gefängnis war, im Ausland eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Ausstellungen laufen hatte, die auch alle Wirkung zeigten. Das ist schon sehr gut überlegt gewesen. Vor seiner Verhaftung hatte er mir gesagt, für ihn hänge der Wunsch nach Berlin zu gehen damit zusammen, dass er in China keine Arbeitsmöglichkeiten habe. Er selbst sehe sein Arbeitsfeld aber eigentlich in China selbst. Damals hatte ich ihn auch zu unserer 60-Jahr-Feier eingeladen. Er hatte zugesagt und gleichzeitig den Halbsatz hinzugefügt, er sei sich aber nicht sicher, ob ihm die Möglichkeit gegeben werde. Insofern wird er am 5. Juli bei unserer Feier nicht dabei sein. Wir haben aber den tunesischen Theatermacher Fadhel Jaibi als Festredner eingeladen. Das soll schon ein Signal sein - wir zeigen deutlich Flagge für die zivilgesellschaftlichen Entwicklungen im arabischen Raum.


60 Jahre Goethe-Institut
Berlin - Das Geothe-Institut wurde 1951 als selbstständiger Verein gegründet. Es verfolgte das Anliegen, durch die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur der jungen Bundesrepublik die Rückkehr in die internationale Staatengemeinschaft zu ermöglichen. Das erste Auslandsinstitut wurde 1952 in Athen gegründet. Schon nach zehn Jahren verfügte das Goethe-Institut über 17 Institute in Deutschland und 54 Präsenzen im Ausland.

In den 60er und 70er Jahren bekam die Programmarbeit mit Einbindung eines kritischen politischen Diskurses einen neuen Fokus. Sie orientierte sich an aktuellen gesellschaftspolitischen Themen, an der Aufarbeitung des Nationalsozialismus' und zeitgenössischen Kunstentwicklungen. Die dialogische und partnerschaftliche Kulturarbeit wurde zu einer Säule deutscher Außenpolitik.

Der Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre stellte auch das Goethe-Institut vor neue Aufgaben. Zum einen ging es um die Vermittlung eines neuen, vereinigten Deutschlandbildes. Zum anderen entstanden neue Möglichkeiten für einen Austausch zwischen Ost und West. Die Sowjetunion und die unter ihrem Einfluss stehenden Länder hatten zuvor alles daran gesetzt, westliche Ideen und Entwicklungen in den Künsten von ihren Bürgern fernzuhalten. Nun konnte das Goethe-Institut dort arbeiten. Zwischen 1988 und 1994 wurden unter anderem in Ungarn, der Tschechischen Republik, Polen, Russland, Weißrussland, Lettland, der Slowakei der Ukraine, in Georgien und Kasachstan Institute eingerichtet.

Im vergangenen Jahrzehnt konzentrierte sich das Goethe-Institut beim Ausbau seines Netzwerkes auf die Entwicklungs- und Schwellenländer, besonders auf Afrika. Neben der Gründung neuer Institute engagierte sich das Institut für den Aufbau von Plattformen zum Austausch von Künstlern und Kulturschaffenden. Derzeit werden weltweit 150 Institute betrieben.

 

[update, 2.7.]: Lehmann wünscht sich German Academy in New York
Klaus-Dieter Lehmann wünscht sich in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ (Samstagausgabe) zum 60. Geburtstag des Goethe-Instituts „eine German Academy in New York in unserem bisherigen Haus, das derzeit umgebaut wird – genau gegenüber dem Metropolitan Museum. Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA haben in den letzten Jahren gelitten. Gerade auch deshalb fände ich es ganz schlecht, wenn das Haus an der Fifth Avenue, das die ganze Nachkriegsgeschichte zwischen USA und uns künstlerisch und intellektuell widerspiegelt, verkauft würde. Natürlich könnte man einen beachtlichen Preis erzielen. Aber damit verkauft man auch seine Seele. Ich wünsche mir daher, dass man uns keine Steine in den Weg legt, ein Projekt nach dem Muster der American Academy in Berlin zu verwirklichen. Das ist eine Idee mit Charme und großer kulturpolitischer Wirkung.“