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Zeitgenössische Musik – verschwunden im Fördernebel? Foto: Martin Hufner
Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig mitten im Wandel die Finanzierung entzogen. Foto: Hufner
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Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig mitten im Wandel die Finanzierung entzogen

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Wie hält es Leipzig mit der zeitgenössischen Musik? Dieses Verhältnis ist seit jeher etwas kompliziert – und aktuell drohen die Verhältnisse endgültig zu kippen. Die institutionelle Förderung 2023 durch die Stadt Leipzig wurde der Institution gestrichen. Jetzt bahnt sich eine Art "Joint Venture" an.

Pressemeldung des Netzwerks IMPULS e.V.

FZML mitten im Wandel die Finanzierung entzogen

Das Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig [FZML] wurde 1990 in den Wendejahren als Nachfolgeorganisation der legendären Gruppe Neue Musik »Hanns Eisler« gegründet und bekam 2003 mit Thomas Christoph Heyde nicht nur einen Komponisten, sondern auch einen Kurator und Medienkünstler als neuen künstlerischer Leiter. Gerade diese Offenheit gegenüber anderen zeitgenössischen Künsten führte zu außergewöhnlichen Projekten wie dem transmedialen Format ABENDMAHL, transnationalen Festivals wie CAGE100 oder interdisziplinären und neuen Festivalkonzepten wie MACHT-MUSIK und ENSEMBLEFESTIVAL. Innerhalb der neuen Musikszene Deutschlands entstand mit dem FZML entstand mit dem FZML ein einzigartiger Ort, wo die Aufführung zeitgenössischer Musik nicht Selbstzweck ist, sondern immer wieder in Austausch mit anderen Disziplinen steht. Die Stadt Leipzig honorierte die Arbeit durch eine erste institutionelle Forderung im Jahr 2010.

Hans Rotman: »Nach zwanzigjähriger Arbeit für das FZML entschloss sich Heyde zurückzutreten und damit die Stelle neu auszuschreiben. Unser bewährtes Team des im Nachbarland Sachsen-Anhalt agierenden Netzwerkes IMPULS, Hans Rotman (Intendant, Komponist und Dirigent) und Julian Rieken (Künstlerischer Leiter, Künstler, Kurator), ergänzt mit der Komponistin und Leiterin des jungen Leipziger Ensemble Tempus Konnex, JiYoun Doo, bewarb sich erfolgreich, um das FZML als Plattform für vielfältige zeitgenössische Positionen, neue Formate und kollaborativen Praktiken weiterzuentwickeln. Als Ziel 2023 formulierten wir eine breite Zusammenarbeit und größere Sichtbarkeit der bestehenden Szene der Neuen Musik, eingebettet in eine bestehende Modellinitiative Europäischer Festivals.«

Im Januar 2023, noch vor dem Antritt des neuen Teams, wurde die institutionelle Förderung des FZML »nach einem mehrstufigen Verfahren und begründet nach der Förderrichtlinie Kultur und der mit dem Fachausschuss Kultur abgestimmte Förderstrategie ...« komplett gestrichen.

Dass Leipzig in den 1990er Jahren ein lebendiger Hotspot für aufregenden Wandel war, konnte ich als Dirigent beim Kunstfest Weimar durch die Arbeit mit Komponisten der ersten Stunde, Friedrich Goldmann, Friedrich Schenker und dem noch jungen Steffen Schleiermacher erfahren. Die darauffolgenden Heyde–Jahre waren ein internationaler Maßstab für Innovation bei der Programmierung und Öffnung der zeitgenössischen Musik. Wenn die Stadt Leipzig nicht nur einen Teil der eigenen jüngsten Musikgeschichte, aber vor allem die der Aufführungspraxis der Neuen Musik womöglich finanziell ein Ende setzt, ist das für eine Kulturmetropole, die explizit mit ihrer Musikgeschichte wirbt, unverständlich und paradox.

Mit der Kulturbürgermeisterin hat es dazu am 18. Januar ein Gespräch gegeben. Favorisiert wird in dieser prekären Lage eine Lösung, die vorsieht, dass IMPULS (Sachsen-Anhalt) die vom neuen FZML-Team angedachten Pläne in seine eigenen, laufenden Projekte mit einbindet und kurzfristig dafür neue Mittel (außerhalb von Sachsen-Anhalt) akquiriert.

Dies wird nur eine Kurzfristlösung sein, da die Förderung der gesamten zeitgenössischen Musikszene im Jahr 2023 in Leipzig mit einem Anteil von nur 0,25 % (entspricht 26.000€ von insgesamt 10 Millionen Euro der für die freie Szene bereitgestellten Mittel) defacto eingestellt wurde. Die Neue Musikzeitung hat darüber kürzlich im Artikel »Leipziger Malaise« berichtet. Da das Netzwerk IMPULS 2023 der Einladung des Hallenser Kulturamts nachkommen und seinen Vereinssitz von Dessau nach Halle verlegen wird, entsteht eine Gelegenheit, im Ballungszentrum Leipzig/Halle ein Zentrum der Neuen Musik zu bilden. Die Expertise des Netzwerk IMPULS im Bereich der Nachwuchsförderung im Europäischen Kontext und die des FZML mit seinen transmedialen und internationalen Formaten, bietet dazu eine einzigartige Möglichkeit.

Hans Rotman

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