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 Foto: Manu Theobald © EvS Musikstiftung
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Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung an Michael Pelzel, Simon Steen-Andersen und Lisa Streich

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Die drei Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung gehen 2017 an die Schwedin Lisa Streich, den Dänen Simon Steen-Andersen und den Schweizer Michael Pelzel. Die Auszeichnung für vielversprechende junge Komponisten ist jeweils mit 35.000 Euro dotiert und wird ergänzt durch die Produktion einer Porträt-CD. Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt 2017 erstmals insgesamt 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Der größte Anteil – über 3 Millionen Euro – entfällt auf die weltweite Unterstützung von Projekten im Bereich der zeitgenössischen Musik. Der Ernst von Siemens Musikpreis, der 2017 an den französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard geht, ist mit 250.000 Euro dotiert.

3 Millionen Euro an zeitgenössische Musikprojekte weltweit

Erstmals vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung insgesamt 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Davon entfallen über 3 Millionen auf die Förderung von 130 Projekten weltweit – von Buenos Aires bis Budapest, von Island bis Israel: Die EvS Musikstiftung unterstützt beispielsweise die lateinamerikanische Premiere von Georg Friedrich Haas‘ In Vain im berühmten Teatro Colón in Buenos Aires, das Cycle Music and Arts Festival in Island, das Festival Tzlil Meudcan (hebräisch: „Klang auf dem neuesten Stand“) in Tel Aviv oder einen Musiktheater-Workshop für junge Komponisten der Peter Eötvös Foundation in Budapest. Der größte Anteil der Fördergelder finanziert und unterstützt Kompositionsaufträge an Komponisten wie Rebecca Saunders, Adriana Hölszky, Iris ter Schiphorst, Salvatore Sciarrino und Aribert Reimann. Auch Werke für außergewöhnliche Besetzungen wie zum Beispiel ein E- Gitarren-Quartett werden gefördert – hier ergingen Kompositionsaufträge an Alexander Schubert, Joanna Bailie und Christopher Trapani. Die irische Komponistin Ann Cleare schreibt im Auftrag des Ekmeles Ensembles aus New York ein Stück für Stimmen und Posaune. Das Ensemble intercontemporain, dessen langjähriger Solo-Pianist unser diesjähriger EvS Musikpreisträger Pierre-Laurent Aimard war, beauftragt sieben Komponisten – von Mark Andre bis Marko Nikodijevic – mit Stücken, die sich jeweils einem der sieben Schöpfungstage widmen.

Die EvS Musikstiftung unterstützt sowohl traditionsreiche Festivals wie die Donaueschinger Musiktage als auch kleinere Festivals wie beispielsweise die Gezeitenkonzerte 2017 in Ostfriesland, mit einem Komponistenporträt von Jan Müller-Wieland, oder Music Books II, das in diesem Jahr die Musik Salvatore Sciarrinos in das irische County Louth bringen wird. Die EvS Musikstiftung ermöglicht außerdem Konzerte wie die Dialoges with Latin America des mexikanischen Trios Morelia mit vielen Uraufführungen und mexikanischen Erstaufführungen, Kinder- und Jugendprojekte wie das BigBang-Festival in Hamburg, Tagungen wie die Darmstädter Frühjahrstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung sowie Publikationen wie die quellenkritische aufgearbeitete, für die musikalische Praxis bestimmte Neuausgabe von Arthur Honeggers Le Roi David, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Komponisten-Förderpreise an Michael Pelzel, Simon Steen-Andersen und Lisa Streich

Als Schweizer Stiftung freuen wir uns, dass 2017 wieder ein Komponist aus der Schweiz einen Komponisten- Förderpreis erhält: Michael Pelzel wurde 1978 in Rapperswil geboren. Er studierte Orgel und Komposition in Luzern, Basel, Stuttgart, Berlin und Karlsruhe. Seine Kompositionslehrer waren Dieter Ammann, Detlev Müller-Siemens, Georg-Friedrich Haas, Hanspeter Kyburz und Wolfgang Rihm. Pelzel war u.a. 2005 Preisträger beim Kompositionswettbewerb der musica viva des Bayerischen Rundfunks in München, erhielt 2011 den Busoni- Kompositionspreis und 2016 den Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart. Michael Pelzel ist als freischaffender Komponist und Organist sowie als Organist der reformierten Kirchgemeinde Stäfa am Zürichsee tätig.

Michael Pelzels Musik übt einen starken Sog auf ihren Zuhörer aus. Wie bei Yves Kleins berühmtem monochromem Blau greifen Differenziertheit und Homogenität auf faszinierende Weise ineinander: Seinen Klangkörpern gelingt es, ihre eigene Besetzung zu transzendieren, einen verschmelzenden Gesamtklang zu schaffen und dabei doch eine Tiefenschärfe voll reicher Details zu bewahren.

Seine eigene Sensibilität für Klänge und Rhythmen schärft er auch in der Auseinandersetzung mit außereuropäischer Musik: Jüngst widmete er sich in Südindien dem Tontopfinstrument Ghatam und der karnatischen Musik mit ihren außergewöhnlichen rhythmischen Konzepten. Maßgebliche künstlerische Impulse erhielt er auch durch einen dreimonatigen künstlerischen Aufenthalt in Südafrika.

Mit Simon Steen-Andersen wird ein Komponist ausgezeichnet, dessen Musik ganz eng mit den Möglichkeiten multimedialer Technik verbunden ist, ohne sich darin zu verlieren oder einer Mode zu verfallen. Durch Aufzeichnungen und Projektionen von Bild und Ton reflektieren seine Werke sich selbst, es entstehen labyrinthische Verschachtelungen – wie die Puppe in der Puppe – und vielfache Brechungen. Trotz ihrer Selbstreflexion sind Simon Steen-Andersens Arbeiten von der Abstraktion weit entfernt. Gerade die Sichtbarkeit der Klänge und ihrer Entstehung sind in den Werken des Multimediakünstlers von zentraler Bedeutung.

Simon Steen-Andersen, geboren 1976 in Odder in Dänemark, lebt heute in Berlin. Er studierte Komposition bei Karl Aage Rasmussen, Mathias Spahlinger, Gabriel Valverde und Bent Sorensen in Aarhus, Freiburg, Buenos Aires und Kopenhagen. Seit 2008 ist Simon Steen-Andersen Kompositionsdozent an der Staatlichen Hochschule für Musik Aarhus. Von 2013 bis 2014 war er Gastprofessor an der Norwegischen Musikhochschule in Oslo und von 2014 bis 2016

Dozent bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt. Simon Steen-Andersen erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Förderungen, zuletzt den Musikpreis des Nordischen Rats und den Preis des SWR- Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg 2014, den Carl Nielsen Preis und den Kunstpreis Musik der Akademie der Künste in Berlin 2013. Seit 2016 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.

Lisa Streich erhält als erste Schwedin überhaupt einen Komponistenpreis der EvS Musikstiftung. Sie wuchs in Värmland, Schweden, und Schleswig-Holstein auf und studierte Komposition und Orgel in Berlin, Stockholm, Salzburg, Paris und Köln u.a. bei Adriana Hölszky, Johannes Schöllhorn, Mauro Lanza, William Brunson, Margareta Hürholz, Ralph Gustafsson und David Smeyers. Meisterkurse, zum Beispiel bei Chaya Czernowin oder Brian Ferneyhough, runden ihre musikalische Ausbildung ab. Neben zahlreichen Stipendien und Auszeichnungen wie dem Busoni-Förderpreis oder dem Bernd Alois Zimmermann Stipendium der Stadt Köln erhielt sie die Roche Young Commission für das Lucerne Festival 2017. Lisa Streich lebt mit Mann und Kindern auf Gotland, hält sich im Moment jedoch im Rahmen eines Aufenthaltsstipendiums der deutschen Bundesregierung in der Villa Massimo in Rom auf. 2017/2018 wird sie zudem Composer-in-Residence beim ensemble recherche in Freiburg sein.

Tief existenzielle Fragen prägen das Schaffen Lisa Streichs genauso wie Alltägliches. Selbst ohne programmatische Titel, Texte und Kommentare hört man ihrer Musik an, dass es um Wesentliches geht. Sirrende Schwebungen und Differenztöne sind für den Zuhörer fast quälend. Ausdrucksstark wird die Musik der jungen Schwedin durch klar gesetzte Materialien und differenzierte Strukturen. Beispielsweise schreibt sie sechs Geschwindigkeitsstufen vor, mit denen Streicher ihre Bögen führen, Harfenisten über die Saiten fahren und Posaunen mit den Zügen glissandieren sollen. Lisa Streichs Musik ist von einwickelnder Schönheit, zugleich ernst und verspielt, kraft- und bedeutungsvoll, körperlich, grausam und zart.

Porträt-CDs

Die Komponisten-Förderpreise sind jeweils dotiert mit 35.000 Euro. Zudem erhalten die jungen Künstler eine in enger Absprache entwickelte und aufwändig produzierte Porträt-CD. Die Tonträger, die auch dieses Jahr von herausragenden Solisten, großen Orchestern und namhaften Ensembles für zeitgenössische Musik eingespielt werden, erscheinen im Winter 2017.

Preisverleihung am 2. Juni 2017 im Münchner Prinzregententheater

Am 2. Juni 2017 überreicht Thomas Angyan, Kuratoriumsvorsitzender der EvS Musikstiftung und Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, den drei Komponisten ihre Preise bei einem musikalischen Festakt im Münchner Prinzregententheater. Die Preisträger werden jeweils durch filmische Kurzporträts vorgestellt – Trailer dazu sind bereits jetzt auf unserer Internetseite zu sehen. Das Münchener Kammerorchester spielt Auszüge aus Lisa Streichs Stück AUGENLIDER sowie den 2. Satz aus Michael Pelzels Gravity’s Rainbow, einem Solokonzert für Kontrabassklarinette (CLEX), gespielt von Ernesto Molinari. Außerdem kommt die Videoinstallation/Performance Run Time Error von Simon Steen-Andersen zur Aufführung.

Der mit 250.000 € dotierte Ernst von Siemens Musikpreis 2017 wird Pierre-Laurent Aimard durch den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Michael Krüger, überreicht. Der Preisträger selbst wird u.a. Werke von Ligeti, Boulez und Kurtág interpretieren.

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