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Mehr Spektakel, weniger Deutsch - Kosky ein Jahr bei Komischer Oper

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Berlin - Ein Australier krempelt Berlins Komische Oper um: In seinem ersten Jahr an der Spitze des Hauses hat Intendant Barrie Kosky eingespielte Gewohnheiten infrage gestellt und alte Traditionen wiederbelebt. «Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir Oper im 21. Jahrhundert spielen können», sagte Kosky, Intendant und Chefregisseur, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.

 

Behutsam bricht Kosky mit der von Gründer Walter Felsenstein eingeführten Pflicht, alle Opern ausschließlich auf Deutsch singen zu lassen. Und er erinnert nun auch daran, dass am heutigen Ort der Komischen Oper Berlin einst das Metropol-Theater stand, die wohl bekannteste Revuebühne der Weimarer Republik. «Felsenstein ist die halbe Geschichte, die andere Hälfte ist das Metropol-Theater», sagt der 1967 geborene Kosky.

Mit der Operette «Ball im Savoy» des österreichisch-ungarischen Komponisten Paul Abraham führt Kosky an diesem Sonntag (9. Juni) eine der wohl spektakulärsten Operetten der 30er Jahre auf - mit Dagmar Manzel, Katharine Mehrling und Helmut Baumann in den Hauptrollen. Die Operette wurde sofort nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verboten, Abraham und viele Sänger mussten Deutschland verlassen. Der Komponist kehrte nach dem Krieg nach Hamburg zurück, gezeichnet von der Exilzeit in Kuba und den USA.

Zwar wurde «Ball im Savoy» später immer wieder aufgeführt und auch verfilmt - doch meistens begraben unter «einer Schicht Zuckerguss», wie Kosky sagt. «Diese Gabe, gleichzeitig zu lachen und zu weinen - das können diese Operetten in der deutsch-jüdischen Tradition». Mit Nostalgie, so Kosky, hat das Operetten-Revival aber nichts zu tun. «Wir reden hier nicht von Andrew Lloyd Webber oder "Mamma mia"», sagte Kosky und erinnert an die verschüttete Tradition der deutsch-jüdischen Kultur.

Bereits Koskys Vorgänger, der als Intendant nach Zürich engagierte Andreas Homoki, suchte für das Haus einen Platz zwischen den beiden Theatertankern Staatsoper und Deutsche Oper. «Wir wollen nicht das machen, was auch die anderen Häuser machen», etwa große Oper von Wagner, Verdi oder Puccini, sagt Kosky. Die Formel funktioniert offenbar: In dieser Spielzeit war das Haus bisher im Durchschnitt zu 75 Prozent ausverkauft, in der vergangenen Saison waren es knapp 66 Prozent.

So startete Kosky die aktuelle Spielzeit gleich mit einem Knall und machte deutlich, wohin die Reise gehen soll: Drei Monteverdi-Opern hintereinander, zwölf Stunden Musik an einem Tag. Die Produktion wurde ein Erfolg und steht für jene Mischung aus Kunst und Spektakel, mit der sich Opernhäuser um ein jüngeres Publikum bemühen. Zum großen Erfolg der Spielzeit gehört «Die Zauberflöte» in einer Mischung aus Animation, Kabarett und Stummfilm-Nostalgie. Alle 26 Vorstellungen waren ausverkauft, die Produktion geht nun nach Los Angeles.

Esteban Engel

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