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Düsseldorf (ddp). Dass Alexandr Rivlin ein Ausnahmetalent ist, kann wohl niemand bezweifeln. Mit fünf Jahren begann der Düsseldorfer Klavier zu spielen, mit sechs Jahren gewann er seinen ersten Wettbewerb und mit zehn Jahren bestand er die Aufnahmeprüfung an der renommierten Robert-Schumann-Hochschule für Musik in Düsseldorf.
Als mit Abstand jüngster von derzeit 839 Studenten aus 47 Nationen paukt er nun neben der Schule zweimal monatlich Musiktheorie und lernt einmal pro Woche, wie er am Klavier noch besser werden kann.Und das sei dringend nötig, findet Alexandr, der selbst wohl sein schärfster Kritiker ist. Beim diesjährigen Landeswettbewerb «Jugend musiziert» belegte er den dritten Platz - eindeutig zu wenig für seine Ansprüche, gibt er zerknirscht zu. Doch mehr als seine Niederlage wurmt es ihn, dass jemand seinen Lehrer für schlecht halten könnte. «Das stimmt nicht. Er ist nett und geduldig und sehr gut», stellt der kleine Pianist richtig. «Nicht seinetwegen habe ich schlecht gespielt, sondern weil ich so nervös war.»
Sogar noch nervöser als bei der Aufnahmeprüfung in der Robert-Schumann-Hochschule. «Und damals bin ich schon vor der Tür
hin- und hergelaufen - eine halbe Stunde lang», erinnert sich Alexandr. Gemeinsam mit seiner Mutter und einer Tante habe er darauf gewartet, endlich aufgerufen zu werden. Als er dann vor der Jury gestanden habe, sei er gleich viel ruhiger geworden. «Sie haben gesehen, dass ich noch so klein bin, und haben mich aufgemuntert und Witze gemacht». Das habe ihm geholfen. «Da habe ich wirklich gut gespielt.»
Das bekamen auch Alexandrs Mutter und Tante vor der Tür mit.
«Seine Tante hat die ganze Zeit ihr Ohr an die Tür gehalten. Sie war genauso aufgeregt», berichtet Alexandrs Vater Viacheslav. Grund genug hatte sie, schließlich hatte Tante Ludmila Alexandr alles beigebracht, was er bis dahin konnte und ihn dazu ermuntert, an der Aufnahmeprüfung für Jungstudenten teilzunehmen.
«Meiner Tante verdanke ich es auch, dass ich überhaupt mit dem Klavierspielen angefangen habe», sagt der Elfjährige. Auf einer Geburtstagsfeier habe sie sich ans Klavier gesetzt und «Happy Birthday» gespielt. «Das fand ich so schön, dass ich das auch lernen wollte», erinnert er sich.
Dass er es nur fünf Jahre später als Jungstudent an die Düsseldorfer Musikhochschule schaffte, verblüfft ihn noch heute. Doch er ist nicht der einzige, der sich wundert. «Wenn ich neben der Tür auf meinen Unterricht warte, denken viele sicherlich, ich warte auf einen großen Bruder oder eine Schwester», sagt Alexandr und lacht.
«Wenn sie dann merken, dass ich selbst Student bin, schauen sie mich erstaunt an und lächeln.»
Das Erstaunen der Studenten ist nicht ganz grundlos. Es komme äußerst selten vor, dass die Ausbildungsstätte so junge Studenten wie Alexandr habe, sagt der Sprecher der Hochschule, Matthias Schwarz.
Der jüngste Student aller Zeiten sei der Düsseldorfer jedoch nicht.
Auch andere talentierte Zehnjährige seien vor ihm als Jungstudenten eingeschrieben gewesen.
Für Alexandr ist das Klavierspielen bis heute eigentlich ein großer Spaß. «Aber ich spiele lieber vor, als dass ich übe», gibt er zu. Die täglichen Übungseinheiten zu Hause würde er deshalb gerne auch einmal sausen lassen. «Ich würde mir einfach gerne freinehmen und etwas mit meinen Freunden machen», sagt er. «Aber wenn ich zu wenig übe, werfen sie mich am Ende noch in der Hochschule raus.» Und das wäre das letzte, was Alexandr will: «Ich habe so eine große Chance bekommen, die möchte ich nicht einfach aufgeben.»
Dass der Druck auf ihn vielleicht zu groß werden könnte, denkt er nicht. «Nur am Anfang war es ein wenig hart, als ich gleichzeitig als Jungstudent angefangen habe und auf eine weiterführende Schule gewechselt bin», sagt der Elfjährige.
Ob er sein Hobby einmal zum Beruf machen will, weiß Alexandr allerdings noch nicht. «Im Moment hätte ich nichts dagegen, aber ich interessiere mich auch für andere Sachen», sagt er. «Architekt oder Mathematiker wären zum Beispiel auch nicht schlecht.»