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Musikschüler rausgeworfen: »Wir sind kein Selbstbedienungsladen«

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Wer darf wann in die Gächinger Schule? Ein offener Brief schlägt in der Gemeinde Wellen.

St. Johann-Gächingen. (and) Für Hans-Peter Collmer ist der Sachverhalt »vollkommen klar«: Als seine beiden Töchter und Enkelinnen am 29. Dezember des vergangenen Jahres in der ehemaligen Gächinger Schule musizierten, kam Ortsvorsteher Herbert Feucht in den Raum und setzte sie vor die Tür. Für Collmer, bis 1999 pädagogischer Leiter der Musikschule St. Johann, völlig unverständlich. Jetzt hat er einen offenen Brief geschrieben. Die Gemeinde sieht die Sache etwas anders: Laut Hausordnung ist die (Musik-)Schule in den Ferien geschlossen - und zwar für alle.


Jahrelang habe er sich für die Musikschule engagiert, sagt Collmer, weit über das geforderte Maß hinaus. So hat der pensionierte Gymnasiallehrer über Jahre hinweg seine Privaträume und seinen Flügel zur Verfügung gestellt, weil die Musikschule bis 1999 - da wurde das Gächinger Schulhaus frei - in Raumnot war. Zudem habe er immer wieder begabten Schülern kostenlos Unterricht erteilt, sogar in den Ferien.


Und jetzt dieser Vorfall zwei Tage vor Silvester. Ortsvorsteher Herbert Feucht beruft sich auf die Schulordnung, die der St. Johanner Gemeinderat verabschiedet hat. In den Ferien sind die Musikschule und das Schulhaus geschlossen, steht da drin. Punkt, fertig, aus.


Collmer sieht darin eine simple Machtdemonstration. »Handelten Sie eigenmächtig oder im Auftrag«, fragt er, »woher haben Sie als Ortsvorsteher die Befugnis, in einem Gebäude der Gesamtgemeinde als Hausherr aufzutreten?« Collmers Fazit ist klar: »Lediglich mit Paragrafen zu argumentieren ist häufig der Grund für fehlendes soziales Engagement von Bürgern.« Jetzt überlegt der 69-Jährige, wie es weitergehen soll: »Wenn man einem derart Prügel in den Weg schmeißt, muss man sich schon überlegen, ob man weitermacht.«


Aus Sicht der Gemeinde stellt sich die Geschichte ganz anders dar - und sie reicht bis 1999 zurück. Auch damals hatte Feucht in der Schule den musizierenden Collmer-Nachwuchs angetroffen. Der Ortsvorsteher hatte damals nichts gesagt. »Und die Gemeinde hat das Ganze im Nachhinein gebilligt«, sagt St. Johanns Bürgermeister Eberhard Wolf. Schließlich habe sich die Familie nicht nur auf ein Konzert vorbereitet, sondern auch schon sehr viel für die Gemeinde geleistet.


»Wir brauchen Freiräume«

»Dass die Schule künftig prinzipiell in den Ferien privat genutzt werden darf, wurde mit uns aber nicht abgesprochen«, stellt Wolf klar. Um einen Strich unter die Geschichte zu ziehen, hat er jetzt in einem Gespräch mit Musikschulleiterin Roswitha Jäger klargemacht, »dass ausgefallene Unterrichtsstunden im Schulhaus prinzipiell in den Ferien nicht nachgeholt werden können«. Das führe zu Kollisionen mit Putz-, Wartungs- und Reparaturarbeiten, so Wolf, »wir brauchen diese Freiräume«. Daran ändern auch besondere Verdienste von Einzelpersonen nichts, betont der Schultes: »Wir sind kein Selbstbedienungsladen.«


»In besonderen Fällen - so wie vor zwei Jahren - sind wir aber die letzten, die irgend jemand Steine in den Weg legen«, schränkt Wolf ein. Nur müsse eben vorher der Schulträger - die Gemeinde St. Johann - informiert werden. Im Gächinger Schulhaus hat Ortsvorsteher Herbert Feucht als Vertreter des Bürgermeisters das Hausrecht und damit das Sagen.


Roswitha Jäger ist als Leiterin der Musikschule eine Angestellte der Gemeinde - und hält sich deshalb aus der öffentlichen Diskussion heraus. Nicht sie hat den Brief geschrieben, sondern der ehemalige pädagogische Leiter der Musikschule. Und der hat ihr das Schriftstück bisher noch nicht einmal persönlich zukommen lassen.
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