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«Experiment in Utopie» - Bund finanziert Barenboims Musikakademie. Foto: Hufner
Daniel Barenboim als Plakat. Foto: Hufner
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nmz news update_190605: Daniel Barenboim verlängert | Kultur unter Beschuss | YouTube und Bildung | Kultur & Klimawandel | Rückblick | Podcastpartnerin Irene Kurka | Musik im Radio | News

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Im Fokus heute: Daniel Barenboim, Angriffe auf Kunst und Kultur, Bildung & YouTube, Klimawandel und deutsche Kulturpolitik, ein neuer Podcast von Irene Kurka, Laurie Andersons Geburtstag, vor 99 Jahren Dada-Messe in Berlin und weiter Neuigkeiten aus dem Musik- und Kulturleben.

Personalia

Daniel Barenboim verlängert bis 2027 an der Berliner Staatsoper. Die Ära von Daniel Barenboim an der Spitze der Berliner Staatsoper Unter den Linden ist noch lange nicht zu Ende: Der 76-jährige Dirigent soll weitere acht Jahre Generalmusikdirektor des Opernhauses bleiben. Sein bis 2022 laufender Vertrag wird danach um fünf Jahre bis 2027 verlängert. Das kündigten Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Daniel Barenboim am Dienstag an. Weiterlesen Arno Lücker hatte die richtige Nase (wir berichteten gestern).

Die Details aus der Meldung klingen ein bisschen gewollt: „Gemeinsam mit Barenboim strebe die Staatskapelle eine gute Arbeitsatmosphäre an. Dafür gebe es intensive Gespräche, die aber Sache des Dirigenten und des Orchester seien. „Wir lassen uns das Verhältnis zu unserem Chef nicht von außen erklären“, sagte Schergaut.

Wir erinnern uns: Vor wenigen Wochen hat das Van-Magazin erst das teilweise problematische Verhältnis zwischen Barenboim und einigen seiner Musikerinnen bekannt gemacht. „Der Poltergeist – Wer hat Angst vor Daniel Barenboim“ (€). Ebenso hatten Moritz Eggert (Ich bin ein Genie und ich darf alles [Kommentar zur Barenboim-Debatte]) und Alexander Strauch (Minenfeld Musik: Daniel Barenboim und das Königsheil) im Bad Blog Of Musick die Systemfrage gestellt.

Musik & Politik

Unter dem Titel „Kunst und Wissenschaft zum Abschuss frei“ weist in unserem Leitartikel Martin Hufner in der aktuellen nmz (2019/06) auf „Gefahren für eine aufgeklärte Kultur durch politische Gängelung“ hin: „Schleichende Veränderungen sind im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich nie ganz ohne Gefahr. So können Grundlagen gesellschaftlichen Lebens mit der Zeit dadurch entwertet werden, dass man sie als selbstverständlich und unverbrüchlich ansieht. So wie das Grundgesetz Deutschlands, das gerade 70 Jahre alt geworden ist. Wenn man aber nicht aufpasst, verschwinden solche Gewissheiten. Die Gefahren drohen von innen wie von außen. (…) Eine gegängelte Kunst wäre ein Verlust für unseren aufgeklärten Kulturbegriff, in dem freie Entfaltung der Person garantiert und die Würde des Menschen unantastbar ist. Kunst, die als freie ja immer eine politische ist, droht zum Spielball herrschender Politik und damit ihres Wesens als streitbarer Sinnlichkeit beraubt zu werden. Ihr Gegenstand ist nicht die Betonung von Differenzen zwischen den Menschen, sondern die Entfaltung ihrer Differenziertheit, nicht die Neutralisierung von Haltungen, sondern die Darstellung bunter Vielfalt, die nicht jeder oder jedem passen muss und kann. Nur von einer solchen freien und streitbaren Kunst kann Gesellschaft profitieren und umgekehrt.“

Da passt es wie auf den Punkt, wenn auch mit anderem Fokus, dass der neue Song „Vincent“ von Sarah Connor wegen der Textzeile „Vincent kriegt kein' hoch, wenn er an Mädchen denkt“ in manchen Radiostationen entweder gar nicht oder verstümmelt gespielt wird. Die dpa berichtet. Über so viel Hinterwäldlertum wundern wir uns doch sehr.

Passend zur Meldung gestern, dass YouTube eine große Bedeutung für Jugendliche spiele, der „Rat“ der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek eine „gesunde Skepsis bei der Nutzung von YouTube-Videos“ walten zu lassen. Nun, Skepsis ist auch bei jeder politischen Berichterstattung zu wünschen. Ob da immer noch der Rezo-Effekt eine nachhaltig tiefe Wunde hinterlassen hat. Man muss fürchten, dass dem so ist. Andererseits: Aufzupassen gilt es dann auch, wenn die Bundeskanzlerin mal wieder per Videobotschaft sich an ihre „Untertanen“ wendet. Darauf geht die Bundesbildungsministerin leider nicht ein. Statt also in die Zukunft des Mediums zu schauen, igelt man sich im Hause der moralischen Belehrung ein.

So darf man dankbar sein, dass Lydia Grün vom „netzwerk junge ohren“ nach vorne schaut: „Die Bildungswelten Schule und Youtube müssen sich ergänzen. Das liegt auch in der Verantwortung von Akteur*innen der Kulturellen Bildung, die mit Jugendlichen arbeiten. Dafür brauchen wir Erweiterung von Kompetenzen - auch durch Fort- und Weiterbildungen“, schreibt sie in einem Facebook-Eintrag.

Förderlicher scheint da die Initiative „Debatte Brandenburg“: Gedenkstätten starten Veranstaltungsreihe gegen Rechtspopulismus.

Klimawandel und Kulturpolitik

Aktuell finden die Aktionstage Nachhaltigkeit statt. Auch Kulturpolitik leistet einen Beitrag, z.B. mit der Förderung des „Grünen Drehens“ in der Filmproduktion oder von klimaneutralen Veranstaltungen. BKM-Amtschef Günter Winands hat noch weitere Ziele. Ja, das Bundeskulturministerium ist in der Tat ehrgeizig. Taten statt Reden.

Rückblick

Heute vor 72 Jahren wurde die Musikerin und Künstlerin Laurie Anderson geboren. Vor einem Jahr war sie Gast bei der Ruhr-Triennale, Stefan Pieper berichtete. Wir erinnern zudem an diesen kleinen Videoschnipsel aus den Songs for Lines/Songs for Waves von 1977. Die spielt auf ihrem Tonbandviolinbogen den Satz Lenins „Ethics is the aesthetics oft he few (future).“ Ziemlich tiefsinnig das.

Ebenso informiert einen die Wikipedia, dass heute vor 99 Jahren Eröffnung der von George Grosz, Raoul Hausmann, und John Heartfield veranstalteten Dada-Messe in Berlin war und 1965 in der Galerie Parnass das 24-Stunden-Happening mit Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Tomas Schmit und Wolf Vostell stattfand. Mit dabei übrigens auch der Musiker Eckart Rahn, der wenigen heute noch etwas sagt (hier ein paar Infos). Ein späteres Werk von ihm gibt es bei YouTube – aber bitte Skepsis nicht vergessen!

Grund genug jedenfalls, wieder einmal auf Anna Schürmers Text für die nmz: „Ästhetischer Aktionismus – Zum ‚Querstand‘ von Kunst und Politik im Kontext des langen Jahres 1968“ hinzuweisen.

Podcast-Partnerin Irene Kurka

Podcast Nr. 39 - Die steile Lernkurve von Musikern: „Lernturbo“ Musiker - sich zeigen als Musiker, Komponist und Künstler. Musiker lernen so viel in kürzester Zeit, um mit ihrer Musik, Emotionen und Menschlichkeit in der Öffentlichkeit zu bestehen. Musiker stellen sich immer wieder auf neue Menschen, Länder und Konzertorte ein. Sie stellen sich den Herausforderungen des Reisens. Irene Kurka träumt von einer „Gepäck-Cloud“.

Die Radiowoche bis zum 9.6.2019

Was sonst noch vielleicht wichtig war oder wird …

Radio-Tipp

21:04 bis 22:00 | rbbKultur
MUSIK DER GEGENWART: Die Komponistin Rebecca Saunders

Mit Margarete Zander. Sie hat sich vor allem mit ihren Raumkompositionen einen Namen gemacht. Die Musik von Rebecca Saunders entwickelt einen Sog und eine Farbigkeit, der man sich kaum entziehen kann. Beim Komponieren überlässt sie nichts dem Zufall: „In dem Moment, wo ich eine notwendige Entscheidung beim Komponieren treffe, kommt sie aus der Gewissheit: ich kenne mein Material, ich weiß, was ich mit meinem Klang machen will, ich weiß, wo es hinführt, ich weiß, wo es herkommt, ich weiß, wie es gerahmt werden soll, und es kann nur so in dem Moment zu 100 % auf dem Papier sitzen!“ Am 7. Juni wird Rebecca Saunders der diesjährige Ernst von Siemens Musikpreis verliehen.


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