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Offener Brief an Merkel für inhaftierte Künstler in der Türkei. Foto: Hufner
Wernigeröder Liebfrauenkirche wird Konzerthaus. Foto: Hufner
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Prominenter russischer Regisseur Serebrennikow festgenommen [upadate, 23.6.:] Reaktionen auf die Verhaftung

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Moskau - Der prominente russische Theaterregisseur Kirill Serebrennikow (47) ist unter Betrugsverdacht festgenommen worden. Das teilte das Staatliche Ermittlungskomitee am Dienstag in Moskau mit. Der Leiter des Moskauer Gogol-Theaters stehe im Verdacht, zwischen 2011 und 2014 staatliche Gelder von 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) veruntreut zu haben.

Serebrennikow ist ein international anerkannter Theatermacher und steht der russischen Führung kritisch gegenüber. Er sollte im September in Stuttgart die Märchenoper «Hänsel und Gretel» inszenieren. 

Die Behörden hatten die Wohnung des Regisseurs und das Gogol-Theater im Mai durchsucht. Drei frühere Mitarbeiter wurden mit Untersuchungshaft oder Hausarrest belegt. Serebrennikow war nach Behördenangaben zunächst Zeuge in dem Verfahren. Weil aber sein Pass eingezogen war und er nicht ins Ausland reisen durfte, fürchtete auch er eine Verhaftung.

Den Vorwurf der Veruntreuung wies er zurück. Allerdings hat ihn die frühere Chefbuchhalterin seiner Produktionsfirma «Siebtes Studio» in Vernehmungen belastet. Nach Serebrennikows Angaben werfen die Ermittler ihm vor, eine bestellte Inszenierung von Shakespeares «Sommernachtstraum» sei nicht zustande gekommen. Die Aufführung ist allerdings mehrfach in Russland und im Ausland gezeigt worden.

Viele russische Künstler haben eine Freilassung der inhaftierten Theatermacher gefordert. Auch die Staatsoper Stuttgart setzte sich für Serebrennikow ein. Im Juli setzte das Bolschoi-Theater in Moskau ein Ballett des Regisseurs über den russischen Startänzer Rudolf Nurejew kurz vor der Welturaufführung ab.

 

[upadate, 23.6.:] Reaktionen auf die Verhaftung:

Die Leitung der Stuttgarter Oper, an der Serebrennikow 2015 mit großem Erfolg «Salome» inszeniert hatte, kritisierte das Vorgehen als politisch motiviert. Die Premiere dürfte wegen der Festnahme gefährdet sein. Allerdings hoffe das Theater weiter, dass Serebrennikow planmäßig am 18. September mit der Arbeit beginnen könne, sagte ein Sprecher. Der Deutsche Bühnenverein in Köln sprach von einem «zutiefst schockierenden Vorgang».

Geschockte russische Künstler versuchten, dieses Schicksal für ihren Kollegen abzuwenden. Der Vorsitzende des Theaterverbandes, Alexander Kaljagin, bot an, für Serebrennikow zu bürgen. Auch der Leiter des Bolschoi-Theaters in Moskau, Wladimir Urin, sprach sich gegen Haft aus. «Er ist ein sehr begabter und talentierter Mensch. Das Bolschoi betrachtet ihn als einen großen Künstler.» Allerdings hatte das Bolschoi im Juli ein Ballett des Regisseurs über den russischen Startänzer Rudolf Nurejew kurz vor der Uraufführung abgesetzt.

Auch der Filmemacher Pawel Lungin und der frühere Finanzminister Alexej Kudrin riefen dazu auf, Serebrennikow nicht in Haft zu nehmen. «Die Festnahme eines Regisseurs schießt eindeutig über das Ziel hinaus», schrieb Kudrin auf Twitter. Doch der Journalist Andrej Loschak kommentierte auf Facebook pessimistisch: «Kirill ist die ideale Figur für einen Schauprozess gegen die Liberalen.»

Am Gogol-Theater im Moskauer Stadtzentrum zog laut der Agentur Tass Polizei auf, um mögliche Solidaritätskundgebungen für Serebrennikow zu unterbinden.

Nach der Festnahme von Serebrennikow wird für Mittwoch in Moskau die Entscheidung über einen Haftbefehl erwartet. Für 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ) sei ein Gerichtstermin anberaumt, sagte sein Anwalt Dmitri Charitonow.

 

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