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Rad ab, Waage rauf - Wie in Berlin um Kultur gestritten wird. Foto: Hufner
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Rad ab, Waage rauf - Wie in Berlin um Kultur gestritten wird

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Berlin - Was hat das Denkmal zur Erinnerung an die Deutsche Einheit mit der Berliner Volksbühne zu tun? Nichts, möchte man meinen. Doch im Augenblick liefern beide höchst skurrile Beispiele, mit welchem Hickhack in der Bundeshauptstadt gelegentlich Kulturpolitik betrieben wird - Provinzposse statt Metropolenglamour, kleines Karo statt großer Wurf.

Jüngstes Beispiel: Das Einheits- und Freiheitsdenkmal. Nach einem beispiellosen Hin und Her hatten sich Union und SPD im Bundestag darauf geeinigt, die begehbare Waage neben dem Berliner Schloss nun doch zu bauen. Da überraschte die SPD-Gedenkexpertin Hiltrud Lotze am Dienstag mit der Ankündigung, die Zuständigkeit für das Projekt werde Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) entzogen und gehe künftig an Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD).

Doch mitnichten! Stante pede ging Unionsfraktionschef Volker Kauder auf die Barrikaden und verkündete, alles bleibe wie gehabt. «Die Verantwortung für die Errichtung des Denkmals bleibt bei Staatsministerin Grütters», verkündete er. In Wahrheit hätte Grütters das von ihr wenig geliebte Denkmal wohl nicht ungern abgegeben (sie hält das Brandenburger Tor für die bessere Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989). Doch so einfach ist es in Wahlkampfzeiten nicht.

Zwar ist das Geld für das Denkmal inzwischen tatsächlich in Hendricks Etat gewandert. Die Haushaltspolitiker hatten nach ihrem überraschenden Baustopp für die Waage im vergangenen Jahr ebenfalls überraschend 18,5 Millionen Euro für die Rekonstruktion historischer Kolonnaden am selben Standort, dem früheren Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal, vorgesehen.

Dieses Geld soll nun, so der gemeinsame Beschluss, wieder für das Einheitsdenkmal umgewidmet werden. Damit hätte Hendricks die Kasse führen und Grütters wie gehabt die Verantwortung für die Gedenkstättenkultur haben können. Doch CDU/CSU fühlten sich durch Lotzes Vorpreschen «vorgeführt» und legten eine Vollbremsung ein. «Da hat sich die SPD selbst ein Bein gestellt. Die Union wird einen Teufel tun und jetzt die Zuständigkeit ändern», hieß es von Beteiligten am Mittwoch.

Zweites Beispiel: Die altehrwürdige Volksbühne. Intendant Frank Castorf, der im Sommer nach einem Vierteljahrhundert als künstlerischer Leiter seinen Hut nehmen muss, lässt seinen ungeliebten Nachfolger Chris Dercon schon seit langem am ausgestreckten Arm verhungern - auch wenn der britische Museumsmacher seine vorläufige Bleibe nur einen Steinwurf entfernt aufgeschlagen hat.

In der vergangenen Woche sorgte dann die Nachricht für Aufregung, die Volksbühne wolle beim Stabwechsel sogar ihr langjähriges Wahrzeichen abbauen - ein metallenes Speichenrad mit Beinen, das auf dem Platz vor dem Haus steht. Den Abbau habe der damalige Designer Rainer Haußmann entschieden, teilte die Volksbühne mit.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) stellte kurz darauf im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses allerdings klar, dass das Theater selbst für die Entscheidung zuständig ist. Schließlich habe das Haus in den 90er Jahren 23 276 Mark für die Herstellung des Rades gezahlt und sei damit der Eigentümer des «konkreten Blechgegenstands».

Sabine Bangert, die Vorsitzende des Kulturausschusses, nennt das Vorgehen «kindisch». «Wenn Castorf & Co. das Rad abbauen wollen, sollen sie es abbauen, aber in ihrem Namen und nicht die Verantwortung auf andere abschieben», sagt die Grünen-Politikerin. «Die ganze Aktion schadet der Volksbühne und zeugt nicht von übermäßiger Souveränität.»

Auf neuerliche Nachfrage stellte das Theater am Mittwoch dann klar: «Es handelt sich um eine Entscheidung der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, vertreten durch den Intendanten Frank Castorf, der den Erbauer der Rad-Skulptur, Rainer Haußmann, mit dem Abbau beauftragt hat.» Da schau! So geht's also auch.

 

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