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Rahmenprogramm der EU Kulturförderung

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Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Entwurf für ein Erstes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Kulturförderung (2000-2004)

Im Mai 1998 hat die Europäische Kommission den Entwurf für ein „Erstes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Kulturförderung“ vorgelegt, er liegt derzeit dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat zur Diskussion und Entscheidung vor.
Dem Entwurf ging eine breit angelegte Evaluation der bisherigen Kulturförderprogramme voraus. In diesen Evaluations- und anschließenden Diskussionsprozess waren auch Vertreter der Kulturschaffenden beteiligt. Ihren Abschluß fand die Diskussion im Internationalen Kulturforum im Januar 1998 in Brüssel.
Trotz der vorherigen Einbeziehung von Kulturexperten aller beteiligten Länder trägt der nun vorgelegte Entwurf nur in Teilbereichen den zuvor diskutierten Anforderungen Rechnung. Es steht darum zu erwarten, daß die Debatte fortgesetzt wird und die Verabschiedung der neuen EU-Kulturförderung frühestens in der deutschen Präsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 1999 erfolgen kann.



Der vorgelegte Entwurf beinhaltet zwei Teile:

1. Leitlinien für die ausdrückliche Einbeziehung der Kultur in sämtliche Rechtsakte und Politiken der Gemeinschaft auf der Grundlage der sog. „Kulturverträglichkeitsklausel“ in Artikel 128 Absatz 4 des Einigungsvertrages.
2. Das spartenübergreifende, einheitliche Förderprogramm „Kultur 2000“, das an die Stelle der bisherigen 3 Programme (Kaleidoskop, Ariane und Raphael) tritt.
Der erste Teil, d.h. die erklärte Absicht, Kunst und Kultur in allen Bereichen verstärkt Rechnung zu tragen und künftige Beschlüsse und Gesetzesentwürfe frühzeitig auf mögliche kulturpolitische Relevanz zu prüfen, ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates zu begrüßen. Wir stellen jedoch mit Bedauern fest, daß ein geeignetes Instrumentarium zur Kontrolle der Kulturverträglichkeit nach wie vor nicht benannt ist.
Der zweite Teil berücksichtigt die Interessen von Kulturschaffenden, -vermittlern und -verwertern nur unzureichend.
Nach Auffassung des Deutschen Kulturrates kann eine so deutliche Fokussierung der Kulturförderung auf große Projekte den europäischen Einigungsprozess in kultureller Hinsicht nicht nachhaltig befördern. Vor allem künstlerische Projekte, die hierzu mehr beitragen können, sollten bevorzugt gefördert werden.

Die Hauptkritikpunkte sind:
1. Die Mittelausstattung in Höhe von 167 Mio. ECU für die Gesamtlaufzeit von fünf Jahren bei einer Beteiligung von 29 Ländern ist völlig unzureichend und noch immer weit entfernt von den ursprünglich vom Parlament in Aussicht gestellten 1% des EU-Haushaltes für den Kulturetat.

2. Ein Drittel der Fördersumme ist reserviert für Großprojekte unter Beteiligung von mindestens sieben Mitgliedsländern (Aktionsschiene I). Das heißt konkret: Pro Jahr werden maximal 12 Projekte mit einer Laufzeit von drei Jahren ausgewählt, deren Gesamtkostenrahmen sich pro Jahr zwischen 350.000 bis 500.000 Ecu bewegen soll.
Erstens wird durch diese quantitative Vorgabe die qualitative Ebene nicht angesprochen, auch kleinere Projekte können europäischen Charakter haben, zweitens würde die Förderung dieser Großprojekte nur wenigen Kulturveranstaltern zugute kommen, die sich vermutlich auch auf andere Weise finanzieren können. Der Kern der europäischen Zusammenarbeit im Kulturbereich, die Vernetzung und Kooperation weniger groß dimensionierter Projekte und deren Ermutigung ginge damit verloren.

3. Projekte für den Erhalt kulturellen Erbes fallen künftig ebenfalls unter diese 1. Aktionsschiene. Das heißt, sie müssen nicht nur die benannte Siebenländerhürde nehmen, sondern der Bereich „Kulturerbe“ muß sich mit drastisch weniger
Mitteln begnügen. Standen dem Programm Raphael bisher pro Jahr durchschnittlich ca. 10,6 Mio. Ecu als Fördersumme zur Verfügung, so errechnet sich das künftig zu erwartende Jahresbudget mit rund 550.000 Ecu.

4. Obwohl durch das neue Rahmenprogramm alle bislang geförderten Sparten weiterhin gefördert werden sollten, findet sich der Literaturbereich, bislang durch das Programm Ariane unterstützt, nicht wieder. Internationale Übersetzerkolloquien oder Schriftstellertreffen mögen noch unter die Aktionsschiene I fallen, sofern die Organisatoren über ein entsprechendes multinationales Netz verfügen. Doch für Übersetzungen und die Vermittlung von herausragenden literarischen Werken vor allem aus und in weniger verbreitete Sprachen s0ll es künftig keine europäischen Mittel mehr geben. Auch die Schriftstellerpreise Aristeion entfallen ersatzlos. Wo bleibt hier die gern zitierte Heranführung der Bürger an schwer zugängliches europäisches Kulturgut? Wegen der fremdsprachenspezifischen Sonderstellung der Literatur gegenüber anderen Kulturformen wird die Einrichtung eines Sonderfonds für Übersetzungen gefordert.

5. Ein ganzes Drittel des ohnehin knapp bemessen Förderetats soll künftig für große kulturelle Ereignisse von heraus-ragender Bedeutung ausgegeben werden, die geeignet sind, als Werbemaßnahmen für Europa zu dienen. Hier sind zu nennen: Festivals in den Ländern mit der jeweiligen Ratspräsidentschaft, „Kulturstadt Europas“, „Europäische Tage“ im Rahmen von Festivals, „Symbolträchtige Aktionen“, Auszeichnung großer Talente, Eurovisionsübertragungen kultureller Ereignisse durch das Fernsehen, u.s.w. Auch wenn, um für die europäische Idee eine breitere Akzeptanz zu schaffen, weitere Öffentlichkeitsarbeit sicherlich vonnöten ist, droht hier durch die Verschiebung im Kostengefüge wohl eher ein gegenteiliger Effekt, wenn sie zu Lasten der „klassischen Kulturförderung“ geht. Vielmehr sollte hierfür die Öffnung anderer Etats angestrebt werden. Es stellt sich außerdem die Frage, welche Art von Maßnahme nachhaltiger wirkt, ein einmaliges Festival oder z.B. ein besonders gelungenes Projekt zum Erhalt des kulturellen Erbes, das sich zum touristischen Magneten entwickelt und - angemessen dargestellt - über Jahre hinaus der Förderung durch „Europa“ ein gutes Zeugnis ausstellt.

6. Bei der dritten Aktionsschiene soll es um die Herausbildung und Entfaltung neuer Formen des kulturellen Ausdrucks gehen. Hier besteht die Gefahr, daß Mittel für die Kulturförderung nicht der Literatur, Kunst und Kultur sondern angrenzenden institutionalisierten Darstellungsbereichen (z.B. der Naturforschung, Wissenschaft, Wirtschaft, Friedensfor- schung etc.) zugute kommen. Ausdrücklich ergänzt werden sollten hier als vermittelnde und übergreifende Instanzen kulturellen Zusammenwirkens vielmehr die Bereiche „Bildung“ und „Sprache“. Die Verbindung von Kultur mit anderen Arbeitsfeldern ist zu begrüßen, doch ist es unangemessen, wenn die Verbindung auf Kosten der traditionellen Kulturförderung geht. Nach der Planung in der Aktionsschiene III sind für diesen Bereich ein Drittel der gesamten Förderungsmittel vorgesehen, die letztendlich dem klassischen Kulturbereich entzogen würden. Hier sollte nach Auffassung des Deutschen Kulturrates vielmehr darauf gedrungen werden, die jeweiligen anderen „Töpfe“ (wie z.B. die Strukturfonds) stärker für kulturelle Maßnahmen zu öffnen.

7. Die Formulierung des Ausschreibungstextes muß viel präziser werden, vor allem sollten die Förderziele und die Art der förderbaren Projekte genauer ausformuliert werden. Der jetzige Text ist an manchen Stellen so ungenau, daß er in verschiedenen Übersetzungen Raum für völlig verschiedene Interpretationen läßt. Durchgängig ist z.B. in dem Programmentwurf die Rede von „Kulturförderung“. Neben diesem umfassenden Begriff taucht der eigentliche Begriff „Kunst“ nicht auf. Hier ist Abhilfe zu schaffen.

8. Die Mitgliedsstaaten können sowohl die Ausrichtung der Programme als auch letztlich die Auswahl der zu fördernden Projekte nur in unzureichendem Maße mitgestalten. Die jeweiligen Prioritäten für die im nächsten Jahr zu fördernden Projekte sollen nach Absicht der Kommission ausschließlich von ihr festgelegt werden. Bei der Auswahl läßt sich die Kommission zwar durch einen Ausschuß aus Vertretern und Vertreterinnen der Mitgliedsstaaten beraten, trifft die Entscheidung dann aber selbst. Sie will den Ausschuß lediglich unterrichten, inwieweit seine Stellungnahme berücksichtigt wurde. Der Deutsche Kulturrat hält im europäischen Interesse kultureller Kompetenz und demokratischer Transparenz die Einrichtung eines die EU–Kom-mission/GD X beratenden, alternierend zu besetzenden Expertengremiums für notwendig, dessen Vergabeempfehlungen begründet und veröffentlicht werden und den Entscheidungen des Länderausschusses wie der Kommission zugrunde liegen.

9. Sowohl die Ausschreibungsfristen als auch die Zahlungsfristen der bewilligten Mittel dürfen die Durchführung nicht behindern. Der Qualitätssicherung der Projekte dient eine längerfristige Planung, die nur bei ausreichenden Abgabefristen für die Anträge gewahrt werden kann. Hierfür sollte auch die Schwerpunktsetzung der jeweiligen kommenden Jahre lange im voraus bekannt sein. Wechselnde Schwerpunkte können zu Vielfalt beitragen. Die Benachrichtigung der ausgewählten Projekte muß in zuvor bekanntem zeitlichen Rahmen erfolgen und die Mittel nach der Bewilligung zügig ausbezahlt werden, damit eine kostenaufwendige Zwischenfinanzierung entfallen kann. Berücksichtigung muß finden, daß der Zuwendungsbescheid ein Vertrag auf Gegenseitigkeit ist, die Kommission die eingegangenen Verpflichtungen also auch pünktlich erfüllen muß.9999
Aus den genannten Gründen wird deutlich, daß der vorgelegte Entwurf noch dringend der Überarbeitung bedarf.

Zusammenfassend läßt sich festhalten:

Die Mittel, die für das 1. Rahmenprogramm zur kulturellen Förderung zur Verfügung gestellt werden sollen, sind vollkommen unzureichend und nach wie vor weit entfernt von dem vom Parlament ursprünglich in Aussicht gestellten Kulturetat in Höhe von 1 % des Gesamtetats. Im Programm fest zu verankern ist die Verzahnung mit anderen europäischen Förderungsmöglichkeiten, sprich die Öffnung anderer Programme für kulturelle Projekte.
Die Verschärfung der Förderungsbedingungen, wie z.B. die Minimalforderung von sieben kooperierenden Mitgliedsstaaten für die Aktionsschiene I - vier für Aktionsschiene III - wird abgelehnt. Durch diese Verschärfung wird künstlich eine bürokratische Hürde eingebaut, die in der Regel von Kulturorganisationen nicht gen9ommen werden kann. Vorrangig müssen qualitative vor quantitativen Kriterien berücksichtigt werden. Der „europäische Charakter“ muß durch den Inhalt und nicht in erster Linie durch eine große Zahl der beteiligten Länder sichergestellt werden.
Die Mittelverteilung innerhalb des Programms muß eine andere Gewichtung zugunsten kultureller Maßnahmen im ursprünglichen Sinne bekommen. Hierbei sind auch die Bereiche „Erhalt des kulturellen Erbes“ und „Literatur“ angemessen zu berücksichtigen.
Aufgrund der Sonderstellung der Sprache (Fremdsprachen) muß ein Sonderfonds für Übersetzungen eingerichtet werden.
Es sollte davon Abstand genommen werden, ausschließlich große Projekte zu unterstützen, die erfahrungsgemäß auch ohne zusätzliche Förderung zustande kommen.
Ferner bedarf der Maßnahmenkatalog einer klareren Formulierung - vor allem der Zieldefinition und der förderbaren Maßnahmen. Vertreter der betroffenen Zielgruppen sollten an der Formulierung sowie an der Schwerpunktfestlegung beteiligt werden. Die Kunst als Förderziel muß explizit genannt werden.
Das Prozedere der Projektauswahl muß durch Einbeziehung einer alternierenden unabhängigen Experten-jury, die die jeweiligen Vergabekriterien begründet und veröffentlicht, transparenter und demokratischer werden.
Ausreichend frühzeitige Bekanntgabe der jeweiligen Schwerpunktsetzung und entsprechend lange Ausschreibungs- sowie zeitnahe Auszahlungs-fristen müssen hinsichtlich einer ge- diegenen Projektplanung und -durchführung von Seiten der Kommission garantiert werden.

Bonn, September 1998