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Blick auf Salzbrug. Foto: Hufner
Salzburger Bilanz: Ein Festival im Übergang. Foto: Hufner
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Salzburger Bilanz: Ein Festival im Übergang

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Salzburg - Normalerweise steht bei den Salzburger Festspielen das glamouröse Opernprogramm im Mittelpunkt des Interesses, und die Schauspielpremieren gelten eher als Randereignis. Dieses Jahr war es anders, da brillierten Sprechtheater-Mimen wie Nicholas Ofczarek, Jens Harzer, Peter Simonischek und Sven-Eric Bechtolf und liefen dem Musiktheater fast den Rang ab, von einer szenischen Opernaufführung mit Anna Netrebko einmal abgesehen.

Die Salzburger Festspiele 2016, die am 31. August enden, waren ein Festival des Übergangs, im zweiten Jahr geleitet von Interimsintendant Sven-Eric Bechtolf. Neben seiner Aufgabe als künstlerischer Leiter beaufsichtigte Bechtolf auch die Wiederaufnahme seiner drei Inszenierungen der großen Mozart/Da-Ponte-Opern («Così fan tutte», «Don Giovanni», «Le nozze di Figaro») - und er spielte in Thomas Bernhards «Der Ignorant und der Wahnsinnige» den Doktor und legte ein furioses zweistündiges Solo aufs Parkett.

So brillant Bechtolf als Schauspieler ist - an seinen Inszenierungen und seiner Programmgestaltung schieden sich auch dieses Jahr die Geister, wobei einmal mehr eine Kluft deutlich wurde - zwischen den professionellen Kritikern, die Bechtolf eher reserviert gegenüberstehen, und dem Publikum, das seine handwerklich ausgefeilten, freilich nicht gerade visionären Inszenierungen meist mit großem Applaus bedachte.

Für Samuel Becketts «Endspiel» und Bernhards «Ignorant» hatte Bechtolf mit Dieter Dorn und Gerd Heinz zwei Altmeister des Regiefachs engagiert, die sich streng an die Textvorgaben hielten und feinstes Schauspielertheater auf die Bühne brachten. Allerdings haftete den beiden Inszenierungen, wie auch Deborah Warners Deutung von William Shakespeares «Sturm» auf der Perner-Insel, etwas Museales an. Ein trotziges Sich-Aufbäumen gegen den Zeitgeist, der sich im Sinne der sogenannten Postdramatik vom Sprechtheater alter Prägung mehr und mehr zu verabschieden scheint.

Für einen Glanzpunkt im Opernprogramm sorgte wieder einmal die russische Sopran-Diva Anna Netrebko in einer konzertanten Aufführung von Giacomo Puccinis «Manon Lescaut». An der Seite ihres Ehemannes, des aserbaidschanischen Tenors Yusif Eyvazov, bot Netrebko als Edelkurtisane Stimmgenuss vom Feinsten. Der polnische Tenor Piotr Beczala begeisterte Kritiker und Publikum in der Neuinszenierung von Charles Gounods Oper «Faust». Reinhard von der Thannens Regie bot mit einem vom Bühnenhimmel herabschwebenden, überdimensionalen Knochenmann zumindest einiges fürs Auge.

Das galt auch für Alvis Hermanis' Neuinszenierung von Richard Strauss' selten gespielter Oper «Die Liebe der Danae». Dem feinsinnigen Dirigat von Franz Welser-Möst setzte der lettische Regisseur eine wahre Dekorationsorgie entgegen, mit klobigen Turbanen, vergoldeten Tänzern und einem riesigen weißen Elefanten als pompösem Gipfelpunkt.

Der Kritiker der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» verbuchte solchen Augenschmaus maliziös unter «Edelkitsch». In der Tat kann man vielen Neuinszenierungen der Ära Pereira/Bechtolf eine gewisse kulinarische Oberflächlichkeit im Sinne bloßer Ausstattungsästhetik attestieren. Alexander Pereira, heute Intendant der Mailänder Scala, war es, der Bechtolf als Schauspielchef an die Salzach holte. Nach Pereiras frühem Ausstieg übernahm Bechtolf die Leitung des Gesamtfestivals - ganz im Sinne seines Mentors.

Die zeitgenössische Musik war in diesem Jahr durchaus prominent vertreten, mit der umjubelten Uraufführung von Thomas Ades neuer Oper «The Exterminating Angel». Der Brite ist Vertreter einer eher sinnlich-verbindlichen Richtung des aktuellen Musiktheaters und war auch in einem Schwerpunkt des Konzertprogramms präsent, das ansonsten mit altbekannten Gästen aufwartete: dem fulminanten Bariton Christian Gerhaher, dem Pianisten Grigory Sokolov, dem West-Eastern-Divan-Orchestra unter Daniel Barenboim und dem italienischen Großdirigenten Riccardo Muti.

Nach Ende dieser Saison richten sich alle Blicke auf den neuen Festspielchef Markus Hinterhäuser. Offiziell soll das Programm für 2017 zwar erst im November präsentiert werden, doch es sickerte schon einiges durch - und das klingt viel versprechend. Muti soll Giuseppe Verdis «Aida» herausbringen, mit Netrebko in der Titelrolle, es gibt Wolfgang Amadeus Mozarts «La clemenza di Tito» und Dmitri Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» mit Stardirigent Mariss Jansons am Pult. Franz Welser-Möst übernimmt laut österreichischen Medienberichten Aribert Reimanns «Lear», Vladimir Jurowski wird sich mit Alban Bergs «Wozzeck» auseinandersetzen.

Eine neue Inszenierung des Festspiel-Dauerbrenners «Jedermann» soll es dem Vernehmen nach einstweilen nicht geben, jedoch eine fast völlig neue Besetzung. Als neuer Jedermann und Nachfolger von Cornelius Obonya wird Tobias Moretti gehandelt. Aber auch Jens Harzer habe sich, wie man lesen konnte, mit seinem furiosen Auftritt als Caliban in Shakespeares «Sturm» für die prestigeträchtige Rolle empfohlen.

 

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