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Schaltjahrkind: Goethe-Institutschef Lehmann wird 75

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Berlin (dpa) - «Erster globaler Kulturmanager Deutschlands» - so nannte ihn Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), als Klaus-Dieter Lehmann 2008 zum Präsidenten des Goethe-Instituts ernannt wurde. Seither ist der weltläufige Schlesier dafür verantwortlich, deutsche Sprache, Kunst und Kultur international bekannt zu machen. Charmant und offen, aber hartnäckig hat er das «Flaggschiff» der auswärtigen Kulturpolitik zu einem wendigen Hochseeboot umgebaut.

Jetzt wird Lehmann 75. Aber wann eigentlich? Als Schaltjahrkind hat er wieder mal keinen «richtigen» Geburtstag. «Ich fand das immer ein Privileg. Das gibt mir einen Grund, zwei Tage zu feiern», sagt der Wahl-Berliner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Diesmal wird es zusätzlich am 4. März einen großen Empfang im Berliner Gegenwartsmuseum Hamburger Bahnhof geben, mit einer Laudatio von Steinmeier.

«Ich bin in erster Linie ein Vermittler. Ich liebe es, Menschen zusammenzubringen und an Ideen teilhaben zu lassen», so fasst Lehmann sein Lebensmotto zusammen. Anliegen ist ihm besonders, das weltweit tätige «Goethe» mit seinen 160 Instituten in 94 Ländern zu einem international funktionierenden Netzwerk auszubauen. Grundprinzip seien Partnerschaft, Dialogbereitschaft und Freude am Diskurs. Nach Jahren von Umbruch und Sparkurs gibt es dieses Jahr mit einem Plus von 16,6 Millionen Euro erstmals wieder mehr Geld für die Programmarbeit.

Dass Lehmann auch mit 75 das Ehrenamt immer noch als aufreibenden Vollzeitjob betreibt, liegt an seinem Naturell. «Es ist ja kein Verdienst, aber ich habe einfach eine gute Kondition», sagt er. Gerade ist er von einer dreitägigen Afrikareise mit dem Außenminister zurückgekehrt - Gespräche rund um die Uhr, ein Nachtflug heim und gleich wieder eine große Konferenz in Berlin. Dennoch von Müdigkeit keine Spur.

Schon immer hat Lehmann sein Leben als ständigen Neuanfang verstanden. Obwohl von Kind an eine Leseratte, studiert der gebürtige Breslauer zunächst Physik und Mathematik. Am Max-Planck-Institut in Mainz gehört er 1969 zu den ersten deutschen Wissenschaftlern, die die Mondproben der Apollo-Mission untersuchen - er hatte ein Gerät gebaut, das kleinste Spurenelemente messen konnte.

Wenige Jahre später sattelt er auf Bibliothekswissenschaft um, führt als Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt erstmalig Online-Kataloge ein und zeichnet nach der Wiedervereinigung für den Aufbau der Deutschen Nationalbibliothek mit ihren fast 25 Millionen Titeln an den Standorten Frankfurt/Main, Leipzig und Berlin verantwortlich.

1998 folgt sein «Traumjob» als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der milliardenschwere Auf- und Ausbau der Berliner Museumsinsel wird in den kommenden zehn Jahren seine größte Herausforderung - und sein größter Erfolg: Das zum Unesco-Kulturerbe zählende Ensemble ist längst eine der größten Besucherattraktionen Berlins. Als er mit 68 schließlich in Pension gehen muss, bietet sich das Amt an der Spitze des Goethe-Instituts geradezu an - schon seit 2002 war er der Vize der damaligen Präsidentin Jutta Limbach.

Rückhalt für sein wechselvolles Leben haben ihm nach eigener Einschätzung auch die Beziehungen zu anderen Menschen gegeben. Mit seiner Frau Lisa feiert der zweifache Vater und dreifache Großvater dieses Jahr Goldene Hochzeit: «Wir kommen ohne uns nicht aus, wir brauchen einander. Das ist ein großes Glück, und da ziehe ich auch viel Kraft daraus.»

Mit dem Alter mag sich Lehmann noch gar nicht so recht auseinandersetzen. Er habe immer Ziele, auf die er zugehe, sagt er. Gehört dazu womöglich auch eine dritte Amtszeit nach 2016? «Ich werde sicher darüber nachdenken, ich bin aber noch nicht zu einem Schluss gekommen», so Lehmann. «Wenn's mir weiter so gut geht, ist es das Nachdenken wert.» 

 

Interview

Ukraine und Syrien, Islamismus und Gewalt - in einer Welt im Umbruch sind Ansprechpartner wie das Goethe-Institut besonders gefragt. Präsident Klaus-Dieter Lehmann gibt zu seinem 75. Geburtstag im dpa-Interview Antworten auf zentrale Fragen.

Frage: Was kann Kultur in Kriegs- und Krisengebieten überhaupt ausrichten?

Antwort: Manchmal stehen wir fassungslos vor Gewalt und Radikalisierung und denken: Nützt es eigentlich etwas? Das ist so unbegreiflich groß und grausam, dass die Kulturleute fast wie Zwerge wirken. Trotzdem glaube ich an die Kraft des Wortes. Wir können langfristig Menschen zusammenbringen, den Dialog fördern und Eigenverantwortung ermöglichen. In aktuellen Krisensituationen ist es allerdings auch wichtig, dass wir kurzfristig reagieren - so wie jetzt beispielsweise mit unseren Programmen für traumatisierte Flüchtlinge und Flüchtlingskinder aus Syrien.

Frage: Erleben Sie in Ihrer Arbeit Zensur?

Antwort: Wir werden bisher nicht in einer Weise attackiert wie die politischen Stiftungen - etwa, dass wir geschlossen würden oder mit Zensur belegt. Allerdings erleben wir in Ländern mit prekären Regimes wie beispielsweise Ägypten eine schärfere Beobachtung: Der Zensor sitzt immer mit dabei, das muss man wissen. Und auch Nordkorea hat bei unserem Lesesaal nicht wie versprochen den freien Zugang gewährt. Deshalb haben wir geschlossen. Goethe muss entweder offen sein oder es ist vorbei. Es gibt aber auch Situationen, bei denen wir aufgrund von Gefahr für Leib und Leben schließen müssen, zum Beispiel in Damaskus und im nigerianischen Kano. Wir arbeiten aber etwa noch immer in Erbil im Irak oder in Kabul.

Frage: Welchen Grund gibt es noch, Deutsch zu lernen?

Antwort: Eine Zeitlang gab es selbst in Deutschland den Eindruck, es würde sich nicht lohnen, die deutsche Sprache zu fördern, weil die Weltsprache ohnedies Englisch ist. Aber das hat sich grundlegend geändert. Wir haben in unseren Sprachkursen ständig wachsenden Zulauf. Grund ist zum einen die wirtschaftliche Stärke Deutschlands. Sowohl bei deutschen Firmen im Ausland wie auch bei ausländischen Firmen im Inland ist es gut, Deutsch zu sprechen. Hinzu kommt die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa, die gut ausgebildete junge Leute in deutschsprachige Länder gehen lässt. Ein weiterer Grund ist sicher das gute Deutschlandbild in der Welt - auch wenn die Deutschen daran immer nicht so richtig glauben wollen.

Frage: Wächst nicht wieder die Angst vor den deutschen Oberlehrern - Stichwort Griechenland?

Antwort: Sicher tut es gut, bei manchen Themen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen. Aber ich glaube, grundsätzlich nimmt man uns ab, offen und diskursfähig zu sein. Wie Deutschland mit seiner eigenen Vergangenheit umgegangen ist, und wie wir uns dann auch diese neue Demokratie selbst erarbeitet haben, das hat das Bild Deutschlands in der Welt doch nachhaltig geprägt. 

ZUR PERSON: Klaus-Dieter Lehmann, am 29. Februar 1940 im schlesischen Breslau geboren, steht seit 2008 an der Spitze des Goethe-Instituts. Zuvor setzte sich der diplomierte Physiker und Mathematiker in seiner zehnjährigen Amtszeit als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter anderem für den Wiederaufbau der weltberühmten Museumsinsel ein. Begonnen hatte er seine Karriere zunächst als Wissenschaftler, dann als Bibliothekar. Zehn Jahre lang leitete er als Generaldirektor die heutige Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig. 

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