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Song Contest in Kiew - Buntes Event in Krisenzeiten
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Song Contest in Kiew - Buntes Event in Krisenzeiten

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Kiew - Krieg und Wirtschaftskrise: Dramatische Schlagzeilen dominieren seit einiger Zeit das Bild über die Ukraine. Nun will Kiews Bürgermeister Klitschko die Stadt für den Eurovision Song Contest aufpolieren - und das Land mit Glanz und Glamour präsentieren.

Symbolträchtig soll die Bühne der Welt zeigen: Die Ukraine ist das Zentrum Europas - das sagen zumindest die Organisatoren. Noch stehen im Kiewer Ausstellungszentrum am Stadtrand lediglich ein paar Plastikstühle und Baumaterialien unter einer gelben Stahlkonstruktion. Für Kiews Bürgermeister Witali Klitschko läuft drei Monate vor dem Eurovision Song Contest (ESC) alles nach Plan: «Wir schaffen alles. Wir arbeiten rund um die Uhr», versichert er. Die Stadt werde bereit sein für eines der größten TV-Ereignisse der Welt, bei dem 43 Länder gegeneinander antreten. Für Deutschland geht die 25-jährige Isabella Levina Lueen an den Start.

Damit die mehr als 200 Millionen Zuschauer weltweit die Bilder von Krieg und Kämpfen in der Ostukraine ausblenden, greifen die Organisatoren tief in die Tasche. Für die Infrastruktur stellt die Stadtverwaltung etwa sieben Millionen Euro bereit. Knapp 15,5 Millionen - rund 40 Prozent des Jahresbudgets - muss das Staatsfernsehen per Regierungserlass für das Mega-Ereignis im Mai reservieren. Dadurch bleibe der TV-Anstalt jedoch zu wenig Geld für andere Projekte, erklärte der Ex-Chef des ukrainischen Staatsfernsehens, Surab Alassanija. Die Finanzierung sei «katastrophal», warf er den Organisatoren vor, bevor er seinen Posten räumte.

Verwirrung herrschte auch um den Verkauf der begehrten Tickets, die bis zu 500 Euro kosten sollen. Ein Mitbewerber der beauftragten Ticketagentur hatte die Ausschreibung angefochten, und das Kartellamt schritt ein. Doch nun soll es die Karten ab Dienstag geben. Es rumpelt bei den Vorbereitungen, nicht alles läuft glatt. Am Montag warfen 21 Mitarbeiter des Organisationsteams hin: Ihr neuer Chef, eingesetzt vor zwei Monaten, bremse die Arbeit. Die European Broadcasting Union (EBU) als internationaler Veranstalter rief die Ukrainer auf, mit neuem Personal rasch weiterzumachen.

Dabei hat Kiew bereits Erfahrungen mit Großveranstaltungen dieser Art. 2005 war die Drei-Millionen-Stadt nach dem Sieg von Sängerin Ruslana mit «Wild Dances» bereits schon einmal Gastgeber. Damals schaffte das Land nach der Orangenen Revolution sogar extra die Visapflicht für Westeuropäer ab. Und 2012 gab die Europameisterschaft im Fußball dem Land einen riesigen Imageschub.

Kiew versucht auch über diese Ereignisse, sich dem Westen anzunähern. Die ukrainische Führung hat sich zum Ziel gesetzt, das Land möglichst zügig in die Europäische Union zu führen. Der Kampf um die Westbindung hatte die Ukraine Ende 2013 jedoch in eine tiefe politische Krise gestürzt. Seit drei Jahren kämpfen im Osten des Landes Regierungstruppen gegen prorussische Separatisten. Wie kann das vom Krieg traumatisierte und von einer schweren Wirtschaftskrise geschwächte Land die Mega-Show stemmen?

Bürgermeister Klitschko will die Stadt dafür auf Vordermann bringen: Straßen sollen repariert werden, Grünanlagen neugestaltet und zusätzliche Busse und ein Flusstaxi eingesetzt werden. Selbst Fahrkartenkontrolleure werden zu einem Basiskurs Englisch verdonnert. Der angepeilte Glanz reicht jedoch nur einige Hundert Meter weit. «Weit muss man nicht gehen. Unweit der geplanten Blumenbeete ist das Elend der ukrainischen Hauptstadt in seiner ganzen Pracht zu sehen», schreibt die Kolumnistin Natalja Mitschkowskaja. Unbeleuchtete Durchgänge und kaputte Rolltreppen machten den Weg zum Hauptbahnhof zu einem Hindernislauf. «Vielleicht sollten der Bürgermeister und seine Stellvertreter wenigstens ein Mal aus ihrem Auto aussteigen und ein paar Dutzend Meter laufen?», fragt sie.

Dass die Ukraine überhaupt in diesem Jahr das Event austrägt, wird von Kritik vom Nachbarn Russland begleitet. Die Krimtatarin Jamala stach 2016 mit ihrer umstrittenen Ballade «1944» ihren russischen Konkurrenten in letzter Sekunde aus. Russland grämt sich nicht nur wegen der Niederlage. Viele sind auch der Meinung, dass der russische Sänger wegen politischer Unstimmigkeiten in der Ukraine-Krise unfair bewertet wurde.

Was rund 700 Kilometer östlich der Hauptstadt im Kriegsgebiet Donbass seit 2014 mit Waffengewalt ausgetragen wird, erreicht nun mit dem ESC eine weitere Dimension. Russische Medien befürchten, dass Männern im wehrfähigen Alter der Ticketkauf und die Einreise für das Event erschwert würden.

Der Geheimdienst in Kiew setzte zudem rund 140 russische Künstler wegen «antiukrainischer Handlungen» auf eine schwarze Liste. Vizeregierungschef und ESC-Organisator Wjatscheslaw Kirilenko gilt als einer der härtesten Verfechter, auch bei diesem Musikevent keine Ausnahmen bei den Einreiseverboten zu machen. Nun befürchten die Veranstalter, dass Moskau einen Befürworter der russischen Annexion der Halbinsel Krim auswählen und so einen Skandal provozieren könnte.

 

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