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Sven Severins Händel-Collage "Die Plagen" uraufgeführt

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Sven Severins Händel-Collage "Die Plagen", die am Freitag im Badischen Staatstheater Karlsruhe die 25. Händel-Festspiele eröffnete, wollten nicht recht begeistern.

Karlsruhe (ddp). Um 13.08 Uhr ist der König tot. Die Zuschauer wissen das so genau, weil eine große Uhr von der Bühne herab darüber informiert, ob sich die Handlung gerade in der Vergangenheit oder in der Zukunft abspielt. Der Verdacht, dass ein so überdeutliches Hilfsmittel auf die Schwäche des aufgeführten Stücks deutet, liegt nahe: Sven Severins Händel-Collage "Die Plagen", die am Freitag im Badischen Staatstheater Karlsruhe die 25. Händel-Festspiele eröffnete, will nicht recht begeistern.

Ein Sammelsurium von Versatzstücken - diesen Eindruck hinterlässt die vom Publikum nicht übermäßig begeistert aufgenommene Premiere. Severin orientiert sich am barocken Prinzip des "Pasticcio", pflückt aus dem bunten Händel-Bouquet eine Arie hier und eine Chornummer dort, streut einige Instrumentalstücke dazwischen und erfindet eine neue Handlung - unter Beibehaltung und dramaturgischer Verklärung des Sprachengewirrs von Deutsch, Italienisch, Englisch und Latein.

Aber die Geschehnisse auf der Bühne erweisen sich als Kopfgeburt. Allzu gekünstelt ist die aus einigen Mythen und einem kräftigen Schuss Sozialkritik zusammengebastelte Idee, allzu klischeehaft deren szenische Umsetzung. Dabei erweist sich der erfahrene Fernsehregisseur Severin zwar als professioneller Arrangeur und Könner im Detail. Im Verein mit der Resteverwertung, als die sich das wild zusammengewürfelte Bühnenbild von Helmut Stürmer und die plakativen Kostüme von Götz Lanzelot erweisen, wirkt die aufwändige Produktion insgesamt eher abgestanden.

Dafür kann sich der Zuschauer an drei fabelhaften Sängerinnen schadlos halten. Ewa Wolak als selbstmitleidiger König Erode hat die historische Aufführungspraxis so verinnerlicht, dass sie so samtig klingt wie die besten Countertenöre. Netta Or gestaltet die tragisch verstorbene Königin Alceste, die die beklagenswerte Zukunft ihres Gatten aus der Unterwelt heraus verfolgen darf, ganz aus ruhiger Innerlichkeit heraus. Romelia Lichtenstein schließlich - als Alcestes Rivalin Miriam eine Hexe ganz à la mode in schulterfreiem Rot und Lackstiefeln - ist eine famose Interpretin, die problemlos auch schärfste stimmliche Attacken reiten kann und sich weder vom wackligen Bühnenbild noch von den peinigend falschen Tönen der begleitenden Solo-Geige irritieren lässt.

Auch Andreas Sperings musikalische Leitung kann diesmal aber nur eingeschränkt beglücken. Zwar zeigt die Badische Staatskapelle ihre Qualitäten im angenehm fülligen Gesamtklang, vor allem die Streicher aber entwickeln kein übermäßiges Interesse für den barocken Stil. Die Stadt Karlsruhe hatte zum Auftakt der Händel-Festspiele die Stellung der badischen Veranstaltung gegenüber der international stärker beachteten Konkurrenz in Göttingen und Halle herausstreichen wollen und damit offenbar unfreiwillig einen Minderwertigkeitskomplex eingestanden. Mit diesen "Plagen" ist der nicht zu kompensieren.

Jürgen Hartmann

(Weitere Vorstellungen: 24., 26., 28. Februar und 2. März: Kartenreservierung unter 0721/93 33 33; www.staatstheater.karlsruhe.de)
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