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Zwei Fischer und eine Frau - Wim Wenders wird Opernregisseur

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Berlin - Er hat mehr als 30 Filme gedreht und ist einer der bedeutendsten Regisseure der Gegenwart: Wim Wenders hat mit Kino-Balladen wie «Paris, Texas» und «Der Himmel über Berlin» oder mit der Musikdokumentation «Buena Vista Social Club» Welterfolge gedreht. Mit 71 Jahren versucht sich Wenders jetzt in einem neuen Genre: An diesem Samstag (24. Juni) präsentiert sich der Filmemacher als Opernregisseur.

An der Berliner Staatsoper inszeniert Wenders Georges Bizets «Die Perlenfischer», der Dirigent ist Daniel Barenboim.

Es war wohl eine Liebe auf das erste Hören, die Wenders zu «Les pêcheurs de perles» verführte. In den siebziger Jahren habe er von dieser Dreiecksgeschichte gehört, die auf einer Südseeinsel spielt - eine Arie aus einer Jukebox im Café «Tosca» in San Francisco. Die Melodie setzte sich als Ohrwurm fest, «wochenlang». Später kauft er sich die Oper auf Langspielplatte.

«Ich finde es sensationell, dass Georges Bizet sie mit 25 Jahren geschrieben hat. Unvorstellbar. Wie viele Ideen er mit sehr jugendlichem Elan da hineingebuttert hat!», sagt Wenders im Gespräch. 1863, zwölf Jahre vor seinem späteren Welterfolg «Carmen», gelang Bizet (1838-1875) mit den «Perlenfischern» der Durchbruch als Opernkomponist.

Das Werk hat alle Zutaten, die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Spektakel gehörten: Eine vertrackte Liebesgeschichte in einem fernen Land, große Chornummern und Arien als Schmachtfetzen. «Damals hatte man ein großes Vergnügen an exotischen Plätzen, ohne viel davon zu wissen.»

Die Geschichte habe aber einen universellen Kern: Zwei Männer und eine Frau, das könne man auch immer wieder im Kino sehen. Er wolle die Geschichte von Ballast befreien, die Musik stehe im Mittelpunkt. Die Russin Olga Peretyatko singt die Partie der männerbetörenden Leila, um die die Freunde Nazir (Francesco Demuro) und Zurga (Gyula Orendt) auf der Insel Ceylon konkurrieren. Alle Aufführungen in dieser Spielzeit sind bereits ausverkauft.

Wenders stand schon einmal kurz vor einem Operndebüt. Zum Wagner-Jubiläum 2013 sollte er in Bayreuth Wagners «Ring des Nibelungen» übernehmen. Die Gespräche scheiterten an künstlerischen Differenzen. Dann rief Daniel Barenboim an.

Der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper fragte bei Wenders an, ob er sich eine Opernregie vorstellen könne. Ja, Wenders konnte sich das vorstellen und wünschte sich «Die Perlenfischer», die auch Barenboim noch nie dirigiert hatte. «Wenn ich etwas zum ersten Mal mache, dann soll es etwas sein, was man nicht dauernd im Repertoire sieht.» Barenboim habe sich die Partitur angesehen. «Ja, das ist schön, das habe ich noch nie gemacht», habe der Maestro gesagt - und zugestimmt.

Respekt habe er schon, sagt Wenders. «Im Film habe ich das Gefühl, alles mehr unter Kontrolle zu haben. In der Oper ist der Dirigent ausschlaggebend. Wir machen gerade die Orchesterproben, und da stelle ich fest, dass die Regie eher der Musik zuarbeiten soll.»

Was kann aber der Opernregisseur Wenders vom Filmregisseur Wenders lernen? «Das Licht. Für mich ist das Licht das Wichtigste nach der Musik. Das Licht erzählt auf der Bühne richtig viel. Man hat ja nur diesen einen Raum, und mit dem Licht kann man neue Räume und Stimmungen schaffen. Unsere Oper spielt an einem Ort, der von jedermanns Phantasie ja sehr vereinnahmt ist: auf einer Insel.»

Immer wieder haben sich Filmemacher an der Oper versucht. Ob Werner Herzog, Franco Zeffirelli, Robert Altman oder Woody Allen - die Opernhäuser versprechen sich von den Filmemachern eine neue Sicht auf die immer wiederkehrenden Stücke im Repertoire. Schon 1940 inszenierte Sergej Eisenstein Wagners «Walküre» am Bolshoi Theater. Auch Luchino Visconti, Andrei Tarkowsky und Roman Polanski unternahmen Ausflüge ins Musiktheater.

Wenders' Lebenswerk ist eng mit Musik verbunden. Die Soundtracks etwa zu «Paris, Texas» mit Ray Cooders Gitarre oder die kubanische Musik von «Buena Vista Social Club» wurden Hits. Wenders arbeitete mit Musikern wie Lou Reed oder U2 zusammen. In seinem Film «3 American LPs», den er 1969 mit dem Schriftsteller Peter Handke drehte, spielt Musik eine zentrale Rolle. Van Morrison, Harvey Mandel und Creedence Clearwater Revival steuerten die Musik bei.

Als junger Mann habe er Saxofonist werden wollen. Mit 22 Jahren verkaufte er das Instrument und kaufte sich dafür eine 16mm-Kamera. «Das war ein Scheideweg in meinem Leben, den ich aber nicht bereut habe.» Dabei waren Wenders' erste Filme stumm, «nach und nach ist dann Ton dazugekommen». Dass Film auch mit Musik Architektur und Literatur zu tun hat, habe er erst später gelernt. Aber Opern zu machen, sagt Wenders, sei ein anderes Metier. Er habe am Anfang schon «Bammel» bekommen bei der Vorstellung, nun in einer eine Oper Regie zu führen. «Aber kaum standen die Sänger vor mir, hat sich das gegeben.»

 

In einem dpa-Interview berichtet Wenders über seine Erfahrungen mit der Oper und seine Liebe zur Musik:

Frage: Sie führen zum ersten Mal Regie in der Oper. Wie fühlen Sie sich als Neuling in dem Fach?

Antwort: «Uffjerecht», wo das ja nun mal in Berlin stattfindet. Ist ja aufregend, etwas zum ersten Mal zu tun. So viel auf einmal gibt es ja selten zu lernen. Im Film habe ich alles mehr unter Kontrolle. In der Oper ist der Dirigent die ausschlaggebende Person, der Regisseur die zweite Geige. Wir machen gerade die Orchesterproben, und da stelle ich mit Freude fest, wie sehr die Regie der Musik zuarbeitet.

Frage: «Die Perlenfischer» war die erste Oper, die Sie gehört haben.

Antwort: Lange Zeit kannte ich sie in der Tat nur vom Hören. Gespielt wird sie ja nicht oft, zu unrecht. Dann habe ich sie erst neulich zum ersten Mal gesehen, in einer Live-Übertragung aus der Met in New York, in einem Multiplex am Alexanderplatz. Da kamen die Leute sogar im schwarzen Anzug ins Kino. Danach wusste ich, wie ich die Oper bestimmt nicht machen will.

Frage: Was reizt Sie an den «Perlenfischern»?

Antwort: Die Musik ist richtig toll. Ich finde es sensationell, dass Georges Bizet sie mit 24 Jahren geschrieben hat. Unvorstellbar! Wie viele Ideen der mit jugendlichem Elan da reingebuttert hat! Nur von seinen Librettisten wurde er leider nicht so gut bedient. Als sie das fertige Werk sahen, waren sie etwas geknickt. Wenn sie gewusst hätten, dass dieser junge Mann so viel Talent hatte, sagten sie kleinlaut, hätten sie Bizet nicht einen solchen Bären aufgebunden. So wörtlich ihr französischer Ausdruck. Aber man kann die Geschichte durchaus freilegen. Und dann ist sie interessant. Eine klassische Dreiecksbeziehung.

Frage: Was kann der Opernregisseur Wenders vom Filmregisseur Wenders lernen?

Antwort: Raumaufteilung. Das Licht. Für mich ist das Licht das Wichtigste nach der Musik. Das Licht erzählt auf der Bühne richtig viel. Man hat ja nur diesen einen Raum, und in dem kann nur das Licht neue Räume und Stimmungen schaffen. Unsere Oper spielt ja an einem Ort, der von jedermanns Phantasie schon sehr vereinnahmt ist: auf einer Insel.

Frage: Hatten Sie eine Bilderidee, als Sie die Oper zum ersten Mal hörten?

Antwort: Ich habe die Musik der «Perlenfischer» vor allem über die Arie des Nadir kennengelernt. Die setzte sich in meinem Kopf fest. Monatelang. Schließlich hatte ich auch die ganze Oper als Langspielplatte. Bilder hatte ich dazu nicht, zumindest keine konkreten. Das ist ja reine Sehnsuchtsmusik. Die Oper hatte ich nie gesehen, die lief einfach nirgendwo, wo ich war. Sie wird eben selten gespielt. Damals konnte man auch nicht einfach auf YouTube gehen wie heute, wo wir alles immer zur Verfügung haben. Als dann von Daniel Barenboim die Einladung kam, etwas zusammen zu machen, und das großzügige Angebot, dass ich dafür auch selbst einen Vorschlag machen könnte. Da dachte ich: Wenn ich schon etwas zum ersten Mal machen darf, dann soll es auch etwas sein, was man nicht dauernd im Repertoire sieht, und habe eben die «Perlenfischer» vorgeschlagen. Barenboim hat sich die Partitur durchgesehen. Er sagte: «Ja, das ist schön, das habe ich auch noch nie gemacht» und hat zugestimmt.

Frage: In Ihren Filmen spielt Musik eine zentrale Rolle.

Antwort: Ja. Von lateinamerikanischer Musik bis zu Rock'n'Roll, Blues und Fado. Klassik war nicht so oft dabei, auch wenn ich immer wieder mit orchestraler Musik gearbeitet habe, gerade beim «Himmel über Berlin».

Frage: Haben Sie einen Bogen um die klassische Musik gemacht?

Antwort: Ich höre viel klassische Musik. Aber Opern zu machen, das ist ein anderes Metier. Erstmals habe ich daran gedacht, als ich 2013 ein Angebot für den «Ring» in Bayreuth bekam. Aber daraus wurde dann nichts. Und dann rief Daniel Barenboim an.

Frage: Oper ist bei Nicht-Operngängern als künstlich verschrien. Empfinden Sie das auch so?

Antwort: Ja, mitunter. Bei manchen Opern geht mir das so, dass ich da nicht viel mit anfangen kann, weil ich in die Welt nicht reinkomme, oder sie eben zu künstlich ist. Bei unseren «Perlenfischern» habe ich gerade davor den größten Bammel gehabt. Aber kaum standen die Sänger vor mir, hat sich das gegeben. Da wurde alles recht «wirklich».

Frage: Diese Oper steht ja fest im Zeitgeist des 19. Jahrhunderts.

Antwort: Damals hatte man ein großes Vergnügen an exotischen Orten, ohne viel von denen zu wissen. Bizet dachte daran, seine Oper in Mexiko spielen zu lassen, dann haben ihn die Librettisten in den Indischen Ozean nach Ceylon geschickt. Zum Glück hat die Geschichte einen universellen Kern: Zwei Männer und eine Frau, das gibt's auch im Kino oft. Hier gibt es auf der einen Seite das Liebespaar mit seiner verbotenen Liebe, auf der anderen den Freund, der nach einem Anfall von rasender Eifersucht doch über seinen Schatten springen kann und mit einer Geste der Großzügigkeit die Liebe der beiden freisetzt.

Frage: Sie wollten ja mal Saxofonist werden?

Antwort: Ja, das Instrument kommt leider wenig vor im Orchester. Aber mit 21, 22 Jahren habe ich mein Tenorsaxophon verkauft und mir dafür eine 16mm-Kamera gekauft. Das war ein Scheideweg in meinem Leben, den ich aber nicht bereut habe. Um richtig gut zu sein, hätte ich nichts anderes machen können, als Saxofon zu spielen. Und ich habe gemerkt, dass das nicht meine Begabung war.

Frage: Und Sie haben sich einer Kunstform zugewandt, in der alle Künste zusammenfließen - dem Kino.

Antwort: Ja, aber das habe ich erst allmählich herausgefunden. Meine ersten Filme waren Stummfilme, praktisch nur lebende Gemälde, nach und nach ist dann Ton dazugekommen. Dass Film auch mit Musik und Architektur und Literatur und Geschichtenerzählen zu tun hat, habe ich erst später gelernt.

Frage: Sie haben in sich selber die Geschichte des Kinos nachvollzogen - vom Stummfilm zum Musikfilm.

Antwort: Ich habe neulich überlegt, dass ich mit Menschen gearbeitet habe, die in der Stummfilmzeit ihr Metier gelernt haben. Dazu gehörte zum Beispiel ein Kameramann, Henri Alekan, der in den 20er Jahren bei «Menschen am Sonntag» in Berlin Kameraassistent war! Ich habe mit Schauspielern gearbeitet, die noch mit Fritz Lang gearbeitet haben. So habe ich noch einen Zipfel der Anfangszeit des Kinos mitgekriegt und einen Blick auf die Zukunft bekommen. Lang hätte «Metropolis» sicher gerne in 3D gemacht.

ZUR PERSON: Wim Wenders (71) gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Filmregisseure. Zu seinem Werk zählen Welterfolge wie «Paris, Texas» und «Der Himmel über Berlin». Zwar hat Wenders mehrere Musikfilme gedreht, als Opernregisseur tritt er jetzt in Berlin aber zum ersten Mal auf.

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