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Tausendstimmiger „Elias“ in der Berliner Philharmonie. Foto: Rundfunkchor Berlin/Matthias Heyde
Tausendstimmiger „Elias“ in der Berliner Philharmonie. Foto: Rundfunkchor Berlin/Matthias Heyde
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1.500 Stimmen für den „Elias“ – der Rundfunkchor Berlin lud zum Mitsingkonzert

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„Dieses Konzert ist wirklich ein Wunder.“ Simon Halsey, Leiter des Rundfunkchors Berlin, kann es selbst kaum begreifen, wie er es jedes Jahr aufs Neue schafft, weit mehr als tausend Chorsänger und Orchestermusiker zu koordinieren – bei gerade mal einer Gesamtprobe. Der Titel dieses Mammutprojekts in der Berliner Philharmonie ist bereits über die Grenzen Deutschlands hinaus ein feststehender Begriff: „Mitsingkonzert“.

Mitsingen darf dabei jeder. Laienchöre aus ganz Europa bewerben sich darum, einmal gemeinsam mit dem Rundfunkchor Berlin, Musikern des Rundfunksinfonieorchesters Berlin und der Deutschen Streicherphilharmonie ein Werk aufzuführen. Am 22. Februar 2009 stand, wie konnte es im Mendelssohnjahr auch anders sein, das Elias-Oratorium auf dem Programm.

Für Simon Halsey ein Wagnis: „Normalerweise machen wir ein Stück, das etwa eine Stunde oder siebzig Minuten dauert, zum Beispiel das Brahms-Requiem oder das Verdi-Requiem. Mendelssohns ,Elias’ ist 130 Minuten lang und hat viele problematische Stellen. Ich habe in der Gesamtprobe gerade mal 150 Minuten Zeit!“ Doch nicht nur die Länge des Konzerts ist ein Rekord in der Geschichte des Mitsingkonzerts. Zum ersten Mal waren mehr als 1.500 Gastsänger angereist, selbst aus Italien und Skandinavien. Dazu kamen mehrere Berliner Schulchöre. Sänger des Rundfunkchors gingen bereits im Vorfeld in die Schulen, um mit den Jugendlichen das anspruchsvolle Werk zu proben. „Es ist wichtig, Schüler auch in solche großen Projekte einzubeziehen“, betont Halsey kurz vor der Schulchorprobe. „In der Vergangenheit war es für junge Leute selbstverständlicher, in Oratorien und bei Bach-Kantaten in der Kirche mitzusingen. Heute sehe ich es als eine Aufgabe der Profichöre und -orchester, mit Schulen zusammenarbeiten. Musik ist wunderbar, aber wie versteht man, wie die Musik ist, wenn man keine Chance hat, sie zu singen?“

Das Mitsingkonzert bietet diese einmalige Chance seit 2003. Anfangs noch im Haus des Rundfunks, musste das Konzert bald in die Philharmonie verlegt werden, so enorm war der Andrang. Simon Halsey, der mit der englischen Chortradition groß geworden ist und im Knabenchor die Liebe zur Musik entdeckt hat, stürzt sich mit viel Enthusiasmus in das stressigste Probenwochenende des Jahres. „Vorher denke ich jedes Mal: Wie soll es gehen? Ich kann es in diesem Jahr nicht machen, es wird mir zuviel. Aber dann funktioniert es problemlos, weil sich alle Chorsänger, Solisten und Orchestermusiker schon vorher so intensiv vorbereiten.“

Für Feinschliff bleibt wenig Zeit. Halsey, zwischen all den Musikern nicht zu übersehen im magentaroten Pullover, konzentriert sich ganz auf das Zusammenspiel. In die Partitur kann er dabei kaum schauen, denn mehrere hundert Sänger stehen hinter seinem Rücken und warten auf ihre Einsätze. Halsey gelingt das Kunststück, mit Lebendigkeit und viel Humor die Amateursänger innerhalb weniger Stunden auf ein unglaublich hohes musikalisches Niveau zu bringen. Und wenn sich nach der Orchestereinleitung gleichzeitig über 1.500 Menschen erheben und im unisono das „Hilf, Herr!“ singen, raubt die Klanggewalt den Zuhörern den Atem. Spätestens jetzt wird klar, weshalb die Warteliste der Gastsänger für 2010 bereits voll ist und die Konzertkarten ein halbes Jahr vorher ausverkauft sind.

„Es ist ein neuer Enthusiasmus, eine neue Chorwelle. Projekte, bei denen viele Leute zusammenkommen, sind heute sehr wichtig. Wir müssen zusammenarbeiten, nicht nur fernsehen oder Computer spielen. Es ist zwar sehr einfach, nur für sich allein zu sein, aber wir müssen zusammenkommen. Sport und Musik sind perfekt!“ Wer einmal das Glück hatte, beim Mitsingkonzert dabei zu sein, ist noch lange tief beeindruckt von der Atmosphäre und der lockeren, sympathischen Art Simon Halseys, der genau das ausstrahlt, was er sagt: „Wir müssen Musik mit Freude machen. Es geht dabei nicht um die Frage, ob man Profi ist oder nicht. Es geht darum, Musik zu machen. Wir, die Profis, müssen verstehen, dass wir in einer weltweiten Familie sind, mit einer Million, zwei Millionen, drei Millionen, die Musik lieben. Darüber können wir sehr glücklich sein!“ Dieses Glück gemeinsam zu spüren ist das große Wunder des Mitsingkonzerts.

Das nächste Mitsingkonzert findet am 7. Februar 2010 um 16 Uhr in der Philharmonie Berlin statt. Anmeldeschluss ist am Dienstag, den 31. März 2009. Aufgeführt wird die Messe Nr. 5 As-Dur von Franz Schubert. Das Anmeldeformular steht zum Download bereit auf der Homepage des Rundfunkchors Berlin: http://www.rundfunkchor-berlin.de

 

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