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„Konzertinstallation mit einem alten Flügel und 5 Klaviertorsi“: Stefan Froleyks „Klavierlandschaft“ im Parkareal Hohenstein. Foto: Stefan Pieper
„Konzertinstallation mit einem alten Flügel und 5 Klaviertorsi“: Stefan Froleyks „Klavierlandschaft“ im Parkareal Hohenstein. Foto: Stefan Pieper
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Bewährte Ansätze und neue Ideen: Die Wittener Tage für neue Kammermusik

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Mit einer wohl überlegten Mischung aus schon bewährten Ansätzen und neuen Ideen haben die Initiatoren der 41. Wittener Tage für neue Kammermusik die Tendenzen aus der jüngsten Vergangenheit des Festivals fortgeführt. Bewährt hat sich vor allem die thematische Schwerpunktbildung durch Fokussierung auf eine Komponistenpersönlichkeit.

Sie galt, insgesamt sechs unterschiedlich besetzte Werke und ein Podiumsgespräch einbeziehend, dem Schaffen des Franzosen Hugues Dufourt – eine treffliche Wahl, die deutlich machte, dass das hierzulande gern benutzte Etikett des „Spektralisten“ die vielfältige Arbeit des 1943 geborenen Komponisten nur höchst unzureichend zu charakterisieren vermag.

Die positiven Erfahrungen, die man im vergangenen Jahr hinsichtlich einer stärkeren Verankerung des Festivals im urbanen und renaturierten Raum durch Nutzung der Zeche Nachtigall als Terrain für Installationen und Performances gemacht hat, griff man auch im aktuellen Veranstaltungsreigen auf.

Neu war indes die Wahl des ausgedehnten Parkareals Hohenstein, das Daniel Ott, Stefan Froleyks, Christina Kubisch, Matthias Kaul, Stephan Meier und Oliver Schneller zur Präsentation ihrer Arbeiten nutzen konnten, um auf manchmal höchst originelle Weise klangliche Beziehungen zur Umgebung herzustellen. Die Festivalbesucher hatten die einzelnen Stationen der so entstehenden Klanglandschaft zu erwandern; dass darüber hinaus auch so mancher Wochenend-Ausflügler die Gelegenheit nutzte, um das solchermaßen gestaltete Gelände zu erkunden, dürfte zu den positiven Entwicklungen zählen und auf längere Sicht einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben, das Festivalgeschehen gegenüber der Öffentlichkeit transparenter zu machen.

Die sechs über drei Tage verteilten Konzerte brachten qualitativ unterschiedliche Arbeiten zu Gehör, unter denen neben den Kompositionen von Dufourt vor allem jene Werke überzeugten, die sich auf unorthodoxe Weise den Erwartungen des Publikums entzogen: etwa dadurch, dass sie den Zuschauer in ungewohnte Positionen versetzten, wie dies François Sarhan in „Home Work“ mit einer Mischung aus Theater, Installation und Performance gelang; oder indem sie ihn mit unerwarteten Hörerfahrungen konfrontierten, wie dies Bernhard Gander in dem Klaviertrio „schlechtecharakterstücke“, Elliott Sharp in seinem Streichquartett „The Boreal“ oder George Aperghis in „Dans le mur“ für Klavier und Zuspielung taten.

Die eigentliche Sensation des Festivals spielte sich allerdings auf personeller Ebene ab, trat doch mit dem JACK Quartet zum ersten Mal ein junges Streicherensemble dem arrivierten Arditti String Quartet gegenüber. Der Vergleich zwischen dem unverbrauchten, dynamischen Vortrag der Amerikaner und dem Abschlusskonzert der Alteingesessenen ließ stärker als jemals zuvor erkennen, wie sehr bei den Ardittis die Ensemblestilistik als klanglicher Manierismus über die farbliche Individualität der Einzelwerke dominiert. Irgendwie, so scheint es, neigt sich die Zeit dieser zweifelsohne einflussreichen Formation allmählich dem Ende zu. Daher mutet der ursprünglich im Flyer ausgedruckte (und nicht ins Programmbuch übernommene) Titel des sechsten Konzerts – „Quartett-Dämmerung“ – schon fast wie eine Prophezeiung an.

[Ein ausführlicher Bericht zu den Wittener Tagen für neue Kammermusik wird in der Juni-Ausgabe der nmz erscheinen]

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