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KIFFERWAHN. Ensemble. Foto: © Christian Zach
KIFFERWAHN. Ensemble. Foto: © Christian Zach
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Herrlich grotesker Wahn – Münchner Erstaufführung des Hasch-Musicals „Kifferwahn“ im Akademietheater

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Das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hat auch seine aberwitzigen Grenzen: „Wenn weiße Frauen Marihuana rauchen, dann suchen sie sexuelle Beziehungen zu Negern, Entertainern und anderen. Es handelt sich bei Marihuana um eine Droge, die Wahnsinn, Kriminalität und Tod verursacht – die gewaltverur-sachendste Droge in der Geschichte der Menschheit“ verkündete.

1937 der Leiter des amerikanischen “Federal Bureau of Narcotics“. Gleichzeitig erschien der Anti-Cannabis-Film „Kifferwahn“, zunächst finanziert von einer religiösen Gruppierung, wegen der Konkurrenz zu zwei anderen Anti- Drogen-Filmen aber von einem Produzenten mit Skandal-Szenen verschärft – dennoch ohne rechten Erfolg. Erst in den 1960er Jahren wurde der Film aufgrund seiner aberwitzigen Überzeichnung und unfreiwilligen Komik in der Hippie- und Flower-Power-Bewegung „Kult“: Brave High-School-Schüler werden durch Cannabis zu wüsten Vergewaltigern und irren Killern, trotz des Eingreifens von Jesus selbst - ganz „tragisch“ – doch am Ende: Sieg von Glaube und Liebe! Die Entertainment-Könner Dan Studney (Buch und Musik) und Kevin Murphy (Buch und Songtexte) machten daraus ein erfolgreiches Musical, das 2005 verfilmt wurde.

Gelächter, Szenenbeifall und langer Schlussjubel signalisierten nun den 15 Studenten der Musical-Klasse von Marianne Larsen an der Bayerischen Theaterakademie, dass ihnen ein höchst amüsanter, enorm temporeicher und herrlich grotesker Theaterabend gelungen war. Großen Anteil daran hat Ausstatter Rainer Sinell vom koproduzierenden Staatstheater am Gärtnerplatz. Mit mal durchscheinenden, mal „festen“ Wänden aus Zeitungsseiten der 1937er Jahre, einer Klapptür und drei Gassen ließ Sinell die begrenzte Spielfläche des Akademietheaters geräumig wirken. Seine beweglichen Dekorationsteile waren vielfältig einsetzbar und wurden in rasanten Wechseln von allen Mitspielern jeweils rein-raus-und umgestellt – Szenenbeifall für die zunächst Middle-class-brave Mary von Antonia Welke, als sie auf der Suche nach ihrer längst süchtigen und straffällig gewordenen High-School-Liebe Jimmy (herrlich unbedarft Benjamin Merkl) mal mit einer Auto-, dann einer Flugzeug-, schließlich einer Rikscha-Silhouette die Bühne überquerte. Auf einer Empore saßen die vier Band-Musiker mit “Leader“ Andreas Kowalewitz am Keyboard und swingten. Dort „oben“ trat durch eine Tür dann auch ein „Jesus Christ Superstar“ im weißen Glamour-Smoking mit glitzerndem Heiligenschein auf und rutschte an einer Kletterstange in die „reale Welt“ hinunter (glänzend grell evangelikal Philipp Büttner), während im himmlisch blauen Gegenlicht fünf weiße Engelchen hereintanzten – fast mit „Cheer-Girl“-Funktion.

Dazu kontrastierten der miese Dealer Jack (aalglatt fies Pascal Höwig), seine sexy verruchte, aber zum rettenden Engel aufsteigende Mae (Laura Joeken mit „blondes-Gift“-Qualitäten) und das durchgeknallte Drogen-Paar Sally und Ralph (Veronika Hörmann und Manuel Dengler) – alle mit fixen Ping-Pong-Dialogen, präziser Körpersprache, gutem Musical-Gesang und beeindruckenden Tanzeinlagen. Für diese rundum gelungene Regie und Choreografie wurde Ricarda Ludigkeit zu Recht gefeiert, denn sie ließ auch gekonnt kurz einen Radiosprecher die Drogengefahr publik machen, dann sogar Uncle Sam, George Washington und die Freiheitsstatue zur Rettung der gefährdeten „Kinder“ antreten – und immer wieder nahm uns Narcotics-Leiter Harry Anslinger (Nico Schweers angemessen trocken-steif) mit Rede-Ausschnitten und Kommentaren „geistig an der Hand“, gipfelnd in dem Satz von 1948: „Marihuana führt zu Pazifismus und kommunistischer Gehirnwäsche!“ All das wurde so herrlich ernsthaft, folglich grotesk „serviert“, dass es eine durch Lachen entlarvende, somit reine Theaterfreude war.

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