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Im Vorraum der neuen Musik am Campus One in Karlsruhe. Foto: Hufner
Im Vorraum der neuen Musik am Campus One in Karlsruhe. Foto: Hufner
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Mit „Gespensterfiguren der Romantik“ – Karlsruhe mit neuem Festival für zeitgenössische Musik

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„ZeitGenuss“, so heißt das neue Festival, durch das der zeitgenössischen Musik ein Ankerplatz im Karlsruher Konzertleben eingeräumt werden soll. Sieben Tage, 13 Konzerte, 19 Uraufführungen, unter anderem von Volker David Kirchner, Alwyn Tomas Westbrook und Marton Illés, zwei Wettbewerbe für die Komposition und Interpretation zeitgenössischer Musik.

Die Stadt möchte, in Kooperation mit der hiesigen Musikhochschule, an den Publikumserfolg der 21. Europäischen Kulturtage im vergangenen Jahr andocken, als sich alles in Karlsruhe um Wolfgang Rihm und seinen 60. Geburtstag drehte. Rihm nimmt, gemeinsam mit dem Mainzer Komponist Volker David Kirchner, auch in diesem Rahmen einen merklichen Schwerpunkt ein.

Es gibt keinen thematischen Überbau für die 13 Konzertblöcke – sie bleiben nackt beziffert. „Die Musik ist bildhaft genug und bedarf nicht noch der sprachlichen Überschrift, um gespielt zu werden“, erklärt der künstlerische Leiter, Achim Heidenreich. Einheit soll durch den Kontrast der unterschiedlichen Ensembles erzeugt werden, die in ihrer individuellen Besetzung jeweils einen anderen Klang evozieren. „Dieser Ensemblegedanke trägt das Programm“, so Heidenreich. Neben Rihm und Kirchner wurden beispielsweise Stefan Wolpe, Georg Friedrich Haas, György Kurtàg, Iannis Xenakis und John Cage aufs Programm gesetzt, zudem stehen die Werke der Rihm-Schüler im Fokus.

Der erste Konzertabend im neu eingeweihten CampusOne der Musikhochschule Karlsruhe bot bereits eine Sprungschanze für das kommende Festival: Weberns kurzes A-Capella-Werk „Entflieht auf leichten Kähnen“ (1908), darauf folgten vier Klavierwerke, unter anderem von Stefan Wolpe und Nicolas Zourabichvili (Solisten: Kaya Han, Markus Stange). Nach Wolfgang Rihms „Tristis est anima mea“ für Vokalsextett, dem Beginn seines Werkes „Vigilia“, stand am Schluss des Abends die erfolgreiche Uraufführung eines Auftragswerks der Stadt durch die Kammerphilharmonie Karlsruhe (Dirigent: Nikolaus Indlekofer): Volker David Kirchners Ensemble-Stück „La Notte (Walpurgisnacht)“. Es ist das Referenzwerk des Festivals, da es durch wechselnde Besetzungen und immer neue klangfarbliche Finessen „den Gedanken der kontrastierenden Ensembles“ widerspiegelt. Alles dreht sich „um die Gespensterfiguren der Romantik“, die Walpurgisnacht „geistert immer wieder durch das Stück“. In den 14 Werkteilen begegnen einem die „monströsen Ableitungen der Realität, Angstgebilde, Alptraumfiguren“, so der Mainzer Komponist. „Die Musik maskiert sich mit Harmonie, wo keine ist.“ Es ist eine schaurig-schöne Reminiszenz an Vergangenes, ein Rückbezug, der ihm seinerzeit den Vorwurf eines „Traditionalisten“ einbrachte. So durchziehen assoziative Mahler‘sche Anklänge das Werk: Die Bläsergruppe des Orchesters wird ab und an zum Fernorchester, hier und da erscheinen pendelnde Quarten sowie gründelnde Sphärenklänge, über denen einzelne Melodielinien aufsteigen. Doch es ist mehr als nur eine Reminiszenz, denn die „schönen Stellen sind angefressen“ (Kirchner) und der Abgrund nicht fern. Das Publikum feierte das neue Werk.

Noch bis Donnerstag, den 31.10., finden in Karlsruhe Konzerte statt. Ein begleitendes Vermittlungsprogramm in Form unter anderem von Konzerteinführungen und -gesprächen sowie einem Meisterkurs zur Interpretation mit dem Komponisten, Oboisten und Dirigenten Heinz Holliger umrahmen das nun vielversprechend angelaufene Festival.

Mehr Informationen unter: http://www.karlsruhe.de/b1/kultur/musik/zeitgenuss.de

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