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Kurt Masur ist tot. Foto: Presse, Baltic Youth Philharmonic
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Musikalischer Botschafter Deutschlands - Kurt Masur ist tot

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Harrison - Wo auch immer er auftrat erhob sich das Publikum. Er hat künstlerisch alles erreicht, was man als Dirigent erreichen kann. Er war langjähriger Kapellmeister des Gewandhausorchesters in Leipzig, Musikdirektor des New York Philharmonic Orchestra, Chef des London Philharmonic Orchestra und des Orchestre national de France. Wie die New York Times berichtet, ist der Dirigent Kurt Masur am frühen Morgen ortszeit in Harrison, New York gestorben.

Die Basis

Leipzig war der Dreh- und Angelpunkt in Masurs Leben. Nicht nur musikalisch beschenkte er die Stadt, der er seit 1970 mit dem Amtsantritt als Gewandhauskapellmeister so eng verbunden war. Nicht nur, dass er das älteste bürgerliche Konzertorchester zur Weltgeltung führte, er ließ nicht locker, bis er die Stadt- und Regierungsobersten von der Notwendigkeit einer eigenen Heimstätte für das Orchester überzeugen konnte. Von Masurs Hartnäckigkeit profitiert Leipzig bis heute. Er war es, der quasi als Bauherr den Neubau des Gewandhauses am Augustusplatz gegen die Pläne der Staatsführung durchsetzte, die an dieser Stelle lieber ein Auditorium Maximum für die Leipziger Universität errichten wollte.

Masur - Der Humanist

Volksnah war Masur an jenem montäglichen 9. Oktober des heißen Wendeherbstes 1989. In seinem gemeinsam mit fünf weiteren Leipziger Persönlichkeiten verfassten Aufruf, forderte er angesichts der Massenproteste gegen die SED und der sich bewaffnet in Stellung gebrachten Staatsmacht stellvertretend mit seinem Namen: „Keine Gewalt!“

Dieser Aufruf und die Öffnung des Gewandhauses als Forum für politische „runde Tische“ katapultierte den Dirigenten Masur kurzzeitig so weit auf das politische Parkett, dass er 1990 sogar als Staatsoberhaupt gehandelt wurde. Er aber lehnte dankend ab und widmete sich wieder ausschließlich der Musik.

Die weltweite Strahlkraft von Kurt Masur

Verehrt haben in die New Yorker von Anfang an, denn er war der Wunschkandidat ihres berühmten Orchesters. Kein Wunder also, dass anlässlich seines Antrittskonzertes im September 1991 alle großen New Yorker Geschäfte mit seinen Fotos dekoriert worden waren. Und auch Tiffanys berühmte Schaufenster hießen den deutschen Kapellmeister aufs herzlichste willkommen. Selbst die New York Times grüßte den Leipziger auf ihrer Titelseite „Your welcome Maestro Masur“. Eine Ehre, die bis dahin nur Leonard Bernstein angediehen worden war.

Doch nie waren sich die New Yorker und der Chef ihres weltberühmten Orchesters so nahe gekommen, wie in den Tagen nach dem „New Yorker Deasaster“, jenem Einsturz der Twin Towers nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Wenige Tage nach „nine eleven“, als die Stadt noch unter Schock stand, dirigierte Kurt Masur „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms. Selbst vor dem überfüllten Lincoln Center standen Hunderte im Regen, um die Aufführung auf einem Videoschirm zu verfolgen. „Wir alle brauchen die heilende Kraft dieser Musik“, sagte Kurt Masur später. „Die Erinnerung an die Gefühle dieses außerordentlichen Moments wird mich immer begleiten:“

Als Masur zu seinem 75. Geburtstag nach 11jähriger Amtszeit zum letzten Mal als Musikdirektor auf dem Podest der Avery Fisher Hall stand, ging eine Ära in New York zu Ende. Eine Ära, die die amerikanische Klassik-Szene so tief geprägt hatte, wie vormals nur unter den Dirigenten Arturo Toscanini oder Leonard Bernstein.

Mahner und Botschafter

Masur fühlte nicht nur mit den Menschen, er mischte sich ein, wenn es nötig war. In zahllosen Appellen mahnte er die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen an. Seinen Forderungen verlieh er Nachdruck, indem er sich für den musikalischen Nachwuchs engagierte. In Meisterkursen förderet er junge Dirigenten, in New York setzte er sich für Schülerkonzerte ein, er begleitete Arbeitsphasen und Konzerte des Bundesjugendorchesters und Eltern forderte er immer wieder auf, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder das Singen nicht verlernen. „Wir müssen jetzt aufwachen, sonst sind wir eine Kulturnation gewesen“, mahnte Masur. Klare Worte von einem, der politische Ämter ausschlug mit dem Hinweis, er könne nicht lügen.

Auch wenn Masur niemals ein politisches Amt begleitet hat, muss man in ihm eines erkennen: Den wohl wichtigsten musikalischen Botschafter Deutschlands!

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