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„Parsifal“ – Premieren-Höhepunkt der Bayreuther Festspiele

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Wie bei der Pressekonferenz der Bayreuther Festspiele zu vernehmen war, wird es den „Parsifal“ in der Inszenierung von Stefan Herheim (aufgrund finanziell zu hoher Forderungen eines Ausstatters) leider nicht als Public Viewing und damit auch nicht auf DVD geben. Dies ist nicht nur aufgrund der herausragenden Qualität dieser Arbeit, sondern insbesondere auch deshalb besonders bedauerlich, da diese Inszenierung obendrein die (Rezeptions-)Geschichte der Bayreuther Festspiele selbst ins Bild setzt.

Die Weiterarbeit des Regisseurs Stefan Herheim ist spürbar, aber die Veränderungen sind marginal, so sehr durchdacht und gelungen war schon im ersten Jahr diese Bayreuther Zeitreise, die Gleichsetzung von Gralstempel und Wahnfried, die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt der Protagonisten, auf ihrem Weg durch die deutsche Geschichte. Die hier vollzogene Dominanz des Sexus in allen Lebenslagen, die das Kind Parsifal von der übergroßen und auch körperlichen Liebe der Mutter Herzeleide über die Verführung durch den Transvestiten Klingsor und den Mutterersatz Kundry begleitet und vielfältig motiviert, ist mit zwei Kinder-Doubles des jungen Parsifal, exzessiv spielendem Chor und Sängerdarstellern, zwingend ins Bild gesetzt.

Die zunächst beflügelte Gralsgesellschaft der Bayreuther Patronate des Kaiserreichs, deren Flügel beim leidenschaftlich begrüßten ersten Weltkrieg gegen Tornister getauscht werden, der Katzenjammer beim blutigen Ende und der Glamour der Zwanzigerjahre als Vorstufe zu neuer politischer Übersteigertheit, bis auch das Dritte Reich mit seinen Insignien zerbricht und eine Trümmerlandschaft übrig bleibt, auf der eine neue Demokratie errichtet wird, dies alles schließt die im Garten Wahnfrieds, hinter dem Grab Richard Wagners, angesiedelte Handlung ein.

Nach der Opulenz der ersten beiden Aufzüge (Ausstattung: Heike Scheele und Gesine Völlm) ist der dritte Aufzug mit der (Festspiel-)Bühne auf der Bühne, dem primär durch Projektionen gestalteten Neubayreuth und Spiegelung des aktuellen Publikums ernüchternd. Die projizierte Bitte der Wagner-Enkel, von politischen Debatten auf dem Festspielhügel abzusehen, bleibt so äußerlich, wie zuvor die Hakenkreuzfahnen und das Ende im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (der nun eben nichts mehr mit Garten und Heimstätte Wagners zu tun hat) befremdlich.

Daniele Gattis Dirigat ist zu großer Form gewachsen, neben der exzellenten Mitdeutung der szenischen Belange in ihrer psychologischen und politischen Vielschichtigkeit, setzt er auf die Tradition jener Dirigenten, die Wagners letzte Partitur mit enormer Breite und Tiefgang ausgelotet haben. Neu ist die Susan Maclean als Kundry: insgesamt bewältigt die Mezzosopranistin die Partie stimmlich besser als ihre Vorgängerin, wobei auch ihr manche Spitzentöne nur mit Abstrichen gelingen, jedoch fehlt ihr deren exotische Zauber, aus dem die zahlreichen Verwandlungen zwischen Dienstmädchen, Blauem Engel und Herzeleide-Double erwachsen. Die sängerisch rundeste Leistung bietet Kwangchul Youn als ein nuancierender, stets textverständlicher Gurnemanz.

Detlef Roths Amfortas, Christopher Ventris in der vielfältig facettenreichen Titelpartie, der sehr lyrische Klingsor von Thomas Jesatko, bis hin zu den Chargen der ersten beiden Gralsritter als Kaplan (Arnold Bezuyen) und Arzt (Friedemann Röhlig) und dem Ensemble der Soloblumen als Krankenschwestern schaffen eine ungewöhnliche Ensembleleistung. Im Verbund mit dem bestens disponierten Orchester und dem stimmgewaltig spielfreudigen Festspielchor (Einstudierung: Eberhard Friedrich) wurde diese Premiere zum vorläufigen Höhepunkt.

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