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Die Frau ohne Schatten an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Marcus Lieberenz im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN, Tel.: +49 (0)177-2439680, www.bildbuehne.de
Die Frau ohne Schatten an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Marcus Lieberenz im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN, Tel.: +49 (0)177-2439680, www.bildbuehne.de
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Rückzugsgefecht: Kirsten Harms inszeniert „Die Frau ohne Schatten“ an der Deutschen Oper

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Richard Strauss’ im ersten Weltkrieg entstandene Märchen-Oper hat in den vergangenen Dezennien einige Aufsehen erregende szenische Deutungen – zwischen Geburtenkontrolle und Weltkriegsgräueln – erfahren. Im Vorfeld der Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin erfolgte der deutliche Hinweis auf die Entstehungsphase der Oper und schien die Lesart der Intendantin in jener Richtung hin anzusiedeln.

Die im Programmheft abgedruckten Anmerkungen von Kirsten Harms bei ihrer Konzeptionsprobe sprechen unter anderem von einer „Notbehausung der Färberfamilie in einem Schacht“. Doch diese ist in der Umsetzung des Bühnenbildners Bernd Damovsky ein arg konventioneller, niedriger Raum. Und die als „verödete Steinwüste“ angekündigte Dekoration des dritten Aktes (für die verlangten Räume Unterirdischer Tempel, Eingang und Inneres des Geistertempels, sowie Landschaft im Geisterreich) erweist sich als eine Mondlandschaft, wohl da im Text des Geisterboten einmal von „Mondbergen“ die Rede ist.

Hier also erschießt besagter Bote Keikobads die Amme, da diese mangels eines Kahns nicht zur Reise zu den verhassten Menschen verurteilt werden kann, und ein Todeskommando mit Gewehren droht mit der Exekutierung des (auf einem Steine sitzenden) Kaisers, was szenisch an den Schlussakt der „Tosca“ gemahnt. Die Mondlandschaft mit rauchenden Kratern erweist sich jedoch als wenig förderlich für das Spiel zwischen Innen und Außen, Unten und Oben, und so muss denn die Kaiserin anstelle ihres Ganges durch das steinerne Tores in den Krater hinabsteigen, aus dem sie kurz darauf, für ihren nächsten Auftritt, wieder empor kommt.

Der Verzicht auf die Märchendimension, bei gleichzeitiger Einsparung einer konkretisierenden historischen Aussage oder sozialen Sicht lässt die Suche des Mensch-Geist-Mischlings Kaiserin nach einem menschlichen Schatten ins Leere laufen. Die Opernhandlung findet de facto nicht statt. Was über welche Schatten (die von den Protagonisten geworfen werden, selbst wenn gerade das Gegenteil besungen wird) hier verhandelt wird, bleibt im Dunkeln. Das der Färberin versprochene, männliche Lustobjekt entpuppt sich als ein Mister Chen mit Strohhut und Spazierstöckchen, was durchaus einmal für Heiterkeit im Publikum bei dieser sonst wenig heiteren Handlung sorgt.

Die Arrangements der Solisten wirken wie aus zweiter Hand, – was allerdings in der nachfaustischen Versbildung Hugo von Hofmannsthals ebenso eine Entsprechung hat wie in der spätromantischen, dem „Ring“ verwandten Emphase der Partitur. Dass nach dem zumeist gestrichenen Melodram im Schlussakt gleich mehreren Besuchern im Parkett schlecht wurde, und so der in der zweiten Pause gelichtete Zuschauerraum weiter dezimiert wurde, scheint gleichwohl symptomatisch für die auf Reibung verzichtende, nicht anecken wollende Neuinszenierung, mit ihrer in fragwürdiger Ästhetik verdampfenden Bebilderung.

Die Klangpracht jener Partitur, mit deren Farben Strauss der Erfolgsoper „Die tote Stadt“ des Wunderkindes Korngold – u. a. mit Glasharmonika und 2 Celestas – nachzueifern trachtete, ist durch das tadellose Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Ulf Schirmer voll gewährleistet. Der Dirigent setzt dabei mehr auf die Lyrismen als auf die Bombastik der erfreulicherweise strichlos erklingenden Partitur. Der (von Dagmar Fiebach einstudierte) Kinderchor singt nur bei der Armenspeisung im Mittelakt, die Stimmen der Ungeborenen werden von sechs Solistinnen makellos und textverständlich realisiert.

Während die drei Wächter der Stadt hier durch Baraks Arbeitswohnung spazieren, findet der (etwa in Harry Kupfers Inszenierung an der Staatsoper sichtbare) Falke ebenso keine szenische Entsprechung, wie die (auf dem Programmzettel seltsamerweise nicht genannte) Alt-„Stimme von oben“ (vergleiche Wagners „Parsifal“). Unter den Solisten ragen die dramatische Mezzosopranistin Doris Soffel als Amme und Johan Reuter als (allerdings etwas zu glatter) Barak heraus, weniger überzeugen Manuela Uhl als Kaiserin (Intonationsprobleme bei den Spitzentönen) und Eva Johansson als Färberin (unschöne Registerwechsel). Mühelos stemmt Robert Brubaker die Partie des Kaisers (mit der vokalen Erleichterung durch die Retusche „für die Herrin“ anstelle des originalen „anstatt ihrer“ in der ersten Arie), und stimmgewaltig droht Stephen Bronk als Keikobads zwölfter Bote.

Kurzer, bisweilen auch für die solistischen Leistungen nur geteilter Applaus, einstimmig jedoch für Ulf Schirmer und das Orchester.

Weitere Aufführungen: 08., 11., 18. Oktober; 05. und 13. Dezember 2009

Foto: Marcus Lieberenz im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN, Tel.: +49 (0)177-2439680, www.bildbuehne.de

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