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Tichina Vaughn (Königin), Christoph Pohl (Švanda) und der Staatsopernchor. Foto: Matthias Creutziger
Tichina Vaughn (Königin), Christoph Pohl (Švanda) und der Staatsopernchor. Foto: Matthias Creutziger
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Seelenspiel: Jaromír Weinbergers „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ an der Sächsischen Staatsoper Dresden

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Die Sächsische Staatsoper Dresden besinnt sich aufs slawische Repertoire. Und auf die Volksoper. Was kommt dabei heraus? Ein faustisches Stück mit teuflischer Macht, Ränkespiel und viel origineller Musik. Letztere dürfte den meisten im Saal der Semperoper relativ unbekannt sein, denn sie stammt vom tschechisch-jüdischen Komponisten Jaromír Weinberger. Der wurde hierzulande seit 1933 weitgehend totgeschwiegen.

Also ein Volksstück. Eines von der böhmischen Art. Also musikantisch, unterhaltsam, philosophisch. Jaromír Weinbergers 1927 uraufgeführte Oper „Švanda dudák“ („Schwanda, der Dudelsackpfeifer“) könnte im Tschechischen das sein, was Ferruccio Busonis „Doktor Faust“ im Deutschen ist. Aber sie wird dort kaum gespielt. Dabei ist die Figur Švanda im Nachbarland in etwa so populär wie die sorbische Faust-Figur Krabat.

An der Dresdner Semperoper hatte das Stück nun in der Originalsprache Premiere. Erst wenige Monate zuvor wurde es im nahen Görlitz herausgebracht, ein räumlicher Zufall, mehr nicht. Für das Publikum aus der Tschechischen Republik freilich eine willkommene Gelegenheit, „Švanda dudák“ wiederzusehen oder aber erst einmal kennenzulernen. Letzteres dürfte bei hiesigen Zuschauern ohnehin der Fall sein. In Dresden stand die Oper nach ihrer Erstaufführung 1930 zuletzt in einer Neuinszenierung 1950/51 im Spielplan.

Von böhmischer Art

Musikalisch scheint das Material Jaromír Weinbergers, der 1896 in Prag geboren wurde und sich 1967 in seinem Exil in Florida das Leben nahm, einem prall gefüllten Schmelztiegel entnommen zu sein. Da klingt der enorm melodiöse Reichtum böhmischer Volksmusik ebenso durch wie die Bombastik eines Smetana, gepaart mit der Leidenschaft Dvoráks. Bei allem kundig arrangierten Traditionsbewusstsein blitzt aber genauso viel Modernismus à la Janáček auf.
Der Zweiakter zum Libretto von Miloš Kareš setzt spaßig dem Robin Hood ähnelnden Räuber Babinský ein Denkmal. Denn der sorgt in dieser Geschichte für Tempo, knüpft und entwirrt beinahe sämtliche Fäden, legt dabei sogar den Teufel persönlich aufs Kreuz.

Doch zunächst einmal – in einem rasant angegangenen Vorspiel – muss er sich seinen Verfolgern entziehen. Er nimmt den Reichen und gibt den Armen, dafür haben die hier als Polizisten ausstaffierten Landsknechte kein Verständnis, bleiben aber zu lahm und zu dumm für den raffinierten Gangster. Der trifft bald darauf den frisch verheirateten Schwanda und dessen junge Frau Dorotka. Und stachelt den Dudelsackpfeifer zu neuen Abenteuern an, denn es gilt, die im Eispalast verharrende Königin zu erlösen. Wunderschön soll diese Frau sein, deren Herz gefroren ist, von Schwandas Musik aber alsbald liebevoll zum Schmelzen gebracht wird.

Das ist natürlich Stoff für heftige Eifersucht, denn Dorotka verfolgt die beiden Abenteurer. Und als ihr untreuer Gatte zum Schwur ansetzt, der Teufel solle ihn holen, wenn er die Königin auch nur ein klitzekleinwenig geküsst haben sollte, da sitzt er auch schon in der Hölle. Dort freut sich der vor Langeweile angeödete Teufel über den neuen Gast und hofft auf Schwandas Musik zum Seelenspiel, aber der weigert sich, gerät erst durch eine Finte in die diabolische Macht. Schon ist wiederum Babinský gefragt, um Schwandas Seele zu retten. Er setzt sie und allerlei Diebesgut aus des Teufels Schatzkammer im Kartenspiel gegen den höllischen Meister. Beide betrügen einander, doch der Meisterdieb betrügt in der Tat besser. Happy End.

Das Gute an der Moral

Happy End? Ja, aus moralischer Sicht. Denn Schwanda ist wieder frei und darf zu seiner Frau zurück, die ihm selbstverständlich alles verziehen hat. Allerdings ist während der Höllenpein viel Zeit vergangen, nun steht ein ergrautes Paar voreinander. Und, das ist das Gute an der Moral, auch zueinander. Babinský entsagt solcher Idylle und bleibt lieber seinem sozial grundierten Räuberleben treu.
Für die Inszenierung dieser märchenhaften Oper wurde einmal mehr Axel Köhler nach Dresden verpflichtet. Der ist Regisseur nur im Zweitberuf, hatte sich seine bisherigen Meriten vor allem als Countertenor ersungen. Inzwischen wirkt er in Halle als Opernintendant. Weinbergers „Schwanda“ hat er in einem märchenhaft technizistischen Ambiente aus Glashaus und Zauberwelt inszeniert. Für die stärksten Eindrücke konnte er sich auf Bühnenbildner Arne Walter und Kostümbildnerin Henrike Bromber verlassen. Schnelle Verwandlungen geben jeder Szene ihr Gepräge, die Wohnstätte von Schwanda und Dorotka ähnelt einem Puppenheim des Eispalastes, der wiederum die oberirdische Variante der Teufelswelt darstellt. Die Hölle ist jedoch drastisch mit einer Maschinerie versehen, deren Zahnräder ganze Menschen zermalmen – und die ihren geistigen Ursprung in Fritz Langs „Metropolis“ nicht leugnet.

Wo das Geschehen zum Kammerspiel gerinnt, da gelingen Köhler spielerisch eindrucksvolle Momente. Bei Massenauftritten wird pur arrangiert, soll auf Nebenschauplätzen offenbar von der Statuarik des Ganzen abgelenkt werden. Eine unbedingte Hauptrolle kommt dennoch dem allzuoft nur herumstehenden und geschobenen Chor zu, der nämlich musikalisch von Christof Bauer bestens präpariert wurde, wirklich grandios singt und anscheinend auch sprachlich ganze Arbeit leistet. Schon im Pausengespräch waren Gäste aus Tschechien des Lobes voll.

Gauner in Gamaschen

In der Titelrolle als Schwanda überzeugt Christoph Pohl vom Ensemble des Hauses mit angemessener Präsenz und wohltönendem Bariton. Als seine Dorotka agiert Marjorie Owens etwas verhalten bewegt, doch mit starkem und geradlinigem Gesang. Makellos auch Ladislav Elgr als Babinský, dem ein verbales Heimspiel gelingt. Er gibt den Gauner in Gamaschen derart durchtrieben, dass er ausnahmslos liebenswert ist. Sogar der Teufel akzeptiert ihn, der von Michael Eder mit sympathisch brummendem Bass und geradezu barockem Geweih gegeben wird.
Problematischer hingegen die Besetzung der Königin. Wie der agile Schwanda dieser allzu mütterlichen Kaltmamsell auf den ersten Blick verfallen sein soll, bleibt das Geheimnis des Betriebsbüros. Zudem wirkt die durchaus voluminöse Stimme der Amerikanerin Tichina Vaughn bisweilen metallen belegt.

Alles andere als verhalten gibt sich das Orchester, das unter der musikalischen Leitung von Constantin Trinks schon im ersten Eindruck der Ouvertüre den Reichtum dieser Musik zum Blühen bringt. Die Staatskapelle entfacht aus dieser Partitur ein klingendes Feuerwerk, dessen Faszination sich schwer zu entziehen war. Wären da nicht immer mal wieder Unstimmigkeiten zwischen Gesangsensemble und Orchester zu hören gewesen, hätte jeder Sachwalter Weinbergers gewiss seine ungetrübte Freude gehabt. So aber bleibt – vorerst – nur die Hoffnung, Bühne und Graben mögen sich in den bis Spielzeitende verbleibenden sieben Vorstellungen über das rechte Zeitmaß von Einsätzen und Melodiebögen noch einigen.

Weitere Termine: 27., 30.3., 7., 14., 29.4., 2., 17.5.2012

s. auch Videoclip zu "Schwanda, der Dudelsackpfeifer"

 

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