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Die Thüringer Finanzschlinge. Foto: Hufner
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Theaterreform Thüringen: Studierende nehmen Kulturminister Hoff beim Wort

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Der Studierendenrat der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar hat sich jetzt auch in Sachen Theaterreform Thüringen, die unter dem Titel „Perspektive 2025“ lanciert wird, mit einem offenen Brief an Benjamin-lmmanuel Hoff (Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten) zu Wort gemeldet: „Sie berauben uns durch Ihre Pläne unserer Zukunft in diesem Land!“ Im Wortlaut:

Betreff: Offener Brief zum Thesenpapier „Perspektive 2025“

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Benjamin-lmmanuel Hoff,

als Studierende der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar beobachten wir die politische Diskussion um die Umstrukturierungen der Thüringer Orchester- und Theaterlandschaft sehr aufmerksam. Da wir uns als Bewohnerinnen dieses Landes, als Studierende seiner einzigen Musikhochschule und besonders als zukünftige Kulturschaffende direkt davon betroffen fühlen, möchten wir zu Ihrer Positionierung, die aus dem Thesenpapier „Perspektive 2025“ hervorgeht, öffentlich Stellung nehmen.

Mit dem Entschluss, unser Leben der Kunst zu widmen, folgen wir einer festen Überzeugung: Für unsere moderne Gesellschaft, unsere Demokratie für den Menschen ist Kultur von essentieller Bedeutung. Produktion und Rezeption von Musik und Theater wirken sinnstiftend und demokratisierend. Sie fördern Kreativität, Offenheit und Mitmenschlichkeit Kultur ist ein Teil von Gesellschaftspolitik. Sie leistet einen aktiven, unverzichtbaren Beitrag für eine tolerante und reflektierende Gesellschaft.

Diese Werte sind in Zahlen schwer messbar, aber müssen dennoch in einer kulturpolitischen Debatte immer mitgedacht werden. Leider kommen in der aktuellen Diskussion die für Wirtschaft und Gesellschaft positiven Effekte einer lebendigen Kulturszene zu kurz. ln Ihrem Thesenpapier „Perspektive 2025“ schlagen Sie zwar Möglichkeiten für eine längerfristige Finanzierung vor. Die von Ihnen präferierten Modelle beinhalten jedoch Umstrukturierungen, welche die einzigartige, Jahrhunderte alte und von der UNESCO im bundesweiten Verzeichnis als immaterielles Kulturerbe anerkannte Theater- und Orchesterlandschaft in Thüringen in ihrer Qualität und Vielfalt schädigen.

Die Fusionsmodelle, die Sie unterstützen, führen zu einem Verlust von Arbeitsplätzen. Der seit 1990 kontinuierlich betriebene Kulturabbau in Thüringen, den Sie fortführen wollen, reduziert außerdem die lokale Präsenz und die Vielfältigkeit des Angebots, das neben künstlerischen Darbietungen auch Bildungsvielfalt gewährleistet. Ihre geplanten Umstrukturierungen treiben so das Verschwinden von Kultur gerade im kleinstädtischen Raum immer stärker voran. Das Land Thüringen verliert an Attraktivität für Künstlerinnen und Kulturschaffende. Den Menschen wird ein Teil Ihrer Identität genommen. Spielt man so der Abwanderung, demographischen Entwicklung und politischen Extremisierung nicht in die Karten?

Als Studierende an Thüringens einziger Musikhochschule können wir diese Entwicklung nicht akzeptieren. Unser Engagement und unsere Aktivitäten, nicht zuletzt im gesellschaftlich-politischen Bereich (z. B. Young Philharmonie Orchestra Jerusalem Weimar), finden immer wieder große Beachtung und Wertschätzung auch von Seiten der Landesregierung. Wir werden bestärkt, erzogen und ermutigt, mit unserer Arbeit die zukünftige Gesellschaft zum Besseren zu gestalten. Hier werden Ideale hoch gehalten, Prestige ist gerne gesehen, doch das hierfür unentbehrliche, breite Fundament scheint für Sie nicht ausreichend förderungswürdig. Sie berauben uns durch Ihre Pläne unserer Zukunft in diesem Land!

ln unserer Ausbildung profitieren wir auf verschiedenen Ebenen von der reichen Theater- und Orchesterlandschaft Thüringens. Sie ist ein Grund dafür, dass bei uns 30% ausländische Studierende lernen und das Hochschul- und Stadtleben bereichern. Sie verhelfen Weimar und Thüringen zu internationalem Renommee. Die Orchester und Theater bieten für junge Studentinnen und Studenten der Fächer Orchestermusik, Gesang, Dirigieren, Chorleitung, Korrepetition, Komposition, Schulmusik, Kulturmanagement und Musikwissenschaft vielfältigste Möglichkeiten, Berufserfahrung zu sammeln und ersten Engagements nachzugehen (etwa durch Akademien, Substitutionen, Opernstudios, Praktika, Hospitationen etc.). Zudem gibt es in der Lehre einen ständigen Austausch und viele Verknüpfungen mit der Praxis. Ihre geplanten Fusionsmodelle würden die Qualität der Lehre und die Reputation der HfM FRANZ LISZT Weimar erheblich beeinträchtigen.

Besonders das DNT Weimar dient uns als Inspirationsquelle und Vorbild und ist somit für die Musikhochschule von entscheidender Bedeutung, ja sogar unverzichtbar! Wir stellen uns daher hinter Hasko Weber und unterstützen nachdrücklich die Stellungnahme des Betriebsrates des DNT Weimar. Die Schließung von Spielarten, Spartenabbau oder eine Fusion der Theater von Weimar und Erfurt schaden nicht nur dem Ruf Weimars, sondern auch der Attraktivität von Thüringens einziger Musikhochschule und dem Studienstandort Weimar!

ln der Präambel Ihres Koalitionsvertrages steht: „Die reiche kulturelle Landschaft ist ein Alleinstellungsmerkmal, das wir erhalten und entwickeln wollen.“ Stehen Sie zu Ihrem Wort!
Kämpfen Sie für den Erhalt und die Finanzierung der Theater und Orchester! Jede Kürzung, jeder Verlust ist unwiederbringlich. Die langfristigen negativen Folgen stehen in keinem Verhältnis zu den finanziellen Erleichterungen im Gesamthaushalt Sehen Sie die Gegebenheiten nicht als Last! Sehen Sie die Chance und werden Sie der Verantwortung gerecht, die Sie für unsere Zukunft haben!

Fördern und entwickeln Sie neue inhaltliche Konzepte und Visionen für eine moderne Kulturlandschaft, die sich neue Wirkungskreise erschließt und so gesellschaftliche Umschwünge und Veränderungen aktiv mitgestalten kann!

Wir fordern mehr Mut zur Investition in Kunst, Kultur und Bildung!
Bitte überdenken Sie Ihre Pläne!

Die Studierenden der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar

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