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Foto: Martin Demmler
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„Via nova“ organisiert die 7. Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik

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In Sachen Werbung und Marketing macht den Organisatoren der Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik so leicht niemand etwas vor. Die Festivalfarbe, ein kräftiges Orange, prägt das gesamte Stadtbild, ob in Form von großformatigen Bannern oder von Plakaten, die jedes Konzert des Festivals gesondert ankündigen. Das Programmbuch, immerhin 100 Seiten stark, ist kostenlos zu haben, um die Schwelle des Konzertbesuchs herabzusetzen. Alle Mitarbeiter, ob an der Abendkasse, bei Instrumententransporten oder am Mischpult tragen orangefarbene T-Shirts mit dem Aufdruck des Vereinsnamens und beim Abschlusskonzert wird jedem Besucher eine Blume überreicht – mit den Daten des Festivals des kommenden Jahres. Farbe: natürlich orange. Über mangelnden Zuspruch konnten die Veranstalter in diesem Jahr nicht klagen. Die meisten Konzerte im allerdings kleinen Saal der Weimarer Musikschule waren gut besucht, fast durchwegs von einem jungen Publikum.

Die Weimarer Frühjahrstage, organisiert vom Verein „Via Nova“ in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Komponistenverband, Landesverband Thüringen, befinden sich auf Expansionskurs. Nicht nur quantitativ, auch qualitativ hat sich das Festival in den letzten Jahren nach vorne entwickelt, meint Johannes Hildebrand, der künstlerische Leiter des Unternehmens. Mehr als 30 Uraufführungen konnten in diesem Jahr realisiert werden, von der elektronischen Miniatur bis zum ausgewachsenen Orchesterstück. Eine stattliche Zahl für ein Festival, das gerade einmal fünf Tage dauert. Daneben ist auch eine zunehmende Internationalisierung zu beobachten. Neben einheimischen Musikern waren diesmal auch Ensembles aus der Schweiz und Tschechien eingeladen. Den Veranstaltern ist es gelungen, eine Vielzahl von Förderern und Sponsoren einzubinden, was den künstlerischen Spielraum enorm erweitert. Wie bereits in den vergangenen Jahren genießt ästhetische Offenheit oberste Priorität in Weimar. Keine Strömung soll ausgegrenzt werden, sondern man möchte ein möglichst vielseitiges und undogmatisches Abbild dessen aufzeigen, was heute kompositorisch möglich ist. Deshalb gibt es bei den Weimarer Frühjahrstagen auch kein Generalthema, denn das würde den Rahmen des Spektrums unnötig einengen, so Hildebrand.

Einen Schwerpunkt der Arbeit bilden die Aufführungen von Werken junger Komponisten, die in Thüringen leben und arbeiten. Dass nicht jede dieser Premieren hielt, was sich die Veranstalter wohl davon versprachen, ist nur natürlich. Die Bandbreite des Gebotenen war in der Tat erstaunlich und reichte von elektronischer Musik, neuen Werken für Kinder und Jugendliche, die von Schülern und Lehrern der Weimarer Musikschule dargeboten wurden, bis hin zu sinfonischer Musik im traditionellen Abschlusskonzert der Staatskapelle Weimar oder avantgardistischen Experimenten wie der skurrilen gemeinschaftlichen Schrei-Performance „Roots“ von Gerhard Stäbler und Peter Köszeghy, die in Weimar ihre Uraufführung erlebte (siehe unser Bild unten). Wenn Peter Köszeghy am Ende der Performance in Rock und BH mit lippenstiftverschmiertem Gesicht neben dem Flügel barbarische Schreie ausstößt und Gerhard Stäbler unter den Stühlen des Publikums hindurch robbt und dabei seltsame Klänge von sich gibt, fühlt man sich stark an entsprechende Events aus den siebziger Jahren erinnert. Das Stück polarisierte wie kein anderes in diesem Jahr, und das Publikum, das es mit Humor nahm, fühlte sich angeregt, seinerseits durch Bei- und Missfallskundgebungen an der Performance zu partizipieren.

Gegenüber diesem halbstündigen Event wirkte vieles im diesjährigen Programm ausgesprochen brav. Das aus Prag angereiste, junge Ensemble MoEns präsentierte überwiegend Arbeiten von Mitgliedern des Ensembles, die in ihrer musikantischen, mitunter auch neoromantisch gefärbten Sprache nur wenig überzeugen konnten. Auch die Beiträge des Instituts für Computermusik und Klangtechnologie der Hochschule für Musik und Theater in Zürich glichen zumeist eher zurückhaltenden, unfertigen Studien als vollgültigen Werken, abgesehen von dem raffinierten Spiel mit Sein und Schein in „Real-Unreal, true-false“ für Stimme, Tonband und Live-Elektronik der Zürcher Komponistin und Saxophonistin Karin Ernst.

Einer der Höhepunkte der Frühjahrstage war das Konzert des phänomenalen Schlagzeugduos Marta Klimasara und Jürgen Spitschka. Mit diesen beiden Musikern kam es nicht nur zu einer fulminanten Interpretation von Georg Katzers Schlagzeugstück „Herz“, sondern auch zu einer Wiederbegegnung mit einem Klassiker der Minimal-Musik: Steve Reichs „Marimba Phase“ von 1980.

Ergänzt wurde der Reigen der Konzerte durch Workshops und Symposien. Vor allem in der Veranstaltung zur Geschichte der elektroakustischen Musik in der DDR staunte das überwiegend jugendliche Publikum nicht schlecht, als Lothar Voigtländer und Georg Katzer berichteten, wie schwierig es noch vor 20 Jahren war, im Osten Deutschlands geeignetes Zubehör zu beschaffen, um halbwegs professionell produzieren zu können.

Durchweg interessante Werke bot die Finalrunde des Kompositionswettbewerbs der Klangwerkstatt Weimar. Vier Werke wurden eingeladen und im Konzert vorgestellt. Den ersten Preis erhielt in diesem Jahr Sebastian Stier für sein Stück „hin her“ für Klarinette, Violoncello und Akkordeon. Der zweite Preis ging an Sven-Ingo Koch für „domes“ für Klarinette, Violoncello und Akkordeon. Den dritten Preis teilten sich Susanne Stelzenbach und die junge Koreanerin Ji-Young Oh.

Im Abschlusskonzert mit der Staatskapelle Weimar unter der souveränen Leitung von Fabrice Bollon hatte allerdings ein Altmeister die Nase vorn. Denn neben „exeo“ für Orchester von Pascal Dusapin waren es vor allem „Les Idées fixes“ von Mauricio Kagel, die den Werken der jüngeren Komponisten die Show stahlen.

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