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Cage im Cyber-Quirl: Internet in der tube

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Wie Moritz Eggert und Andreas Heck einmal John Cage datenbanktechnisch bearbeiteten
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Musikalische, gar kompositorische Nutzung von Techniken und Mitteln des Internets sind bisher vor allem auch ästhetisch problematisch. Das weiß man nicht zuletzt aus den Projekten wie der ominösen Internetsinfonie und so mancher virtueller Oper aus der letzten Zeit. Mit großem Brimborium traten da altbackene Kompositionsrezepte auf den Plan, tarnten sich dann mit Begriffen von Interaktivität und Kommunikativität. Das war alles im Endeffekt eine reine Blenderei, die allerdings das Problemfeld von Gruppenwerken und dramaturgischen Leitbildern nachdrücklich problematisierte. Dazu gesellt sich die schöne Aussicht, dass durch den Zugang zu solchen Veranstaltungen über das Internet der klassische Raum des Konzertes verlassen wird. Man muss nicht in Köln oder Sidney persönlich anwesend sein, um an einem „Internetkonzert“ teilhaben zu können. Nur: das ist gar keine neue Erfahrung. Rundfunk und Television, spätestens via Satellit, haben diese Erfahrung längst möglich gemacht. Was das Internet neu ins Spiel bringt, ist die einfache Realisierung eines Rückkanals: dass also Sender und Empfänger ihre Positionen tauschen könnten. So stellt sich die Frage erneut und nachdrücklich, wie denn ein Internet-Stück überhaupt aussehen oder funktionieren könnte.

Musikalische, gar kompositorische Nutzung von Techniken und Mitteln des Internets sind bisher vor allem auch ästhetisch problematisch. Das weiß man nicht zuletzt aus den Projekten wie der ominösen Internetsinfonie und so mancher virtueller Oper aus der letzten Zeit. Mit großem Brimborium traten da altbackene Kompositionsrezepte auf den Plan, tarnten sich dann mit Begriffen von Interaktivität und Kommunikativität. Das war alles im Endeffekt eine reine Blenderei, die allerdings das Problemfeld von Gruppenwerken und dramaturgischen Leitbildern nachdrücklich problematisierte. Dazu gesellt sich die schöne Aussicht, dass durch den Zugang zu solchen Veranstaltungen über das Internet der klassische Raum des Konzertes verlassen wird. Man muss nicht in Köln oder Sidney persönlich anwesend sein, um an einem „Internetkonzert“ teilhaben zu können. Nur: das ist gar keine neue Erfahrung. Rundfunk und Television, spätestens via Satellit, haben diese Erfahrung längst möglich gemacht. Was das Internet neu ins Spiel bringt, ist die einfache Realisierung eines Rückkanals: dass also Sender und Empfänger ihre Positionen tauschen könnten. So stellt sich die Frage erneut und nachdrücklich, wie denn ein Internet-Stück überhaupt aussehen oder funktionieren könnte.Dabei liegen die möglichen Lösungswege auf der Hand. Denn sie liegen in der Analyse des Mediums selbst. Ein Computer im Internet ist und bleibt in seiner Grundfunktion ein Computer, eine treudoofe und simple Maschine zur Verarbeitung von Rechenoperationen. Da der Computer meistens macht, was man ihm sagt, macht er als bloßer Rechenknecht ästhetisch selten viel her. Dem Rechenkünstler muss man also auch noch das Vergnügen am Spiel beibringen. Warum also den Computer nicht auch in dieser Weise einsetzen: Also mal schnell mit dem Flash-Quirl auf php und SQL. Strom (also Input) liefern ausnahmsweise mal Humans (also Menschen). Auf diesem technologischen und ästhetischen Wege befindet sich das Internetstück „Variations IV.01“, das im Rahmen des 6. A·Devangarde-Festivals in München sowohl in der t-u-b-e als auch im Internet realisiert wurde.

Das Internetstück „Variations IV.01“ von Moritz Eggert und Andreas Heck beruht auf einer kompositorischen Idee von John Cage. Zusammengefasst geht es in dieser Version um eine wohlkalkulierte Mischung von Zufallsereignissen in der Zeit, die vorpräpariert wurden. 20 Komponisten, verstreut über die Erde, wurden angesprochen, Materialien (wie Kompositionen oder Sounds, textliche oder grafische Improvisationsanweisungen, Texte und Bilder) zusammenzustellen, deren Einsatz zu bestimmten Punkten des Stücks zum Teil während der Realisation von den 20 Komponisten festgelegt wurde. Anders gesagt: Aus einem Materialienhaufen wurde während der Realisation im Konzert das Stück zusammengesetzt. Das ist das gegenseitige Spiel von Zufall und Absicht, welches oft sinnlich reizvoll wird. Obwohl die meisten Materialien bekannt sind, ist das realisierte Ergebnis dieser Klang- und Bildcollage nicht vorauszusehen. Diese Unvorhersehbarkeit wurde noch verstärkt dadurch, dass im Konzertsaal der t-u-b-e zwei Musiker (FM Einheit und Sebastian Hess) die verbalen oder grafischen Improvisationsanweisungen der 20 Komponisten auf ihre Weise umsetzten. Heraus kam ein buntes Klang-, Bild-, Sound- aber auch Gagmixing, das gegen Ende des Stückes dramaturgisch etwas zu sinnfällig in ein überdrehtes Finale mündete.

Wie kommt nun das ominöse Internet ins Spiel? Einerseits dienen die Kommunikationsmedien des Internets zur Live-Steuerung von ästhetischen Ereignissen über ein Chatsystem. Andererseits durch die Live-Collagierung der Materialien über das Medium des Internets. Es ist nämlich überaus bemerkenswert, dass die Zusammensetzung und Mischung im Konzertsaal nicht sozusagen als Resultatmischung in die Kanäle des Internets zurückgesendet wird, sondern dort selbst on-the-fly generiert wird. Dazu bedarf es einer komplizierten Datenbankadministration, die verknüpft werden muss mit einer Nutzungsoberfläche, die ihrerseits spezifischen technischen Ansprüchen der Internetnutzung der Normaluser angepasst werden musste – und vor allem eines ist: selbsterklärend. Dies ist Andreas Heck tatsächlich gelungen. Es gab keinen aufgedonnerten grafischen Schnick-Schnack, eher das Gefühl einer ruhigen Space-Night im Bayerischen Nachtfernsehen.

Vielleicht sollte man ein technisches Problem dieses Konzertes nicht als „Fehler“ bewerten. Die Live-Musiker waren über das Netz nicht zu hören und auch einige Passagen der Klangmischung dürften sich zwischen Internetdarstellung und dem Ergebnis vor Ort technisch verursacht verschieden gewesen sein. Auf diese Weise erhält man dann jedoch tatsächlich auch angepasste Versionen für unterschiedliche Musik-Räume. Auch so kann man den Werkcharakter eigentümlich differenzieren. „Variation IV.01“ ist kein Internetstück an sich, aber es zeigt ein paar eigensinnige Dimensionen musikalischer Möglichkeiten des Internets auf.

A·Devantgarde: http://www.adevantgarde.de
Variations IV.01: http://www.variations-iv-x.de
Moritz Eggert: http://www.moritz-eggert.de
Andreas Heck: http://www.neue-musik.de

Siehe auch den Cluster von Reinhard Schulz - Sandkastenspiele

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