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Das Klavier im Bann von vier Händen

Untertitel
Ein Kompendium zur Geschichte der vierhändigen Klaviermusik
Publikationsdatum
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Klaus Börner: Handbuch der Klavierliteratur zu vier Händen, Atlantis Musikbuch-Verlag, Zürich/Mainz 2005, 535 S., € 39,95, ISBN 3-254-00265-2

Der Atlantis Musikbuch-Verlag präsentiert ein neues Buch zum Thema Klavierliteratur. Nach dem sehr verdienstvollen, in mehreren Auflagen erschienenen Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen von Klaus Wolters, überrascht nun Klaus Börner mit der längst überfälligen, hoch willkommenen Geschichte der Literatur für vier Hände an einem Klavier. Er öffnet einem Augen und Sinn für den Umfang und die Vielfalt dieses Genres, das einst Teil der Hausmusik war und sich mittlerweile zu einer vollwertigen, wenn auch schwierigen Konzertdisziplin entwickelt hat und auch auf CD zunehmend zur Geltung kommt.

Bisher informierten vor allem die vom Umfang her begrenzten, mehr oder minder respektablen Darstellungen in verschiedenen Konzertführern und Lexika. Ganzer/Kusche, Vierhändig (1937) machte den Anfang, Georgii, Klaviermusik (1965), der Reclam Klaviermusik Führer (1967, zuletzt1996, 2003) und der beachtliche Harenberg Klaviermusikführer (1998) folgten. Lexikalische Bestandsaufnahmen bieten Hollfelders erfolgreiches Buch, Die Klaviermusik (1989, 1999) und im englischen Sprachraum Ferguson, Keyboard Duets (1995) sowie McGraw, Piano Duet Repertoire (1981). Börner stützt sich auf die bibliographisch nahezu kompletten Angaben von McGraw, begrenzt den riesigen Stoff jedoch auf alles, was – vom heutigen Standpunkt her gesehen – vertretbar ist, und was er einsehen und einbeziehen konnte: aktuelle und vergriffene Verlagspublikationen, Materialien in Archiven und Bibliotheken, die von dort möglicherweise beschafft werden konnten.

Die Werke von über 500 Komponisten aus etwa 30 Ländern und vier Jahrhunderten werden vorgestellt, von den englischen Virginalisten der Renaissancezeit bis zu zeitgenössischen Komponisten Ende des 20. Jahrhunderts. Der Bogen spannt sich von den Hauptvertretern der vierhändigen Literatur: Mozart, J. Chr. Bach, Diabelli, Czerny, Schubert, Schumann, Brahms, Dvorak und Reger bis hin zu Debussy, Strawinsky, Hindemith, Poulenc, Françaix und Krenek. Dazu gesellt sich die erstaunlich große Schar der Komponisten, die nur wenig für Klavier vierhändig schrieben oder schlichtwegs unbekannt sind. Eine musikalische Lanze bricht Börner oft für die unterschätzten Parallelmeister, darunter Johann Wilhelm Wilms, ein Zeitgenosse Beethovens.

Von neueren deutschen Komponisten und ihren Werken aus dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts seien erwähnt – um die Spannweite und die Aktualität des Angebots punktuell zu beleuchten – Klaus Börner selbst, Hans-Jürgen von Bose, Otfried Büsing, Dieter Büwen, Reinhard Febel, Michael Hagemann, Giselher Klebe, Norbert Laufer, Martin Christoph Redel und Stefan Tuschewitzki.

Klaus Börners Erfahrungen als Konzertpianist, Hochschullehrer, Komponist und Juror kommen seinen Darstellungen der Spielliteratur bestens zugute. Die Sprache ist klar und elegant. Komplexe Zusammenhänge erschließen sich mühelos.

Börner bietet gut nachvollziehbare Analysen zum Werk, treffende Wertungen, Notenbeispiele, Hinweise zur Spieltechnik, Angaben zum Schwierigkeitsgrad mit Berücksichtigung von Primo- und Secundo Part. Hilfreich natürlich erweisen sich die bibliographischen Daten, wie Lebenszeiten, Opus- und Werkverzeichniszahlen, Bezugsquellen oder Standorthinweise aller Art. Auf die Angabe von Spielzeiten, sicherlich ein heikles Unterfangen, mochte er sich jedoch nicht einlassen.

Einzelne kulturhistorische Exkurse verdeutlichen den Entwicklungsprozess der vierhändigen Klaviermusik, vor allem die unterschiedliche Akzeptanz in den jeweiligen Epochen.

Der Anhang bringt, mit besagten Angaben versehen, die immens wichtige Unterrichtsliteratur, Kinder-, Volks- und Weihnachtslieder, praktische Sammelbände mit originaler und nicht originaler Literatur, außerdem Werke aus dem Bereich Rock, Pop, Jazz, die immer mehr Eingang finden in die Vorspielpraxis, zum Beispiel bei „Jugend musiziert“. Der große Bereich der Transkriptionen und Bearbeitungen, der ebenfalls zunehmend den Weg ins Repertoire gefunden hat, erfährt lediglich eine tabellarische, jedoch umfangreiche Würdigung. Eine komplette, ausführliche Darstellung bliebe wohl einer gesonderten Veröffentlichung vorbehalten. Selbstverständlich gibt es eine kurze Bibliographie und ein Personenregister.

Börners Kompendium darf als Pflichtlektüre für Pianisten, Pädagogen und Musikliebhaber empfohlen werden. Es wird sicherlich helfen die Disziplin Klaviermusik zu vier Händen an einem Klavier noch besser erfassen und erfahren zu können, als es bisher der Fall war.

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