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Die Karten auf den Tisch gelegt

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Klaus Huber gibt Auskunft über sein Werk und Weltbild
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Ein Jahrzehnt nach Erscheinen der Schriften und Gespräche von Klaus Huber ist nun ein weiterer Band erschienen, in dem der mittlerweile 85-jährige Komponist sein Musik- und Weltverständnis auf beredte Weise zur Sprache bringt. Im Gespräch mit Claus-Steffen Mahnkopf, einem seiner Schüler aus der Freiburger Zeit, äußert er sich zu einzelnen Werken und Werkkomplexen, zu ästhetischen und weltanschaulichen Fragen.

Die Offenheit, mit der er das tut, ist bemerkenswert. Sie beschränkt sich nicht auf die bekenntnishaften Statements zu Kunst, Politik und Menschheitsfragen, die man inzwischen von ihm gewohnt ist, sondern kommt auch da zum Tragen, wo es um ganz konkrete Aspekte des Schaffensprozesses geht. Huber gewährt tiefe Einblicke in seine kompositorische Werkstatt, und wo sich manch Anderer wohl ängstlich zurückhalten und etwas von Betriebsgeheimnis murmeln würde, legt er freimütig alle Karten auf den Tisch.

Darin zeigt sich nicht nur das „Seht her, ich habe nichts zu verbergen“ des erfolgreichen Komponisten, der der Nachwelt einen möglichst ungehinderten Zugang zu seinem umfangreichen Lebenswerk verschaffen möchte, sondern auch ein Charakterzug des langjährig engagierten Pädagogen, für den es ganz selbstverständlich ist, seine handwerklichen Kenntnisse mit anderen zu teilen. Wenn er auch kompositorische, kulturgeschichtliche und philosophische Aspekte im einzelnen sehr detailliert abhandelt, so gelingt es ihm doch immer wieder, sie in sinnvolle Beziehung zueinander zu setzen. Modellhaft geschieht das im Abschnitt über die Zeit: Die Erwägungen über Mikro- und Makrozeit, über logarithmische Konstruktionen und die Fibonacci-Reihe, über kosmische Einheit, individuelles Zeitempfinden und den spekulativen Begriff der antizipierten Zeit bewegen sich alle innerhalb eines einheitlichen geistigen Raums. Alles ist mit allem verknüpft, oder, um einen Lieblingsbegriff von Huber zu benutzen: Es bilden sich Interdependenzen.

Solche Ein- und Ausblicke verdanken sich nicht zuletzt der präzisen Fragemethode des Gesprächspartners, der sich auf eine gründliche Partiturkenntnis abstützen kann und notfalls auch gezielt nachzuhaken versteht. Ein weiterer Pluspunkt ist die gute Lesbarkeit des Texts. Das gesprochene Wort wurde in einen flüssigen Schreibstil umformuliert, wobei der orale Sprachduktus auch noch bei komplizierteren analytischen Sachverhalten durchschimmert und damit Verständlichkeit garantiert. Problematisch erscheint hingegen der bemühte Versuch Mahnkopfs, Hubers Schaffen mit dem von ihm geschäftsmäßig propagierten Logo des Komplexismus zu schmücken. Und für die von Huber hochgehaltene Idee der Transzendenz im Kunstwerk und die damit verwandten Konzepte von Seele und Geist hat Mahnkopf nur ein paar dürre Floskeln übrig – da reden die beiden, die sich in ästhetischen Fragen die Bälle sonst locker zuspielen, verständnislos aneinander vorbei. Bei der Frage, wo das Böse in der Welt zu orten sei, sind sie sich dann wieder einig. Denjenigen, die sich genauere Einblicke in das Werk Hubers verschaffen möchten, bietet dieser an Abbildungen reiche Gesprächsband einen Fundus an wertvollen Informationen. Darüberhinaus liefert er ein Beispiel, wie über Neue Musik im Zeitalter der Globalisierung qualifiziert nachgedacht werden kann.

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