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Bernd Schweinar. Foto: Juan Martin Koch
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Die Szene fordert flexible und zeitnahe Lösungen

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Bernd Schweinar, Geschäftsführer des „Verbandes für Popkultur in Bayern“, im nmz-Gespräch
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Seit 20 Jahren steht er als Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft baye­rischer Musikinitiativen“ vor, die sich kürzlich in „Verband für Popkultur in Bayern“ umbenannt hat: Bernd Schweinar. Anlässlich dieses Jubiläums sprach nmz-Chefredakteur Juan Martin Koch mit dem „Bayerischen Rockintendanten“ über die Arbeit des Verbandes, die Rock- und Popförderung in Bayern und über seinen neuen Hauptberuf, denn seit Anfang des Jahres ist Bernd Schweinar künstlerischer Leiter der Musikakademie Schloss Alteglofs­heim, die schon seit 2003 das Rock.Büro SÜD beherbergt.

neue musikzeitung: Wie wird man eigentlich bayerischer Rockintendant?

Bernd Schweinar: Weil ich vor über zwanzig Jahren einen Konflikt innerhalb der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Musikinitiativen (ABMI) moderierend aus der Welt geschafft habe und verschiedene Grundqualifikationen mein Eigen nennen durfte. Als dann der Freistaat ab 1991 Mittel für Jazz und Rock bereitstellte (aus den frei werdenden Grenzlandfördermitteln), wurde ich gefragt, ob ich das machen will. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt etwa zehn Jahre journalistische und organisatorische Erfahrung, kannte viele aus der Szene – es entstand das, was man heute Networking nennt. Der Terminus Rockintendant stammt nicht von mir, er war ein paar Jahre vorher von der Theaterwissenschaftlerin und langjährigen Geschäftsleiterin des Münchner Feierwerk e.V., Ulla Kart, geprägt worden. Wichtiger als dieser nicht offizielle Titel war die Funktion als solche: Die „Off-Szene“, so die Bezeichnung des damaligen Musikreferenten im Kultusministerium Dr. Dirk Hewig, sollte sich in einer Geschäftsstelle finanziell und inhaltlich selbst organisieren und bekam dafür einen monetären Grundstock. 

nmz: Wie hat sich die ABMI zum heutigen „Verband für Popkultur in Bayern“ entwickelt?

Schweinar: Die ABMI hatte es als losen Zusammenschluss seit 1984/85 gegeben, ab Juni 1989 bestand sie als e.V.-Struktur, 1991 wurde die Funktion eines Landesgeschäftsführers eingeführt. Unter den Gründungsmitgliedern gab es einerseits Musikerselbsthilfevereine, andererseits eine Organisation wie den Rockhaus e.V., der ein hohes Standing mit Mitgliedern wie Thomas Gottschalk oder vielen Mitarbeitern des Bayerischen Rundfunks hatte, aber auch gut ausgestattete soziokulturelle Zentren wie das Feierwerk oder die Musikzentrale Nürnberg, die damals schon mit Mitteln im sechsstelligen D-Mark-Bereich aus dem Jugendamt arbeitete. Diese Heterogenität, auch was die Herkunft von Fördermitteln betrifft, ist bis heute vorhanden, ebenso das gemeinsame Interesse: die Szeneförderung in den Bereichen Infrastruktur, Auftrittsmöglichkeiten, Qualifizierung und mediale Präsenz. Die neue Satzung, mit der heuer die Umbenennung in „Verband für Popkultur in Bayern“ (VPBy) einherging, betrifft vor allem die Möglichkeit für privatwirtschaftliche Szeneförderer, Mitglied zu werden: Clubs, Labels Fachanwaltskanzleien… An der Arbeit ändert sich nichts: Wir sind weiterhin anerkannter Jugendhilfeträger im Bereich der Mädchenförderung und in der Arbeit an Schulen, treten als Anbieter von Workshops, Kongressen und Konferenzen auf und üben unter dem bewährten Namen „Rock.Büro SÜD“ unsere vielfältigen Szenedienstleistungen aus. 

nmz: Welche finanziellen Mitteln stehen dem Büro dafür zur Verfügung?

Schweinar: Im vergangenen Jahr hatten wir eine Bilanzsumme von zirka 430.000 Euro. Davon waren 109.000 Euro institutionelle Förderung aus dem Kunstministerium, der Rest kam über jeweils getrennt abgewickelte Projekte, die zum Teil zeitlich befristet sind und über die Staatskanzlei, aus dem Film- und Medienfonds, aus dem Kultusministerium, über den Kulturfonds, aus EU-Fördermitteln oder von den Bezirken finanziert sind. Die Popfördermittel in Bayern sind nicht riesig, aber solide, und es ist uns gelungen die Themen an verschiedenen Stellen anzusiedeln. Das bedeutet jedoch einen großen administrativen Aufwand, weil jeweils unterschiedliche Bewilligungs- und Förderrichtlinien greifen. Man könnte hier viel Bürokratie sparen und die Energie in die eigentliche Arbeit stecken…

nmz: …die im Bereich der Jugendförderung welche Themen abdeckt?

Schweinar: Da haben wir zum einen das Mädchenmusikförderprojekt „Ohura“, zum anderen „take off“, ein Programm für so genannte „benachteiligte“ Jugendliche, die – aus welchen Gründen auch immer – ohne Lehrstelle dastehen und denen wir über einen Auslandsaufenthalt in Dublin, verbunden mit kreativer Arbeit unter anderem im musikalischen Bereich helfen, sprachliche, berufliche und soziale Kompetenzen aufzubauen. Dieses Projekt ist die internationale Fortführung unseres über viele Jahre erfolgreichen Schulprojektes „BEAM ME UP“ (Berufsorientierung, Team- und Persönlichkeitsbildung mit Musikthemen). 

nmz: Was genau umfasst der Bereich traditioneller Rock- und Popförderung?

Schweinar: Das Veranstalterseminar, das wir seit 1991 anbieten, haben mittlerweile weit über 1.000 Mitarbeiter von Clubs und Festivals durchlaufen. Hinzugekommen sind zahlreiche Fortbildungsangebote wie die dezentrale Reihe GO PROFESSIONAL mit rund 70 Workshops in fast 20 Städten: Erfahrene Praktiker aus der Musikbranche geben ihr Know-how weiter, es geht um Eigenvermarktung, Selbstmanagement, den Umgang mit Labels, mit der GEMA…

nmz: …Stichwort GEMA: Welche Haltung nimmt der Verband hier ein?

Schweinar: Zur GEMA haben wir ein kritisch-konstruktives Verhältnis, wir schwingen nicht die Fahne Bundestagspetition, sondern suchen – dieser Weg hat sich als effizienter erwiesen – den direkten Kontakt und machen im Dialog Verbesserungsvorschläge, klären auf: Wann macht es Sinn, GEMA-Mitglied zu werden? Welchen Vorteil hat es, wenn ich bestimmte Rechte nicht abtrete? Welche Art der Verrechnung ist vorteilhaft? Und natürlich helfen wir auch bei konkreten Abrechnungsproblemen.

nmz: Muss man Mitglied sein, um sich beraten zu lassen?

Schweinar: Nein, nur wenn man als Veranstalter den Rabatt von 20 Prozent auf den GEMA-Rahmenvertrag in Anspruch nehmen will. Das Vereinsmeiern war nie unser Weg. Aus jedem Problem kann man etwas herleiten, was auch einem bayerischen Veranstalter zu gute kommen kann. Es entstehen Präzedenzfälle, die dann allgemein anzuwenden sind. Im Übrigen verstehen wir uns ja nicht als berufsständischer Verband und haben keine einzelnen Musiker als Mitglieder. 

nmz: Mit „BY-on“ betreibt das Rock.Büro SÜD auch ganz gezielt die Förderung von Bands, die das Potenzial haben, im Profibereich Fuß zu fassen. Finanziell steht das Projekt allerdings auf der Kippe, warum?

Schweinar: Das Problem ist die Herkunft der Mittel. Für den Anteil der Staatskanzlei – sie übernimmt den Bereich Künstlerförderung, die Initiative Musik finanzierte 2010/2011 über die Spielstättenförderung die Clubpräsenz – haben wir keinen Fördertitel, sondern sind auf Restmittel angewiesen. Derzeit versuchen wir einen Eigenanteil von 20.000 Euro über Sponsoren zu beschaffen, um auch 2012 wieder 100.000 Euro an Projektmitteln zu legitimieren. Hier zeigt sich einmal mehr, was passieren kann, wenn es an institutioneller Förderung fehlt. Andererseits kann man nicht warten, bis irgendein parlamentarischer Prozess nach Jahren abgeschlossen ist, die Arbeit muss jetzt gemacht werden. Die Szenen und ihre Probleme fordern flexible und zeitnahe Lösungen…

nmz: Das neue Modewort heißt ja Kreativwirtschaft, wäre hier nicht ein Hebel anzusetzen?

Schweinar: Am bayerischen Wirtschaftsministerium sind wir bisher alle gescheitert. Schon Dirk Hewig sagte Ende der 1990er-Jahre: Was ihr macht, gehört eigentlich zur Wirtschaftsförderung. Worauf ich mir dort die erste blutige Nase geholt habe. Kürzlich ging es darum, eine Spielstättenstudie, die von der Initiative Musik für fünf Bundesländer gemacht wurde, auch in Bayern durchzuführen. Dafür wären nur 9.000 Euro an Landesmitteln erforderlich gewesen, aber wir haben aus dem Wirtschaftsministerium kein Geld bekommen. Und nun schmückt man sich mit einer Kreativwirtschaftsstudie… Als ich die zuständige Ministerialrätin bei einer Anhörung in München fragte, ob man schon einmal vorbehaltlich dessen, was sich in der Studie abzeichnet, Mittel in die Planung für den nächsten Doppelhaushalt eingestellt habe, lautete die Antwort: nein. Wir haben also die schizophrene Situation, dass eine Studie finanziert wird, wo man von anderen Bundesländern weiß, dass hier investiert werden soll. Andererseits versäumt es aber das Wirtschaftsministerium, Geld dafür einzuplanen, um Studienergebnisse umzusetzen und riskiert, dass dann wieder zwei Jahre Stillstand herscht! Für die Kreativwirtschaftsförderung ist kaum ein Funke Sensibilität vorhanden.

nmz: Seit Anfang des Jahres sind Sie nun neben Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der VPBy auch künstlerischer Leiter der Musikakademie Schloss Alteglofsheim, die ja seit 2003 Sitz des Rockbüros ist. Wie sind da die Gewichtungen?

Schweinar: Das ist ganz klar geregelt: 75 Prozent meiner Arbeitszeit ist der Akademie, 25 Prozent dem Rockbüro gewidmet, wo ich nur noch für die Finanzen und den kulturpolitisch-strategischen Bereich zuständig bin. Die klare Trennung ist penibel dokumentiert, da meine Bestellung bekanntlich nicht unumstritten war. Wichtig ist die Botschaft, dass die Musikakademie für die externen Gruppen und Verbände aller Genres weiterhin der zuverlässige Gastgeber sein wird. Die Akademie hat jedoch seit kurzem die Schwerpunktvorgaben: Popularmusik – Pädagogik – Neue Medien. Hier bin ich gefordert mit Eigenveranstaltungen neue Akzente für das Haus zu setzen und kann auf ein seit 20 Jahren gewachsenes Netzwerk an potenziellen Partnern und Dozenten bauen. Wie gleich zu Dienstantritt Anfang 2011 gesagt, liegt einer meiner Schwerpunkte im Bereich der Lehrerfortbildung im Kontext zu den Akademieinhalten. Hierfür habe ich ein erstes Herbstprogramm erarbeitet, das außerordentlich gut angenommen wird. Beim Seminar „Musik und Bewegung in der Grundschule“ mit dem Kinderpopstar DONIKKL können wir uns vor Anmeldungen kaum retten. Das „Schulradio Bayern“, zusammen mit der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien, war der Beginn einer perspektivisch-strategischen Zusammenarbeit. Themen wie „Podcast im Schulunterricht“ oder „Videocast an der Schule“ kennzeichnen die Schwerpunktsetzung im Bereich zeitgemäße Medien, die ergänzt wird durch Lehrerseminare zu „Social-Media“ oder „Photoshop-Basics“. Ausgebucht ist auch das Thema „Poetry-Slam für Lehrkräfte“. Weitere in Arbeit befindliche Themen für 2012 befassen sich unter anderem mit Popliteratur, Hörspiel oder Musikvideo im Schulunterricht. Vorausschauend darf ich für den 2./3. Mai 2012 bereits die „Plan! Pop 2012 – Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung“ in der Musikakademie Schloss Alteglofsheim ankündigen. 

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