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Droge LSR

Untertitel
Nachschlag 2013/02
Publikationsdatum
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Wir müssen mal über Drogen sprechen. Ganz offen und ehrlich. Sofern Ehrlichkeit im Haifischbecken der Geldwerte überhaupt eine gewisse Überlebenschance hat. LSR ist die Abkürzung für Leistungsschutzrecht. Das Leistungsschutzrecht schützt in der Musik die Leistung der Musiker bei der Verwertung ihrer Darbietungen. Früher fasste man das unter den Begriff des nachschaffenden Urhebers. Es ging um die Beteiligung derjenigen am Verwertungsprozess, die die Werke der Urheber zu Gehör brachten. Eine ganz vernünftige Sache eigentlich. Ein solches Leistungsschutzrecht beanspruchen nun aber komischerweise auch Verleger. Vor allem Verleger von Zeitungen, Presseverleger. Weil … weil? Weil sie Texte aufführen? Nein, natürlich nicht – die Konstruktion ist irre: Sie wollen von Suchmaschinenanbietern Lizenzgebühren dafür, dass Suchmaschinen Verweise zu ihren Texten ausgeben, wenn man zufällig oder absichtlich nach etwas sucht, was man auch in einem ihrer Presseerzeugnisse finden könnte. Mit anderen Worten, sie wollen dafür honoriert werden, dass man ihre Existenz auch im Internet bemerkt.

Das ist wirklich komisch: Jahrelang haben sich die Verlage in ihren Bemühungen geradezu überschlagen, für Suchmaschinen sichtbar zu sein. Suchmaschinenoptimierung nannte man das, ein eigenartiges Geschäft mit teilweise ebenso eigenartigen Optimierungs-Geschäftemachern. Das Ziel ist ja sehr simpel: Sucht man was, soll man es bei dem Verlag XY finden. Der freut sich normalerweise über den Besuch, denn das zählt für den Werbekunden, der in der Zeitung des Verlages XY Inserate schalten will. Lange koexistierten so Verlage und Suchmaschinen. Beide profitierten voneinander.

Nun ist aber bekannt, dass es der Verlagsbranche nicht so wirklich gut geht. Allein von den Erträgen aus dem Bereich Online kann man nicht leben. Und daher will man die Erträge dort auch optimieren. Warum also nicht versuchen, dort Geld zu machen, wo die Leute sich gewöhnlich herumtreiben, wenn sie auf der Suche nach Informationen, Berichten, Hintergründen und Unterhaltung sind: bei den Suchmaschinen nämlich? Schließlich nutzen die ja ihre Inhalte, indem sie diese darstellen (in Kurzform, als „abstract“). Die Suchmaschinenbetreiber sind aber nicht auf Droge. Sie sagen sich: zur Not geht es auch ohne Verlage. Das Netz ist groß und selten sind die Angebote der Verlage so einzigartig, dass man ohne sie das Netz zumachen müsste. Zur Not würden die Verlage, die auf einer Abgabe bestehen, einfach ausgeblendet.

Damit könnte sich mit umgekehrten Vorzeichen eine Situation wiederholen, die zwischen 1942 und 1944 als „recording ban“ im Bereich des Jazz bekannt wurde – ein Musikerstreik mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen bei den großen Plattenlabels zu verbessern. Ein Ziel, das mit Einschränkungen tatsächlich erreicht wurde. Die Frage ist: Wer hat welche Macht? Es scheint eher, als könnten die Suchmaschinenbetreiber die Verlage unter Druck setzen denn umgekehrt. Vor Jahr und Tag haben die Verlage einmal den Versuch unternommen, eine eigene Suchmaschine aufzusetzen, um ihre Daten auffindbar zu machen. Der Erfolg des Projekts war eher bescheiden. Da es also nicht geklappt hat, versucht man es eben anders. Billiger, demokratisch voll korrekt. Ein Gesetz muss her: Das Muskelspiel geht also bis in den Bundestag. Führende Urheberrechtsexperten lehnen das Gesetz ab, weil es einerseits unnötig ist und ohne dieses Gesetz das Ziel auch durchzufechten wäre; andererseits reiße es unabsehbare Tore für neue Rechtsprobleme auf, analysieren sie.

Schlimmstenfalls geht der Schuss nach hinten los. Ganz ohne Gesetz könnten sich die Suchmaschinenbetreiber dazu durchringen, Geld dafür zu verlangen, dass man Inhalte aus Presseerzeugnissen bei ihnen findet. Ein bisschen wirkt der Kampf für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage wie – jetzt dürfen Sie es sich aussuchen – das Öffnen der Büchse der Pandora oder der Griff ins Klo.

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