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Ein Typ, der immer noch mehr will

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Der Kinderliedermacher und Bühnenkünstler Geraldino
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Eigentlich wollte er ja Knalltütenantriebswellenraketen-Kosmonaut werden. Stattdessen wurde er zum Bundesbahnbetriebsaufseher im nicht-technischen einfachen Dienst ausgebildet. Das klingt auch nicht schlecht, machte aber keinen Spaß. Und „wenn man Sachen machen muss, die einen nicht interessieren, dann macht man Fehler. Das kann in diesem Beruf verhängnisvoll sein“. Also wurde er schließlich Kinderliedermacher. Die Rede ist von Geraldino.

Eigentlich wollte er ja Knalltütenantriebswellenraketen-Kosmonaut werden. Stattdessen wurde er zum Bundesbahnbetriebsaufseher im nicht-technischen einfachen Dienst ausgebildet. Das klingt auch nicht schlecht, machte aber keinen Spaß. Und „wenn man Sachen machen muss, die einen nicht interessieren, dann macht man Fehler. Das kann in diesem Beruf verhängnisvoll sein“. Also wurde er schließlich Kinderliedermacher. Die Rede ist von Geraldino.Eine Turnhalle in Röttenbach, 500-Seelen-Dorf im Fränkischen. Kinderferienprogramm: Vorne auf den Turnbänken drängen sich die Kinder, hinter ihnen sitzen auf Stühlen die Mütter. Mit einfachsten Mitteln ist vorne die „Bühne“ aufgebaut, schön bunt, und in der Mitte prangt groß das Schild: www.geral dino.de. Und dann tritt er auf, sympathisch, quirlig, die (nicht ganz echten) blonden Haare in alle Richtungen abstehend. Offenbar lacht er gerne, über sich selbst, über die Späße, die er macht, über die Antworten der Kinder. Denn er erzählt und singt nicht nur für sie, sondern bezieht sie ins Programm mit ein, lässt sie mitsingen und mitmachen. Er redet mit ihnen und hört ihnen tatsächlich zu. Die Kinder fühlen sich ernst genommen.

Die Themen seiner Geschichten und Lieder sind eine bunte Mischung. Nur eines sind sie nie: pädagogisch. Eher lustig, fantasievoll, manchmal auch träumerisch. Dabei steckt hinter Geraldinos Konzept durchaus ein pädagogischer Anspruch. Er will die Kinder mit Musik(en) vertraut machen, ihre Lust entfachen, selbst etwas auszuprobieren, ihnen zeigen, wieviel Spaß Musik machen kann. Das tut er, indem er ihnen eben vom Knalltütenantriebswellenraketen-Kosmonaut vorsingt, sie den Piratengruß und andere Refrains mitsingen lässt, sie in die Choreografie einbezieht, sie erzählen lässt. Auf der von ihm selbst entworfenen und aufgebauten Bühne entpuppt sich Geraldino als Verwandlungskünstler. Mit einem Minimum an Requisiten wird er vom Pirat zum Monster, vom Erzähler zum Rockstar.

Geraldinos Werdegang vom Weichensteller zum Bühnenkünstler umfasst mehrere Stufen. Am liebsten hätte er nach dem Ausstieg aus dem sicheren Beamtentum das ganze Leben lang studiert. Das tat er dann immerhin vier Jahre lang an der Fachakademie für Sozialpädagogik. Aber Erzieher wollte er eigentlich auch nicht sein, und so erinnert er sich an seine ehrenamtlichen Erfahrungen mit Theater-Workshops für Kinder und beschließt, es mit einem Soloprogramm für Kinder und dem freien Künstlerdasein zu versuchen. Natürlich klappte das nicht auf Anhieb; inzwischen aber kann er gut davon leben. Mit den verschiedensten Partnern realisiert er ganz unterschiedliche Programme: Eine BigBand hat seine Lieder schon begleitet, ebenso arbeitet er auch mit einem Streichquartett. Die Rockband „Plomster“ gehört zu den regelmäßigen Partnern, es kommt aber auch vor, dass er Lieder mit Harfe, mit Geige oder Klavier auf die Bühne bringt.

Seine Texte macht er selbst, dann denkt er sich eine Melodie aus und geht damit zu einem Musiker. Aus der Zusammenarbeit entsteht dann der Song. Obwohl Geraldino auf der Bühne am laufenden Band mit Gitarre, Akkordeon oder Mundharmonika hantiert, sagt er selbst, dass er eigentlich kein Instrument gut spielen kann. Wenn möglich, überlässt er das gerne anderen. Etwa 120 Aufführungen hat Geraldino im Jahr. Dabei tritt er längst nicht mehr nur in seiner fränkischen Heimat auf. Bis in den hohen Norden bringen ihn seine Engagements. Ein fester Stamm von Veranstaltern bucht ihn regelmäßig. Aber das Energiebündel Geraldino ist mit diesen Auftritten nicht ausgefüllt. Daneben produziert er regelmäßig CDs und Bücher – im eigenen Label und im eigenen Verlag. Auch hier ist die Auswahl breit gefächert. Und dennoch: Hat man ihn einmal live auf der Bühne erlebt, entsteht beim Hören seiner CDs sofort der Eindruck, dass etwas fehlt. Die Bühnenpräsenz, die sympathische Ausstrahlung, die Energie Geraldinos lassen sich auf keine CD pressen.

Vor einigen Jahren hat Geraldino zusammen mit anderen Kinderliedermachern ein Netzwerk unter dem Titel „Kindermusik.de“ gegründet. Die Künstler organisieren in ihren jeweiligen Heimat-Regionen Kindermusikfestivals. Nach Kiel wurden die Musiker so eingeladen, nach Hannover, Dortmund, Marburg – und natürlich auch zu Geraldino nach Nürnberg. Aber Geraldino ist nach eigener Aussage „ein Typ, der immer noch mehr will“. Er suchte also einen Sponsor und fand ihn in den „Nürnberger Nachrichten“. So konnte für „Geraldinos Kindermusikfestival“ im Oktober dieses Jahres erstmals ein Preis ausgeschrieben werden. Eine hochkarätige Jury, in der auch Kinder immerhin eine Stimme hatten, wählte aus 25 Bewerbungen eine Hitparade der ersten zwölf aus, die nun auf einem CD-Sampler veröffentlicht sind. Die ersten drei der Riege sind nach Nürnberg eingeladen, wo sie auf mehreren Konzerten ihre Programme präsentieren. In der Nürnberger Tafelhalle schließlich wird das Publikum am 28. Oktober entscheiden, welche Gruppe den ersten Preis erhält. Mit einer Werbeaktion der besonderen Art will Geraldino im Übrigen auf sein Fest aufmerksam machen: am 3. Oktober wird er am Nürnberger Stadtlauf, einem Halbmarathon, teilnehmen. Alle seine Fans sind aufgefordert, „mit Transparenten am Straßenrand zu stehen und mich anzufeuern, damit ich durchhalte“.

Geraldino singt für Kinder, weil sie ein so offenes Publikum sind, die gleich zeigen, ob das, was auf der Bühne passiert, sie langweilt oder fesselt. Aber auch die Erwachsenen kommen bei seinen Auftritten auf ihre Kosten. Sie müssen ebenso mitmachen wie die Kinder – und haben großen Spaß dabei. Dass es den Eltern auch gefällt, ist ihm wichtig. Selbst Vater eines fünfjährigen Sohnes, der öfter mal mit ihm ins Theater geht, „nervt es ihn tierisch“, wenn er sich als Erwachsener dabei langweilen muss. Zurück nach Röttenbach: nachdem er noch den „Rotkäppchen-Hip-Hop“ gesungen und den Kindern eine musikalische Vorstellung davon gegeben hat, auf wie viele verschiedene Arten man in der ganzen Welt „Auf Wiedersehen“ sagen kann, ist Geraldinos Programm aus. Kinder und Eltern belagern noch eine Weile den Verkaufsstand, dann gehen sie langsam nach Hause. Und man weiß nicht genau, wer denn nun eigentlich mehr gelacht hat: die Kinder oder die Eltern.

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