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Gema pro toto

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„Unsere Unternehmenskultur ist geprägt durch respektvollen und offenen Umgang untereinander, durch Wissen und Erfahrung sowie durch Förderung von Eigenverantwortung“ (aus: „Leitbild und Vision der GEMA“, hängt noch im Lift der Generaldirektion – und im Internet).

Während diese Ausgabe der nmz ausgeliefert wird, befinden sich zahlreiche Gema-Angestellte im Streik. Sie wehren sich gegen eine einseitige Festlegung ihrer Gehälter „nach Gutsherrenart“ durch den Vorstand, die schon auf mittlere Sicht eine klare Schlechterstellung bedeutet. Durch einen Vorstand, der sich erst kürzlich selbst mit einem kräftigen Vergütungs-Zuschlag aus dem Etat-Topf der großen kreativen Solidargemeinschaft versorgt hat und der sich anhaltend weigert, mit ver.di als jahrzehntelangem Tarifpartner auch nur Gespräche aufzunehmen.

Es schweigt dazu der Aufsichtsrat, bestehend aus den Vertretern der Kreativen und ihrer Verleger, dem an einem harmonischen, effektiven Betriebsablauf besonders gelegen sein müsste. Gerüchtehalber gibt es ein dreijähriges Moratorium der stark reduzierten Einmischung in die operative Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat, um eine Restrukturierung der Gema nach Gusto des neuen Vorstandes zu ermöglichen. Eine Art Stillhalte-Abkommen samt geduldeten Informations- und Einfluss-Defiziten, deren Tragweite neulich mittels einer Vorstands-Einladung der („Aufsichts?“)Räte an einen hübschen bayerischen See unter der Moderation eines Schweizer Mediators gemildert werden sollte. Soviel zum Thema „respektvoller, offener Umgang“ und „Eigenverantwortung“ Gema-intern.

Nun wäre dies eine Nachricht im Wirtschaftsteil unseres Blattes wert, stünden die sich abzeichnenden „neuen“ Strukturen des „Kulturpartners“ Gema nicht als Menetekel für all das, was uns im Musik- und Kunstbereich unmittelbar ins Haus dräut. „Musikkultur ist bei der Gema jetzt Chefsache“ – tönte Harald Heker vor einem halben Jahr in der nmz. Seither präsentierte man sich glamourös und mit für Urheber höchst fragwürdigem Konzept auf der „Bravo-Supershow“, finanzierte proper fünfstellig einen Popkomm-Evening und bestückte die „Interkarneval“ in Köln opulent mit entsprechendem Personal. Wo es in letzterer Beziehung langgeht, verdeutlichen die Stellenausschreibungen der Gema. Wir sind gern behilflich: Gesucht werden – natürlich beidgeschlechtlich – Marketing-Manager und Leiter für Kooperationsmarketing und Events. Augenscheinlich will die Gema jetzt mit der Veranstaltungswirtschaft in Konkurrenz treten und (nach welchen Kriterien?) die Opera ihrer Schutzbefohlenen geldwert zum Klingen bringen. Für Musikwissenschaftler stehen immerhin Praktikumsplätze offen. Wird ja auch Zeit, dass die mal was Anständiges lernen. Jüngster Kultur-Coup ist – gemeinsam mit der GVL – die Bewirtschaftung der so genannten Kampeter-Million namens „Initiative Musik“. Hierüber steht an anderer Stelle Vielseitiges in dieser Ausgabe. Nur soviel sei hinzugefügt: Bei diesem Topf handelt es sich nicht um „frisches“ Geld, sondern um Mittel der Bundeskulturstiftung. Sie werden jetzt unter rarer Gnade der Selbstbewirtschaftung in den Kreislauf vorwiegend der (Pop)Musikindustrie gepumpt. 150.000 Euro gibt jährlich die Gema. Und mit hundert Euro Anteil hat sich auch der Deutsche Musikrat solidarisch in diese feine Gesellschaft eingekauft.

Die gesetzmäßige Mittelverwendung im Aufsichtsrat der „gGmbH Initiative Musik“ beaufsichtigen gewählte Beaufsichtiger gleich selbst: Steffen Kampeter (CDU) und Carsten Schneider (SPD) sind im Bundestag auch verantwortlich für entsprechende Mittelbeantragung und Mittelkontrolle. Dann kann ja nix mehr schief laufen. Eine in unserer Verfassung vorgesehene Gewalten-Trennung entspricht ohnehin nicht mehr dem frischen Geist unserer Berliner Lobby-Republik.

Zudem erweist sie sich als hinderlicher Stolperstein bei der Überführung unseres Kulturlebens in die goldene Zukunft der Creative Industries. Weg mit den alten Kulturzöpfen, dem ganzheitlichen Bildungs-Gelaber, der Chimäre Kunstfreiheit: Economy ru-les. Nach dem Zusammenbruch der alten Schlüsselindustrien bieten sich die so genannten weichen Standort-Faktoren, Kunst und Kultur, als neue Fischgründe für die Fang-Maschinerie der globalen Kapital-Vermehrer wohlfeil an. Es ist eindeutig, wer hier die Spielregeln bestimmt.

Kreativität als Dienstleistungs-Faktor mit bester Rendite. Der Urheber nach amerikanischem Modell als käufliches Wesen. Was National- und sonstige real oder irreal herrschende Sozialisten erreicht haben – die totale Einverleibung der Kultur in ihr jeweiliges Gesellschaftsmodell – weshalb sollte das der Ökonomismus nicht schaffen?

Nehmen wir uns ein Beispiel an Universitäten und Hochschulen, die ihre – zugegebenermaßen gelegentlich missbrauchte – Freiheit von Forschung und Lehre immer lieber durch Benchmarks, Rankings und all die anderen Segnungen wirtschaftlicher Weltsicht optimieren lassen. Und nehmen wir uns ein Beispiel an der zweiten Generation von New Economy im Internet: nichts boomt derzeit besser, wobei man die selbstgewählten Avatare mangels Herz und Hirn dann eben mit zweihundert Ellenbogen ausstattet.

Unbeirrbar auf dem Weg in ein solches Gesellschaftsmodell scheint eben die einstige Solidargemeinschaft unserer Wort- und Tonschöpfer samt ihrer Verleger.

Eine ernsthafte Beschäftigung mit Kultur, mit Kunst jenseits von Markt, Masse und Ware findet bei der Gema spürbar nicht mehr statt. Nachdem das Alleinstellungsmerkmal des kulturellen Engagements als Argument für die monopolähnliche Position hierzulande schon unter europäischen Konkurrenz-Klausel-Aspekten wohl bald wegfällt, rüstet man sich vielleicht schon für den Börsengang. Harald Heker als Shooting Star der Kreativ-Industrie?

Seine Abfindungs-Summe im Fall einer Trennung stiege ins Ackermännische. Und in die Röhre gucken all jene – natürlich selbstverschuldet ökonomisch nicht ganz so erfolgreichen – Komponisten, Textdichter und Verleger. Und die Belegschaft.

Der Deutsche Musikrat hat sich die „Creative Industries“ als Thema für seine Generalversammlung erkoren. Man darf gespannt sein, wie der Hundert-Euro-Gesellschafter eines Joint Ventures mit seinem Mitglied Gema sich zu konstruktiven gemeinsamen Wertvorstellungen, Sprach- und Sachregelungen durchjongliert.

Lesenswertes zum Thema

Thomas Gross:
Kunst kommt von Rechnen. Auf der Popkomm spielen Idealisten keine Rolle mehr. Aus Künstlern werden Geschäftsleute der so genannten Kreativ-Industrie.
Die ZEIT vom 21.9.07

Hans Herwig Geyer:
„Säulen der GEMA-Kommunikation“ http://www.gema.de/presse/fachaufsaetze

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