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Album „Charlie Haden – Jim Hall“
Album „Charlie Haden – Jim Hall“
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Höhenflüge der Tieftöner

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Marcus A. Woelfle
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Neue Aufnahmen mit und von Johannes Ochsenbauer, Kenny Barron, Dave Holland, Charlie Haden, Jim Hall

In den ersten Jahren der Jazzgeschichte waren Duos selten. Fast immer waren es die Könige des Jazz, die das Wagnis eingingen, und das selten genug: King Oliver & Jelly Roll Morton, Louis Armstrong & Earl Hines, Joe Venuti & Eddie Lang sowie Jimmy Blanton & Duke Ellington. Wer im Duo musiziert, braucht von den Jazzertugenden Reaktionsgeschwindigkeit, Konzentriertheit, Kreativität, Disziplin noch eine Extraportion und kann kaum verbergen, wenn es daran hapert. Er ist nackt ausgestellt. Es ist kaum ein Geheimnis, warum heute so viele Jazzmusiker im Duo musizieren. Durch die Finanznot von Veranstaltern und Musiker verkommt, was Kür der Könner sein sollte, zur Pflicht der Pfuscher. Ganz ihrem Wesen entsprachen aber solche Kleinstformationen dem Gitarristen Jim Hall und, zumindest ab Mitte der 70er-Jahre, auch Charlie Haden. Was als Gedenkstein für das 2013 verstorbene Gitarrengenie Jim Hall gedacht war, geriet zum Ehrenmal für den Bassisten Charlie Haden, der ihm ein halbes Jahr später ins Grab folgte. Bei dieser intimen Zwiesprache standen die beiden Lyriker 1990 in Montréal vielleicht erstmals im Duo auf der Bühne. Es wäre daher verfehlt, Halls Duos mit dem kongenialen Ron Carter als Maßstab zu nehmen, der ein häufiger Spielgefährte war. Haden agiert eher vom Hintergrund aus, begleitet vorsichtig nach dem Motto „weniger ist mehr“, setzt auch streckenweise ganz aus, aber wie wunderbar hellhörig nimmt er Halls Wendungen vorweg, verankert alles in tiefer Ruhe mit seinem warmen Sound. Mit dem herzerwärmenden Album „Charlie Haden – Jim Hall“ feiert das Label Impulse nach 10 Jahren ein Comeback (Impulse/Universal).

Goethes Beschreibung des Streichquartetts als Ideal eines Gesprächs vernünftiger Leute ließe sich leicht auf das Jazzduo Kenny Barron/Dave Holland münzen. Wodurch gelingt hier die im CD-Titel („The Art Of Conversation“) benannte Kunst der Konversation so mustergültig? Da treffen sich zwei gleichermaßen eloquente, intelligente, sensible Partner ohne Führungsanspruch auf gleicher „Ohrenhöhe“. Und dass sie paritätisch je vier Originals einbringen kann auch kein Zufall sein. Dass Barron stilistisch konservativer ist als Holland weiß man mehr als dass man es hört, bringt aber ein Fünkchen Spannung. Bevor sie 2012 das Duo gründeten, haben sie seit etwa 30 Jahren miteinander musiziert – das gibt Grundvertrauen –, aber nur selten lässt das Überraschungen viel Raum. Sie haben das Album im Gegensatz zur leider üblichen Praxis zwei Jahre nach der Gründung des Duos aufgenommen: das Gespräch ist schon vertieft. Beide unterhalten sich über alte und (überwiegend) neue Konversationsthemen, ganz ohne Ego-Trips von sich und liebevoll von anderen. Dave Holland verabschiedet sich von Kenny Wheeler. Dass Monk, dem Barron ein Stück widmet, vier Tracks weiter mit einem Stück vertreten ist, dass er Bud Powell gewidmet hat, erinnert daran, wie man im Gespräch zwanzig Minuten später wieder auf einen gemeinsamen Freund zurückkommt. Man hört belehrt und amüsiert zu, und ja, in Balladen wie „Daydream“ oder das von Barron für die CD komponierte „Rain“, mit feuchten Augen. Ach, wären doch alles Gespräche wie dieses! (Impulse/Universal)!

Hatte Johannes Ochsenbauer schon vor vier Jahren mit „Bass Player’s Delight“ nicht zu viel versprochen, hat er nun mit „Secret Bass Hits“ alle Versprechen eingelöst. Recht entlegene Kleinode aus der Feder der großen Kollegen Pettiford, Mingus, Chambers, Swallow, Haden, Mraz und Israels werden von ihm mit dem expressiven Saxophonisten Harry Sokal und dem gelegentlich zum Vibraphon greifenden Pianisten Tizian Jost, dem Meisterdrummer Mario Gonzi und in zwei Stücken dem Trompeter Claus Reichstaller furios zum Swingen gebracht. Ochsenbauer ist ein echter Bassist, kein verkappter Hochgeschwindigkeitscellist, der nur die oberen Lagen kennt. Wie bei Ray Brown ist jeder satte, tiefe Ton ein Anker in der Brandung und wie Oscar Pettiford erzählt er mit jedem Solo eine Geschichte. Wer sich ernsthaft für den Kontrabass im Jazz interessiert, kommt an den Alben des jungen Bayerischen Bassisten nicht mehr vorbei (Alessa).

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