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Keine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit

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Ein Phänomen in der Berliner Szene: das Mädchen Rosa und „Männer“
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Rosa Jansen war vor vier Jahren ein neunjähriges Mädchen, das das Glück gute Kontakte zur Berliner Kultur-Underground-Szene hatte. Anfang Mai 1996 bekam sie Wind von einer Aktion einiger Musiker: Klaus Weber, Martin Ebner und Nicolas Siepen. Sie nannten sich Zigarettenrauchen, weil das ihre Sensibilität gegenüber sozialen Handlungen verbildlicht, und ihre Aktion namens „11 Tage des didaktischen Liedes“ basierte auf der Frage: „Und was, wenn der Komponist oder allgemeiner der Autor einfach aus seinen Funktionen entlassen würde?“ Ja, was?

igaretten Rauchen feat. Rosa: Männer (Monika/Columbia/Sony) Rosa Jansen war vor vier Jahren ein neunjähriges Mädchen, das das Glück gute Kontakte zur Berliner Kultur-Underground-Szene hatte. Anfang Mai 1996 bekam sie Wind von einer Aktion einiger Musiker: Klaus Weber, Martin Ebner und Nicolas Siepen. Sie nannten sich Zigarettenrauchen, weil das ihre Sensibilität gegenüber sozialen Handlungen verbildlicht, und ihre Aktion namens „11 Tage des didaktischen Liedes“ basierte auf der Frage: „Und was, wenn der Komponist oder allgemeiner der Autor einfach aus seinen Funktionen entlassen würde?“ Ja, was? Dann entsteht in diesem Falle eine CD mit allerlei kuriosen Klängen, denn für jene elf Tage hatten Zigarettenrauchen ein Studio geöffnet, auf dass alle, die Lust haben, dort hin kämen zum Zusammensitzen und Musikaufnehmen. „Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist aufgehoben“, hieß es in einer Erklärung zu der Aktion. Für Rosa, die sich gerade einen Text mit dem Titel „Männer“ ausgedacht hatte, bauten Zigarettenrauchen in diesen Tagen einen schicken Soul-Loop, über den die Neunjährige nun skandierte: „Schau sie nicht an, die Männer, denn es sind doch sowieso nur Penner.“ Der langsame Beat in Verbindung mit dem naiven Liebreiz, mit dem Rosa alle möglichen, längst in den Alltag gesackten Emanzipationsphrasen in ein paar Zeilen auffing, geriet zum Hit auf der CD. In der Berliner Szene kursierte das Lied wie verrückt, und das ebenfalls in Berlin ansässige Label Monika Enterprise von Gudrun Gut, einst bei der NewWave-Band Malaria, presste den Song auf eine zitronengelbe Vinyl-Single. Drei Jahre später erklang „Männer“ plötzlich im populären Berliner Radio Fritz, mehrfach. Es zähle zu ihren zwei tollsten Erlebnissen, als sie „Männer“ das erste Mal im Radio gehört habe, schreibt Rosa in ihrem Steckbrief, und in den Fritz-Charts schoss die Nummer „von 0 auf 5“. Aber da die Trennung zwischen Entertainmentindustrie und Kulturuntergrund mittlerweile häufiger aufgehoben scheint als die zwischen Arbeit und Freizeit, entdeckten bald die Talentscouts großer Plattenfirmen „Männer“. Das Monika-Label konnte sich in Ruhe das sauberste Lizensierungsangebot auswählen und somit die Neuveröffentlichung als CD-Single steuern, von der aus rechtlichen Gründen notwendigen Bearbeitung der Aufnahme durch den befreundeten Produzenten Stefan Betke bis zur Auswahl der weiteren Tracks. Für den Discomix gewann Gudrun Gut Justus Köhncke von den ebenfalls in allen Szenen respektierten Düsseldorfer Whirlpool Productions.

Alle Beteiligten, außer ein paar Fundamentalisten, sind bis auf weiteres rundum zufrieden. Was ein bisschen unheimlich ist. Denn „Männer“ von Sony ist die Arbeitsversion, das Original als Sammlerstück, das diejenigen, der es besitzen, nur noch privat hören und vorspielen mögen, ist die Fassung für die Freizeit.

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