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Kleinere Kultureinrichtungen als Wirtschaftsfaktor

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Das Dresdner Institut für Orientierungswissen beweist Effektivität mit aktueller Studie
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Kleine und mittelgroße öffentlich geförderte Kultureinrichtungen sind für ein breites Spektrum der kulturellen Angebote unverzichtbar, weil sie sich um Projekte und künstlerische Richtungen kümmern, die von kommerziellen Veranstaltern nicht ohne Weiteres realisiert werden können. Ein Vorurteil ist jedoch, dass der durch diese Kleinkultureinrichtungen erzielte kulturelle Nutzen teuer – nämlich mittels der jeweiligen öffentlichen Förderungen – erkauft sei.
Eine Studie des Dresdner Instituts für Orientierungswissen zeigt, dass gerade diese kleinen und mittleren Kultureinrichtungen sehr große wirtschaftliche Effekte erzielen. Das Institut befragte 2005 insgesamt 37 Dresdner Kultureinrichtungen. Es konnte nun mit dieser Studie zeigen, dass kulturelle Arbeit „harte“ wirtschaftliche Effekte hat, dass also die Subvention von Kultur eine ausgesprochen rentable Investition ist. Zum anderen konnte es nachweisen, dass dies nicht nur auf die großen Häuser, sondern eben in besonderem Maße auch auf die kleineren Kultureinrichtungen zutrifft. Von daher, so der Philosoph und Leiter des Institutes sowie auch der Studie Dr. Helmut Gebauer, „sollte man auch kommunale Kulturförderung, die 2006 in Dresden etwa 60 Millionen Euro betrug und sich 2005 etwa auf gleichem Niveau bewegte, als Investition mit nachweisbaren wirtschaftlichen Effekten ansehen.“
Betrachtet wurden für die Studie vier Indikatoren: Wertschöpfungs-, Einkommens-, Investitions- und Beschäftigungswirkungen.

Die Einkommenswirkungen in ihrer volkswirtschaftlichen Verflechtung, also der Beitrag zum Bruttosozialprodukt Dresdens, lag Gebauer zufolge bei etwa 105 Millionen Euro, wobei 37 Millionen Euro über externe Wirkungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe und deren Lieferanten und so weiter entstanden. Die Beschäftigungswirkungen in diesen externen Sektoren, die mehr oder minder kapitalintensiv produzieren, lagen bei über 1500 vollwertigen Arbeitsplätzen. Da die Schätzungen, so Gebauer, konservativ durchgeführt wurden, und einige plausible Effekte nicht quantifiziert werden konnten, liegen die Wirkungen vermutlich noch weit höher. „Bezüglich der Einkommenswirkungen ist dann von mehr als 150 Millionen Euro auszugehen“, sagt Gebauer. „Wer würde nicht gern in eine Aktie investieren, die in einem Jahr um fast 300 Prozent steigt?“, fragt Gebauer angesichts der Konstellation von einem Budget des Dresdner Kulturamtes 2005 von etwa 60 Millionen Euro und der Einkommenswirkung von mehr als 150 Millionen Euro.

Damit ist klar: Die Rendite der kommunalen Kultursubventionen ist beachtlich und kann sich mit Wirkungen der direkten Wirtschaftsförderung in anderen Sektoren durchaus messen. Dies liegt besonders an den enormen externen Effekten: Das Gast- und Gastronomiegewerbe profitiert in seinen Umsätzen beispielsweise mit mindestens 25 Cent aus jedem ausgegebenen Euro eines durchschnittlichen Kulturbesuchers.

Die Ursachen für diese großen wirtschaftlichen Effekte liegen in der Spezifik dieses kulturellen Feldes. Ehrenamtliche Tätigkeit und die zum Teil extreme Selbstausbeutung der Beschäftigten und Künstler sind für viele kleinere Kultureinrichtungen die eigentliche Existenzgrundlage und tragen natürlich erheblich zur Kostensenkung bei. Ein solches Engagement ist häufig auch unerlässlich, um einen qualitativ hohen Kulturbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Existenz der Kultureinrichtungen, insbesondere getragen durch ehrenamtliche und unterbezahlte Leistungen, lösen also Folgeeffekte aus, die weit höher sind als der Arbeitsaufwand der Betreffenden, denn ein Großteil der Arbeitsplätze und Einkommenswirkungen wird im Hotel- und Gastronomiegewerbe sowie in andere Branchen erzeugt. Die kleineren und mittleren Kultureinrichtungen selbst profitieren jedoch leider nicht von dieser Rendite. Und weder in den genannten Gewerben noch in der Haushaltspolitik wird das wirklich wahrgenommen.

Das sei besonders deswegen bedauernswert, weil die kulturellen Nutznießer von Subventionen für kleinere Kulturveranstalter überwiegend die Bevölkerung des Dresdner Einzugsgebietes ist – im Gegensatz zur Hoch-Kultur und deren großen Häusern, wo mit den Finanzzuwendungen in erheblichem Maße den gut betuchten Touristen der Zutritt zu „Semperoper & Co.“ erleichtert wird.

„Eines ist sicher“, betont Dr. Helmut Gebauer: „Im Unterschied zum Besuch von Eventkultur setzt der Besuch von Kulturveranstaltungen insbesondere der kleineren Einrichtungen kulturelle Bildung voraus.“ In kulturelle Bildung müsse Gebauer zufolge erheblich mehr investiert werden. „In Dresden wird in einem viel zu starken Maße der Mythos, Kulturstadt zu sein, zelebriert, anstatt wirkliche Kultur zu leben – von moderner Kultur ganz zu schweigen.“

Dabei werden – auch das ist ein Ergebnis der Studie – gerade den kleinen und mittleren Kulturveranstalter systematisch Steine in den Weg gelegt.

So verschwindet im Falle vieler Dresdner Kulturveranstalter etwa die knappe Hälfte der Fördersumme wieder in anderen Haushalten und geht für Steuern und andere Abgaben drauf – kommt also gerade nicht den Künstlern und deren Projekten zugute. Da kommt es vor, dass die erfolgreiche Sponsorenakquise mancher Einrichtungen im Nachhinein vom Finanzamt als wirtschaftliche Einnahmen bewertet und plötzlich rückwirkend mit 16 Prozent (statt mit 7 Prozent) versteuert werden soll. Die Ausländersteuer, gestützt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, muss unabhängig davon bezahlt werden, ob die Künstler ihre Einnahmen in ihrem Herkunftsland noch einmal versteuern müssen. Für alle auftretenden Künstler sind Abgaben an die Künstlersozialkasse zu entrichten, völlig unabhängig davon, ob sie in der KSK sind oder nicht – auch für ausländische Künstler, auch für Musikstudenten.

Richtig schwer wiegen die Abgaben an die GEMA, zumal, so Gebauer, die wenigsten Künstler – die Veranstalter schon gar nicht – eine Gegenleistung erhalten. Der Jazzclub Neue Tonne Dresden berichtet von Fällen, dass Musiker für die Aufführung von eigenen Werken in der Dresdner „Tonne“ auch nach drei Jahren von der GEMA dafür überhaupt kein Geld gesehen haben oder, nach mehreren Nachfragen, gerade mal zwölf Euro, obwohl der Jazzclub in allen Fällen die GEMA-Gebühren in vollem Umfang abgeführt hatte.

Kein Wunder, wenn solche kleinen und mittleren Kultureinrichtungen – unter der Finanzlast stöhnend – auch als kräftig angezapfte Geldquellen für das Sozialsystem oder als Unterhaltshilfe für eine Bürokratie gesehen werden können.

Das sei, so Gebauer, zwar nicht de jure so, aber de facto. Die entsprechenden Urteile, so der Philosoph, zielen zwar darauf, gleiche Bedingungen für alle Künstler herzustellen und nicht zum Beispiel deutsche Künstler gegenüber ausländischen zu benachteiligen. Ähnlich ist die Argumentation im Umgang mit den Abgaben an die KSK. Aber: „Die kleineren Kultureinrichtungen können dies nicht – wie zum Beispiel kommerzielle Veranstalter oder die großen Einrichtungen – über erhöhte Preise an den Zuschauer beziehungsweise Besucher weiter geben.

Entweder der kleine Veranstalter streicht durch den finanziellen Druck einige eigentlich geplanten Veranstaltungen, so dass weniger Künstler als andernfalls möglich auftreten können, oder aber er drückt die Gage. Verlierer sind in jedem Falle jene, in deren Interesse Recht gesprochen und scheinbar Gerechtigkeit hergestellt wurde: die Künstler, insbesondere jene in den Bereichen, die die kleineren Kultureinrichtungen ausfüllen.“ Gebauer: „Die leben nicht selten an der Armutsgrenze, egal, ob sie aus Dresden oder Sizilien kommen.“
Dass mit den kleinen und mittleren öffentlich geförderten Kultureinrichtungen gerade jene „geschröpft“ werden, die überwiegend ehrenamtlich oder stark unterbezahlt arbeiten und deren wirtschaftliche „Rendite“ der Gebauer-Studie zufolge verblüffend groß ist, ist weder kulturpolitisch noch wirtschaftlich und erst recht nicht moralisch vertretbar.

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