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Kommentar: Scheinheiliger Aufschrei

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Barbara Haack zum Notenkopieren
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Ein vorweihnachtliches Wunder hat uns ereilt: Plötzlich interessieren sich alle für frühmusikalische Bildung in unserem Land. Auch solche Medien oder Politiker, die sich bisher nicht unbedingt für das Thema stark gemacht haben. Konkret geht es um das Singen in Kindergärten. Glaubt man so mancher Politikeraussage, dann soll den lieben Kleinen zukünftig das Singen verboten werden. Schuld daran ist – sie eignet sich so gut als Missetäter – die GEMA, die Tausende von Kitas angeschrieben und ihnen eine Vergütungsvereinbarung für das Kopieren von Noten angeboten hat.

Fakt ist zunächst: die GEMA hat dies – als stärkere Schwester – im Auftrag der VG Musikedition getan, in deren Kompetenzbereich die Vergütung von Notenkopien fällt. Zugegeben: Die VG Musikedition bekleckert sich in ihrem Kommunikationsverhalten nach außen nicht gerade mit Ruhm. Aber dass sie, wie zum Beispiel die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner behauptete, die Kindergärten für das Singen von Liedern zur Kasse bitten will, ist kompletter Unsinn. Es geht um das Kopieren von Noten.

Und die Kindergärten, die keine Noten kopieren wollen, müssen die vorgeschlagene Jahrespauschale von 56 Euro für 500 Kopien auch gar nicht bezahlen. Wenn nun aber jemand, seien es Erzieher oder auch Eltern, von kopierten Noten singt, dann ist eine solche Abgabe, die auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruht, wohl angemessen. Der Aufschrei, der durchs Land ging, zeigt mindestens zweierlei: Das Bewusstsein für die – in der Regel alles andere als rosige – Lage von Komponisten oder Textdichtern ist in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor gering. Zum anderen: Wenn wir im­mer dann, wenn es gilt, die Fahne für das Musizieren in vorschulischen Einrichtungen hochzuhalten, so viel Zuspruch erleben dürften (auch da, wo es zum Beispiel um öffentliche Gel­der geht), dann sähe es um die musikalische Bildung hierzulande anders aus.

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