Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kultur fest in der Community verankert

Untertitel
Janos Starker beim amerikanischen SummerFest La Jolla beim Cellofestival Kronberg
Publikationsdatum
Body
Die Parallelen sind verblüffend: Ein wohlhabender Vorort, etwa 15 Autominuten von einer Metropole entfernt, über die man gern spottet, sie sei eigentlich keine wirkliche Großstadt; ein Kammermusikfestival, zu dem regelmäßig die bedeutendsten Musiker der klassischen Welt kommen; Einheimische, die sich mit diesem Fest identifizieren, Musiker wie Besucher herzlich empfangen und verwöhnen und für eine Atmosphäre sorgen, die bei den „großen“ Festivals dieser Welt so nicht mehr möglich ist. Kronberg im Taunus? Nein! Diesmal ist die Rede von La Jolla, einem Vorort der südkalifornischen Grenzstadt San Diego, wo sich im August 1999 zum 14. Mal Geiger und Cellisten, Holzbläser und Pianisten zum SummerFest trafen, einem entspannten Sommerfestival, das zu den Geheimtipps der US-amerikanischen Musikszene zählt und im internationalen Vergleich wohl den Aktivitäten der „Kronberg Academy“ am ähnlichsten ist, wie die hiesige Kammermusikakademie seit neuestem offiziell heißt. „Ich reise kaum mehr“, murmelt Star-Cellist Janos Starker, der während des SummerFest etliche Glückwünsche zu seinem 75-jährigen Geburtstag ertragen musste – wie er selbst dies ausdrückt, der das öffentliche Feiern eher hasst. „Allein die Vorstellung, ein Flugzeug zu besteigen und einige Stunden lang keine Zigarette rauchen zu können – das habe ich nicht nötig,“ schimpft er auf die Verordnungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde und steckt sich den nächsten Glimmstengel an. „Am liebsten spiele ich heute auf Festivals, zu denen ich gleich für mehrere Tage eingeladen werde, bei denen ich nicht nur spiele, sondern auch Freunde treffe.“ Starker zählt zu den bedeutendsten Cello-Virtuosen des 20. Jahrhunderts, neben seiner Konzerttätigkeit aber ist er vor allem auch als Pädagoge bekannt. In La Jolla spielte Starker unter anderem die dritte von Bachs Cellosuiten. Sie scheint wie für diesen nüchternen Musiker gemacht, dessen Intonation das Instrument singen lässt, aber doch jeden Ton klar prononciert, nirgends Unklarheiten in der rhythmischen oder melodischen Komposition zulässt. In Kronberg wird er zusammen mit dem Kiev Chamber Orchestra Ernst von Dohnanyis Konzertstück für Violoncello und Orchester D-Dur op. 12, oder im Duo mit dem Pianisten Zoltán Kodály Béla Bartóks Rhapsodie aufführen. Die sympathischen Seiten des SummerFest in La Jolla finden sich aber nicht nur in der Musik, den Workshops oder den intelligenten öffentlichen musikalischen Gesprächen und Vorträgen. Sie finden sich vor allem in der Identifikation der Bevölkerung des kleinen kalifornischen Küstenorts mit dem Konzept hinter dem Festival. Einer der Hauptsponsoren erklärt, wie wichtig allen Geldgebern die künstlerische Unabhängigkeit des Festivals sei: „Es ist nicht so, dass wir nur das Althergebrachte, das Konventionelle hören wollen. Vor einigen Jahren wurde sogar aus der ‘community’ heraus verlangt, dass das Programm etwas moderner gestaltet werden solle. Der letzte künstlerische Leiter wollte etwas zu sehr auf Nummer sicher gehen. Wir haben ihn dann dazu gebracht, mehr Musik aus dem 20. Jahrhundert zu spielen. Wenn überhaupt, ist der Einfluss der Geldgeber also eher einer hin zur Kreativität der künstlerischen Macher. Schließlich: Sonst hätten wir auch kaum Künstler wie David Finckel und Wu Han in die Rolle der künstlerischen Leiter des Festivals bekommen.“ Cellist David Finckel (festes Mitglied des Emerson String Quartet) und seine Lebensgefährtin, die Pianistin Wu Han, übernahmen in diesem Jahr zum zweiten Mal die künstlerische Leitung des SummerFest. Ihren Kontakten ist es zu verdanken, dass La Jolla zu einem weit über die Region hinaus beachtenswerten Festival geworden ist. Finckel weiß um die Vorzüge von La Jolla. „Ich habe kaum sonst wo ein Festival erlebt, dass so in der ‘community’ verankert ist, wie das hier der Fall ist,“ sagt er und meint mit diesem fast unübersetzbaren Begriff die Identifikation, die die Bewohner des kleinen Ortes mit dem Festival verbindet. „We are proud of our festival“, sagen einem die einheimischen Konzertbesucher immer wieder – und meinen damit nicht nur eine gute Bettenbelegung, sondern auch die Qualität der Konzerte. Und da sind wir wieder bei den erstaunlichen Parallelen zwischen dem Taunusstädtchen Kronberg und dem Pazifik-Paradies La Jolla, die fast 14 Flugstunden voneinander entfernt sind und die neun Stunden Zeitverschiebung voneinander trennt. Festivals wie das Cellofestival Kronberg oder das SummerFest La Jolla sind nur dort möglich, wo alle Beteiligten ihr Engagement – von den Finanzen bis hin zum persönlichen Einsatz – nicht vom kommerziellen Erfolg der Veranstaltung abhängig machen, sondern vor allem von der Liebe zur Musik, von der ganz persönlichen Freude darüber, ein schönes Fest im eigenen Ort zu feiern. Janos Starker, der in La Jolla gern darüber klagte, wie ungern er eigentlich reist, freute sich bereits auf Kronberg. Die von Raimund Trenkler initiierte Biographie, die aus Anlass des Cellofestivals in Kronberg erscheint, macht ihn ein wenig verlegen – er will nicht im Mittelpunkt stehen. Aber stolz ist er schon auf sein Werk und auf die Freunde, die er sich durch seine Musik gemacht hat. In Kronberg wird er neue Freunde finden und in der entspannten Atmosphäre der Kronberg Academy ein Festival mit Charme. Das 4. Cello-Festival findet vom 21. bis 24. Oktober in Kronberg im Taunus statt. Informationen: Kronberg Academy, Königsteiner Straße 5, 61476 Kronberg im Taunus, Tel. 06173/95 00 85, Fax 06173/95 00 86, E-Mail: IKACello [at] aol.com (IKACello[at]aol[dot]com)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!