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Kultur-Ratio – Rundfunk auf dem Abstellgleis

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Vor kurzem erklärte der Intendant des SWR, Peter Boudgoust, dass sein Sender in den nächsten zehn Jahren 15 Prozent seines Etats einsparen wolle. Dies geschehe nicht nach dem Rasenmäherprinzip, sondern selektiv. In einigen Bereichen spare man mehr ein, so dass andere Bereiche weniger bluten müssten. Stärker mäht der selektive Rasenmäher im Kulturradio, über dessen positive Entwicklung, was die Hörerzahlen und die Alterstruktur angeht, Johannes Weiß im Gespräch mit Andreas Kolb (oben stehend) berichtet. Wie soll man das interpretieren?

Es ist eine bedauerliche Entwicklung! In einem Bereich, der ohnehin schwer zu beackern ist, dem Kulturbereich, bei dem der SWR anscheinend wirklich erfolgreich zulegt, ohne sein Programm zugleich im Niveau auf ein niedrigeres Level zu senken, wie es vor allem im Norden und Osten Deutschlands die „Kulturwellen“ probieren, investiert man nicht und baut in der Qualität aus, sondern scheint diesen Zugewinn zugleich opfern zu wollen.

Zwar redet Weiß die Einsparungen insofern klein, als die Einsparquote jährlich „nur“ um 2,5 Prozent betrage und damit erst in zehn Jahren gegenüber dem Stand von heute 25 Prozent insgesamt im Etat fehlten. Zwar sind es nach Zinzeszins-Rechnung sogar nur etwa 22 Prozent, doch vermutlich wird es effektiv wesentlich mehr sein, wenn nicht gleichzeitig die Etats gegen die allgemein zu erwartende Geldentwertung gerechnet werden. Die Entwicklung der Rundfunk-Gebühren wird, so Weiß, auch durch die Umstellung auf eine Haushaltsabgabe leider keine positive Entwicklung zeitigen.

Schaut man sich die Aufzählung im Interview an, dann wird nicht klar, wer der Gewinner im sogenannten Sparprozess eigentlich ist: SWR2 und SWR Fernsehen, Verwaltung und Technik (-25%), SWR4 (-20%), SWR1 (-15%). Geht der Rest also an SWR3 und die Jugendwelle DASDING? Und was ist mit der Geschäftsleitung und anderen Verwaltungsbereichen (Werbung, Marketing, Internet)? Wie sieht es aus, wird Intendant Boudgoust (zur Zeit 273.000 Euro Gehalt) am Ende von zehn Jahren auf 61.000 Euro im Jahr verzichten, ebenso auf Gehaltsanpassungen und damit nur so wenig verdienen wollen wie unsere Bundeskanzlerin heute? Der Verweis von Weiß darauf, dass man diese Kürzungsinitiativen seitens anderer Wirtschaftszweige nur milde belächle, gar als paradiesisch ansehe, wirkt wenig mutig.

Es ist schon klar, dass auch der Rundfunk nicht mehr Geld ausgeben kann, als er zur Verfügung hat, so dass nolens volens kein Weg daran vorbeiführt, Einsparungen vorzunehmen. Den Rundfunkanstalten sind insofern die Hände gebunden, ihre Etats sind gebunden an das, was die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (kurz KEF) festlegt. Seit neuestem spielen dabei auch Fragen der Programmqualität eine gewisse Rolle. Dabei kommen nicht nur quantitative Methoden (Quote) zum Einsatz, sondern auch qualitative. Beim SWR ist es das ProgrammBewertungsVerfahren (PBV), welches sich jedoch nur auf den Bereich des Fernsehens beschränkt. Fraglich wäre es, ob dies im Bereich des Kulturradios sinnvoll nutzbar wäre. Dabei wäre dies der reinen Quotenorientierung gegenüber sinnvoll, obgleich auch mit diesem Verfahren keine letztgültigen Schlussfolgerungen möglich wären. Über den Erfolg des Rundfunkprogramms im Kulturbereich weiß man kurz gesagt eigentlich nichts außer persönlichen Meinungen.

Obwohl man so sehr im Dunkeln tappt, weiß es natürlich jeder besser als der andere. SWR-Intendant Boudgoust: Gerade hier zeige sich, dass Sparen am Geld keineswegs gleichzusetzen sei mit Sparen an der Qualität. Das Programm nehme die Aufgabe, ein Viertel seines Etats einzusparen, bewusst zum Anlass, SWR2 noch journalistischer und noch frischer zu gestalten. – Aber pro Jahr nur um 2,5 Prozent, bitte. Sieht man einmal von der äußerst ungeschickten Formulierung („journalistischer“, „Aufgabe des Programms“) ab, weiß man nicht, was genau damit gemeint sein könnte, darf aber mutmaßen, dass Klangkörper selbst vielleicht „frischer“, aber selten „journalistischer“ daherkommen können. Auch Weiß gibt zwischen den Zeilen zu, dass die Kürzungen SWR2 beschädigen werden, allerdings, so seine Hoffnung, „nicht grundsätzlich“. Das wäre immerhin doch etwas besser, als sich in wilde Programm-„Reformen“ zu verstricken, wie es im Norden und Osten so desaströs passiert ist.

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