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Popkomm-Kapelle von Sony/BMG. Foto: Martin Hufner
Popkomm-Kapelle von Sony/BMG. Foto: Martin Hufner
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Man darf nur nicht den Glauben verlieren

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Musikmesse Popkomm zwischen Kommerz und Leere
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Der Stand der Megafirma Sony/BMG stellte nicht nur das Symptom des Zustands der kommerziellen Creative-Content-Industrie dar, er war zugleich Symbol ihres gegenwärtigen Versagens und der Versagung. Dabei wollte er doch nur verheißen: „We believe in music“ – Wir glauben an Musik. So, wie eben Autohersteller an Autos glauben und an Mobilität. Es geht darum, an etwas zu glauben. Im Prinzip ist es gleich, an was, Hauptsache: dass!

Der Stand wirkte in seiner Halle wie ein kleine, unbefleckte und unbefleckbare Musikkirche. Alles schön hell weiß, alles zentriert auf den Glaubenssatz, Fackeln an den Seiten deuten archaisches Wesen an. Davor Bänke, gewissermaßen in Reih’ und Glied. Kaum anders zu verwenden als zu einer Glaubensmeditation: We believe in music. Und Seligkeit?

Nichts zu bemerken von einer Seligkeit in dieser umtriebigen Umgebung, voll mit Fachbesuchern, Ausstellern, Darstellern und Dauertelefonierern. Der Musikrausch auf der Popkomm konzentrierte sich auf dieses Nichts aus leerer Bewegung. Symbolisch dafür der monolithische, außen verspiegelte Block eines anderen Major-Players, Universal-Music. In deren Schatten dann einige Contentverwertungsfirmen und damit so etwas wie Hüter die heiligen Geister der Religionshoheit – oder -hohlheit. Den Rest der Messe erledigten dann Panels, in denen sich zum Teil die Wertekonklaven formierten.

In einem dieser Panels ging es um die Zukunft der Klassik im Internet. Seit 1994 habe man gut 35 Prozent Umsatzrückgänge bei Verkauf von Tonträgern zu verzeichnen, hört man da. Gleichwohl sei ein Anstieg von 2 (2006) auf 4,5 Prozent (Prognose 2007) der Downloadkäufe bei Klassik, bezogen auf alle Downloadkäufe zu vermelden. Eine enorme Steigerung. Aber die auf die Verwaltung von Popmusik ausgelegten Downloadstores wie iTunes behindern das Geschäft, hieß es. Naxos startete deshalb seinen eigenen Downloadstore mit komfortableren Suchmechanismen und ist damit ganz zufrieden (www.classics-online.de). Und dabei verzichtet man, anders als die Majors Sony/BMG und Universal auf Möglichkeiten des DRM (also des Digital Rights Managements). Die schicken, wie Universal, dafür lieber einen Pianisten wie Lang Lang per elektronischer Matrize in totgeborene Zweitwelten wie SecondLife. DRM ist nach wie vor ein Knackpunkt. Während die Majors darum fürchten, ihren „Content“ ohne Sicherungsmechanismen zu verschenken, stehen bei Naxos und anderen viel kleineren Klassik-Unternehmen die Kundenwünsche höher. Einer der ersten wäre, dass man die gekaufte Musik auch abspielen und anhören kann – und zwar nicht gebunden an einen bestimmten Rechner oder an ein mobiles Abspielgerät. Für die Zukunft sieht man im Downloadbereich schon Entwicklungsmöglichkeiten, gerade was das so genannte Nischenrepertoire angehe. Teilweise, so der Naxos-Sprecher Markus Petersen würden so erst Produktionen rentabel, so dass man diese nur digital erwerben wird können. Für große Firmen spielt Nischenrepertoire eher weniger eine Rolle, denn man versteht sich nicht als musikalischer Samariter, sondern als Vertreter des Premiummusiksegmentes. Umgekehrt könnte man sagen, dass Firmen wie Naxos nur nach dem Prinzip des Billigheimern funktionierten, sozusagen als Klassikresterampe. Momentan ist jedenfalls unübersehbar, dass einige wirtschaftliche, künstlerische und technische Anschluss- und Vernetzungsleistungen noch nicht erbracht worden sind. Die Zukunft wird’s weisen. Man muss nur daran glauben.

Ein Panel zum Thema Urheberrecht Korb 2 mit Vertretern der Volksvertreter fiel aus. Ein weiteres, vom VUT, dem Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V. war einigermaßen überladen. Es sollte dem Vernehmen nach darum gehen, warum so wenig Geld bei den Mitgliedern des Verbandes lande, obwohl die derzeitig größten Content-Verbreitungs-Schmieden YouTube oder MySpace mit satten Milliarden-Beträgen ihre Besitzer wechseln. Dazu hatte man sich neben eigenen Vertretern auch jeweils zwei von GEMA und GVL eingeladen. Peter James vom VUT moderierte diese unlustige Besetzung gleich selbst mit Frage- und Verhörsuaden, die an die spanische Inquisition erinnern mochten. Gleichwohl zeigte das Fragegeschwader seine Wirkung, als sich Frank Dostal, GEMA-Aufsichtsratmitglied (Verfasser des „Lieds der Schlümpfe“), gewohnt charmant dahingehend äußerte, dass immerhin sein Aufsichtsratmitgliedskollege Christian Bruhn (Komponist von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ oder „Wunder gibt es immer wieder“) seit seiner GEMA-Mitgliedschaft auf gut und gerne 10 Millionen Euro Einnahmen allein dadurch verzichtete, dass er nicht pingelig genau darauf schaute, ob ihm dieses Geld eigentlich ja zustünde und dann darauf beharrte, dass er es erhielte. Das sei eben gelebte Künstler-Solidarität. Und der Begriff „angemessene Vergütung“ bekommt so natürlich seine eigene Bedeutung. Zusammengefasst verdreht sich der Spieß aufs Präziseste: „Wunden gibt es immer wieder.“ Er, Dostal, sei jedenfalls sehr zufrieden und er könne mit ruhigem Gewissen an der Hamburger Alster spazieren gehen und sich Texte einfallen lassen, weil er wisse, dass es bei ihm in der Tasche klingele, wenn diese Text dann an Brasiliens Copacabana gesungen werde, weil es nämlich die GEMA gebe. Damit waren die Fragen des VUT hinreichend beantwortet.

„Lasst uns fröhlich sein“ war dann auch das Motto der Vorstellung der „Initiative Musik“. Frank Dostal auch hier auf dem Podium lobte diese neue Institution, in der Musikwirtschaft und Politik sich die Hand reichten mit den Worten „Es hat sich was verändert“ und es klang ein bisschen so, wie bei Neill Armstrongs ersten Schritten auf dem Mond. Ein kleiner Schritt für die zwölf Apostel (so wurden sie wirklich auf dem Podium apostrophiert), ein großer für die musikalische Menschheit. Musikkultur müsse man einfach mal als Risikokapital sehen und überhaupt müsse man endlich mal sehen, dass es nur darum geht, dass irgendwie irgendwo Geld fließe. Die „Initiative Musik“ sieht sich als Vermittler zwischen dem vielen einfach brach herumliegenden Geld und den einfach brach herumliegenden musikalischen Künstlern. Sie wird beide zusammenbringen und danach ist alles wieder besser. Man muss nur daran glauben.

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