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Nach langer Odyssee in der alten Welt angelangt

Untertitel
Kurt Weills Oper „Der Weg der Verheißung“ in Chemnitz
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Diese Premiere war mit großer Spannung erwartet worden, zumal damit auch gleich die weltweiten Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Komponisten ganz spektakulär eingeläutet werden sollten. Die Initiative ging von der New Yorker „Kurt Weill Foundation for Music“ aus, die bekanntermaßen ihre Vorstellung, wie die Werke von Kurt Weill zu interpretieren seien ziemlich strikt durchzusetzen vermag, und die von der mit der Durchführung beauftragten Chemnitzer Oper nichts geringeres als eine exemplarische Modellaufführung verlangte. Dieses waghalsige Vorhaben, unterstützt von einer auf Hochtouren laufenden PR-Maschinerie, der es gelang neben Altbundespräsident Richard von Weizsäcker nahezu die gesamte sächsische Landesregierung mit einzuspannen, dürfte wohl eher gescheitert denn geglückt sein. Gar zu zwiespältig war der Eindruck, den Oper und Inszenierung hinterließen. Künstlerisch war dieser immerhin vier Stunden währende Opernabend nicht sehr ergiebig. Das lag nicht nur an der einfältigen Regie des Chemnitzer Operndirektors Michael Heinicke, der im engen Verbund mit dem israelischen Bühnenbildner David Sharir eine üppige Ausstattungsorgie abfeierte. So kam allerdings auch die Musik Weills ins Trudeln, denn sie erwies sich in diesem Rahmen eher als ein Flickenteppich beliebiger und teilweise bekannter melodischer Floskeln, denn als fesselnde musikdramatische Produktion. Die Musik wird allzu oft durch einen die Handlung fortspinnenden Sprechtext unterbrochen, so daß größere musikalische Spannungsbögen sich gar nicht aufbauen können. Die Entstehungsgeschichte dieses Werkes ist wahrlich aufregend genug. Die Initiative zu dieser Oper, die die „Geschichte des jüdischen Volkes“ erzählen sollte, ging von New York aus. Der amerikanisch-jüdische Produzent Meyer Weisgal war Initiator der Zusammenarbeit dreier Künstler, die 1934 in Berlin die Arbeit an dem Projekt begannen. Der Regisseur Max Reinhardt, der Komponist Kurt Weill und der Dramatiker Franz Werfel wollten aus dem bereits vorliegenden Werfel-Stück ein oratorisches Werk schaffen, dessen Inhalt die Thora sein sollte. Diese Zusammenarbeit wurde durch das erzwungene Exil der jüdischen Künstler unterbrochen, gestaltete sich über Ländergrenzen hinweg äußerst schwierig und konnte dann doch drei Jahre später in New York vollendet werden. Unter dramatischen Umständen kam die Oper unter dem Titel „The Eternal Road“ am 4. Januar 1937 im Manhattan Opera House heraus und sorgte für erhebliches Aufsehen. Die riesige Besetzung, das fünfstöckige Bühnenbild des zum Gigantismus neigenden Szenographen Norman Bel Geddes und ein zerstörerischer Wassereinbruch in der Probenphase fraßen selbst die riesigen Summen auf, die Meyer Weisgal, der spätere Präsident des Chaim Weizmann-lnstituts, aufgetrieben hatte, so daß die Oper trotz des überwältigenden Erfolges nach wenigen Wochen für immer von der Bühne verschwand. Teile der Partitur galten zeitweise sogar als verschollen, erst in den letzten Jahren kam es, so in Bochum, zu konzertanten Aufführungen, die allerdings auch nur Ausschnitte brachten. Eine szenische Wiederbelebung und Uraufführung der kompletten deutschsprachigen Originalfassung stand also noch aus. Das schmucke Opernhaus von Chemnitz bekam von der „Weill-Foundation“ den Zuschlag für die Aufführung, für die dann auch ein Paket mit Folgeaufführungen in New York, Tel Aviv, Krakau und Hannover (die Expo 2000 machts möglich) geschnürt werden konnte. Die Oper erzählt die Geschichte des Alten Testamentes vom Urvater Abraham bis hin zum Propheten Jeremiah, die sich eine jüdische Gemeinde vorspielt, die in Erwartung eines Pogroms in die Synagoge geflüchtet ist. Die Menschen drängen sich in den Raum, während von draußen martialische Klänge zu vernehmen sind, Marsch-tritte von Soldaten, Totenglocken, Schreie des Mobs. Als der Rabbi schließlich eintritt, sein Bittgang hat nichts gebracht, macht er den Vorschlag, den Weg noch einmal zu gehen, den Israel gegangen ist „vom Anfang der Zeiten bis hierher“. Dieser alte Weg soll die Gemeinde kräftigen für den neuen, der morgen beginnt. Wahrend sich etwa Arnold Schönbergs Operntorso „Moses und Aaron“, mit dem sich „Der Weg der Verheißung“ vergleichen lassen muß, an einer einzigen Episode mit Akribie versucht, ist Weills und Werfels Gang durch die jüdische Geschichte vom Stammvater, über Mose, die Könige bis hin zu den Propheten geradezu verurteilt, oberfächlich zu bleiben. Und dies fordert in der Regie schließlich auch eher die Illustration heraus, denn eine psychologisch fundierte Personenführung. Immerhin bringt die Figur des Widersprechers zumindest in den ersten beiden Teilen so etwas wie Dialektik hervor, an der man sich reiben kann. Aber daß sich dann an dieser Figur der jüdische Selbsthaß ohne Vorwarnung in edles Märtyrertum verwandelt, wirkt in dieser unvermittelten Art nur wenig überzeugend. Auch tauchen Fragen nach jüdischer Passivität und Schicksalsergebenheit auf, die beispielsweise Hannah Ahrendt anläßlich des Eichmann-Prozesses gestellt hat, und über die die jüdische Gemeinde nicht eben gerade glücklich war. Das Ende, und hier hätte eine mutigere Dramaturgie mehr Wirkung erzielen können, ist eher glimpflich. Die Staatsmacht befiehlt den Juden das Land zu verlassen. In der amerikanischen Fassung wurde dies sogar als ein frohgemuter „Nachhauseweg“ in Richtung Paästina gedeutet. Tatsächlich bleibt die schiere Kraftanstrengung zu würdigen, ein solch gewaltiges Werk auf die Bühne zu bringen. Während andere deutsche Opernhäuser, denen ebenfalls das Uraufführungsangebot vorlag, nicht den Mut für ein solches Unternehmen aufbrachten, spannte die Chemnitzer Oper tollkühn alle Kräfte an. Allein der personelle Aufwand war immens. Es waren über 50 Sprech- und Gesangsrollen zu besetzen. Den wohl schwierigsten Part hatte Peter-Jürgen Schmidt in der Rahmenhandlung als Rabbi zu absolvieren, der den roten Faden weiterspinnen mußte. Auch Schmidt meisterte seine Rolle mit Bravour, genauso wie Britta Jacobus als fremdes Mädchen oder Dieter Montag als Widersprecher. Der amerikanische Dirigent John Mauceri, ein ausgesprochener Weill-Experte, hatte das komplexe musikalische Geschehen sicher im Griff. Die Passagen mit einem größeren Unterhaltungsmusikanteil gerieten ihm dabei sogar etwas zu gut und zu swingend. So gesehen war der heftige Schlußbeifall im ausverkauften Chemnitzer Opernhaus durchaus berechtigt.

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