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Referenzausgaben für alle, die es genau wissen wollen

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Schumann, Haydn, Mahler, Berg, Sibelius, Hummel, Janácek und Tubin in neuen textkritischen Editionen
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Das Edieren von Urtextausgaben wird immer eine höchst diffizile Aufgabe bleiben, nicht nur hinsichtlich der Detektivarbeit im Aufspüren oftmals immer schon vorhandener Schreib- und Druckfehler, sondern auch in der Abwägung der allzu oft im Widerstreit stehenden Kriterien philologischer Korrektheit und musikalischer Folgerichtigkeit, und natürlich auch in der Kompakt- und Übersichtlichkeit des Druckbildes. Den, der es genau wissen möchte, mag auch bei viel edierten Werken des Standardrepertoires verblüffen, wie viele Kleinigkeiten als frag- und korrekturwürdig in den kritischen Berichten dokumentiert werden.

Dabei kann es sein, wie in der neuen Schott-Ausgabe von Robert Schumanns Allegro appassionato op. 92 für Klavier und Orchester, dass Herausgeberin Ute Bär auf acht Seiten in bewundernswerter Akribie Details auflis­tet, die sich im klanglichen Ergebnis minimal niederschlagen – je besser die Originalausgaben (also je penibler damals Komponist, Kopist und Verleger zusammengearbeitet haben), desto undankbarer die Kärrnerarbeit des Herausgebers.

In einem so umfangreichen Werk wie Joseph Haydns „Jahreszeiten“ findet Werner Seyfried natürlich mehr an hörbarem Korrekturbedarf, und hat dem Verlag Peters eine vorbildliche Neuausgabe beschert. Im Rahmen der neuen kritischen Gesamtausgabe ist bei Peters zudem die Sechste Symphonie von Gustav Mahler erschienen, verantwortet von Reinhold Kubik. Es spricht für Mahlers rigide Gewissenhaftigkeit, dass auch ein Crack wie Kubik in diesem gigantischen Werk eine sehr überschaubare Liste an Unstimmigkeiten erstellte. Eine sehr schöne Referenzausgabe mit einem exzellent informierenden Vorwort!

Beinahe noch pedantischer bis in die kleinsten Details als Mahler waren vielleicht nur Berg und Webern, und die Neuausgabe von Alban Bergs Violinkonzert durch Michael Kube (Partitur bei Breitkopf & Härtel, Klavierauszug von Jan Philip Schulze bei Henle) ist bei der Komplexität des viel gespielten Werkes eine sehr anspruchsvolle Aufgabe: Wo hat Berg bewusst gegen die Reihe verstoßen, wo handelt es sich um ein Versehen? Immerhin, Kube hat doch einiges an falschen Noten korrigiert und entreißt damit die editorische Hoheit dem Originalverlag Universal Edition. Die Violinstimme ist im Klavierauszug in zweifacher Ausfertigung enthalten: einmal unbezeichnet, einmal mit den soliden Fingersätzen von Frank Peter Zimmermann. Hier wurde eine neue Grundlage geschaffen.

Als weit notwendiger stellt sich die revidierte Neuherausgabe der Werke von Jean Sibelius im Rahmen der Gesamtausgabe heraus. So ist jetzt auch die ursprünglich bei Hansen erschienene Siebte Symphonie, dieses Meisterwerk der motivischen Metamorphose, das die ganze Vielfalt divergierender symphonischer Charaktere in einem Satz als bezwingendes Ganzes umspannt, von Kari Kilpeläinen ediert bei Breitkopf & Härtel erhältlich, und die Zahl der gravierenden Verbesserungen ist enorm. Wie viele falsche Noten und Ungenauigkeiten haben wir da bisher in Kauf genommen! Hier gibt es für jeden, der sich künftig seriös dieses epochemachenden Werkes annimmt, keine andere Wahl als diese, im Notenbild vorbildlich übersichtliche Ausgabe mit ihrem informativen Vorwort und umfangreichen kritischen Bericht.

Breitkopf & Härtel wartet auch mit einer anderen interessanten Novität auf: Angesichts der nicht allzu hohen Zahl klassischer Konzerte für dieses Instrument hat man den Aufwand nicht gescheut, Johann Nepomuk Hummels Trompetenkonzert sowohl in der Originaltonart E-Dur als auch im bequemeren Es-Dur (mit unauffälligen Transpositionen bei Umfangunterschreitung der Geigen) durch Michael Kube neu herausgeben zu lassen. Die Fachgilde wird es dankbar annehmen!

Bärenreiter fährt mit der Veröffentlichung der tschechischen Janácek-Gesamtausgabe fort, mit sehr gut informierenden Vorworten sind nunmehr auch das Capriccio für Klavier linke Hand und Bläser und das Zweite Streichquartett in Neuausgaben da; leider nur sind die kritischen Berichte, die gerade hier so notwendig wären, nur in den tschechischen Original-GA-Bänden enthalten.

Bei Gehrmans in Stockholm (www.gehrmans.se) ist der nächste Band der Eduard-Tubin-Gesamtausgabe erschienen, der mit der klassisch besetzten Siebten (doppeltes Holz, zwei Hörner, zwei Trompeten, Pauken und Streicher) und der großbesetzten Achten Symphonie zwei der faszinierendsten symphonischen Monumente der Schostakowitsch-Generation enthält. Einsilbig in der Information, erstaunlich karg im kritischen Bericht, liegen hier endlich akzeptabel autoritative Versionen dieser hier immer noch kaum beachteten, erratischen Meisterwerke dissonanter Freitonalität von Estlands großem Symphoniker, entstanden zwischen 1955 und 1966 im schwedischen Exil, vor.

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