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Gruppenbild aller Preisträger der drei Alterskategorien beim Liszt-Junior-Wettbewerb in Weimar. Foto: Eckart Rohlfs
Gruppenbild aller Preisträger der drei Alterskategorien beim Liszt-Junior-Wettbewerb in Weimar. Foto: Eckart Rohlfs
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Respekt für ein gelungenes Rezept: Zum 2. Liszt-Junior-Wettbewerb in Weimar

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Ein besseres Ambiente, eine sympathischere Atmosphäre konnten sich die 58 jungen Pianisten aus 22 Ländern, die zum 2. Liszt-Klavierwettbewerb in Weimar angetreten waren, kaum wünschen: Das Musikgymnasium Belvedere, als Hochbegabtenzentrum unter der künstlerischen Verantwortung der Musikhochschule stehend, war zugleich Begegnungsstätte mit den gleichaltrigen Schülern dieses Gymnasiums.

Seinem Orchester, Durchschnittsalter 15–17 Jahre, gilt der erste Respekt. Es hat den schwierigen Orchesterpart des anspruchsvollen 2. Klavierkonzertes A-Dur von Franz Liszt, Pflichtwerk der dritten Runde für die obere Altersgruppe, mit hohem Engagement gemeistert. Unter Nicolás Pasquets feinfühligem Dirigat wurde es eine sensible Stütze für die drei Finalisten.

Geht man die Teilnehmerliste dieses (oder auch anderer internationaler Jugend-)Klavierwettbewerbes durch, weisen, selbst wenn Geburtsort und Lebensmittelpunkt der Kandidaten europäisch sind, Namen und Visage vorwiegend auf nah- und fernöstliche Herkunft hin. Juryvorsitzender Grigory Gruzman meint: Deutschland hat ausgespielt, es kann nicht mehr mithalten gegenüber der Legion künstlerisch hochqualifizierter und supertrainierter Begabungen, die aus Spezialschulen für Musik kommen, ob in Taskent, Tallinn oder Sewastopol oder von der Talentschmiede Purcell-Schule in London – oder die bereits mit acht Jahren als Jungstudenten am Royal College for Music in London, an der Sibelius-Academy Helsinki und dergleichen musikalisch spezial-gefördert werden.

Bei solcher Teilnehmer- und Preisträger-Analyse überrascht es nicht, dass sich ein recht ähnliches Bild wie bei den Ettlinger Jugendklavierwettbewerben zeichnet: Von den 14 deutschen Teilnehmern erreichte nur eine Kandidatin die zweite Runde: Ihr, der 16-jährigen Inge Du gratuliert man gerne zum dritten Preis, den sie zusammen mit der gleichaltrigen Maria Verbaite aus Litauen erhalten hat. Beide wurden zusätzlich für ihre Interpretationen zeitgenössischer Musik gewürdigt. In Deutschland gebürtig, jedoch „mit chinesischen Wurzeln“,  besucht Inge Du eine Klavierklasse an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, und natürlich war sie vorher bei „Jugend musiziert“ immer wieder vorne dran. Sie gesteht ein und spricht damit auch für ihre Konkurrentinnen: Das verlangt hohe Zeitdisziplin, Übekonzentration und wohlwollendes Verständnis der gymnasialen Schulleitung bei häufiger Absenz im Interesse ihrer pianistischen Ambitionen, aber auch einen guten Geldbeutel der Eltern oder eine entsprechende Patenschaft.

Respekt gilt ebenfalls dem Wettbewerbskonzept, das in allen drei Alterskategorien die kurzfristige Realisierung eines Kammermusikvortrags zusammen mit einem Schüler des Musikgymnasiums erwartet. Solche Kammermusikpartnerschaft mag manchem Wettbewerbskandidaten etwas ungewohnt anmuten, aber hinterher kommt einmütig: Das war eine großartige Erfahrung und Anregung, für die  blasenden oder streichenden Belvedere-Schüler ebenso wie für die sonst die Einzelhaft genießenden Pianisten. Solche Duos hätte sich im Schlusskonzert gut gemacht.

Die während der drei Wettbewerbsrunden in allen Epochen Geprüften durften auch eine eigene Komposition einbringen oder sich einer Improvisation stellen. Die auch in dieser Hinsicht interessanteste Begabung dieses Wettbewerbes war der bereits vor zwei Jahren im gleichen Wettbewerb ausgezeichnete Kausikan Rajeshkumar aus Großbritannien. Wie ein Jungstar, der sich sympathisch zu präsentieren verstand, wurde er von Jung und Alt befeiert. In dieser Alterskategorie (17–19 Jahre) sah sich die Jury jedoch angesichts der enorm hohen und gleichrangigen Leistungen in den beiden jüngeren Alterskategorien bis 13 und 14 bis 16 Jahren veranlasst, eine quasi professionellere Latte anzulegen und auf die Vergabe eines ersten Preises zu verzichten. Trotz des von ihm virtuos und selbstsicher geführten Klavierkonzertes von Liszt gönnte die Jury ihm nur einen 2. Preis und seiner ukrainischen Konkurrentin Valeriya Mirosh den 3. Preis.

Die Preise der 12- und 13-Jährigen gingen an die Japanerin Asagi Nakata, an Nuron Mukumiy aus Usbekistan und an die Südkoreanerin Youmin Shin. Am dichtesten waren die künstlerischen Leistungen der 14- bis 16-Jährigen, der auch zahlenmäßig stärksten Bewertungsgruppe. Hier glänzte schließlich die Japanerin Mayuko Motoyama, der man mit ihren 15 Jahren so viel eigenständige künstlerische Persönlichkeit nicht zutraute, würde man es nicht live erleben. Zu ihrem ersten Preis bekam sie den EMCY-„art for music prize“. Als Zweitbester geht der 16-jährige Rusian Strogiy nach Estland zurück, bereits routiniert im Preisegewinnen bei anderen Wettbewerben. Insgesamt kamen rund 12.000 Euro Geldpreise, gestiftet von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, etliche Sonderpreise und Einladungen zur Vergabe. So International wie die Preisträgerliste war auch das Jury-Gremium besetzt, allesamt aus der Fünfziger-Sechziger-Generation. Neben den beiden Weimarer Klavierprofessoren Grigory und Peter Waas, letzterer Initiator dieses Wettbewerbes, waren der Piano-Redakteur Carsten Dürer, der Litauische Pianist Justas Dvarionas, Vizepräsident der EMCY, Fumiko Eguchi, Leiterin der Yamaha Master Class, die Armenierin Svetlana Navassardian aus Paris, der ehemalige Chopin-Preisträger Piotr Paleczny aus Warschau und Erik Tawaststjerna von der Sibelius-Akademie Helsinki eingeladen. Für alle, die in den einzelnen Runden ausgeschieden sind, stellte sich die Jury auf Wunsch für beratende und orientierende Gespräche zur Verfügung, was eher die Lehrer als die Spieler zu interessieren schien. Dass unter acht Juroren nur zwei Professorinnen zu finden waren, mag moniert werden angesichts dessen, dass unsere jungen Töchter mindestens 50 Prozent der Klavierkandidaten abgeben und auch im Klavierunterricht vorwiegend Pädagoginnen im Einsatz sind. Ein angemessenes Geschlechterverhältnis in der Jury hat nicht nur optische, sondern vor allem psychologisch-pädagogische Aspekte – vielleicht zu bedenken für den nächsten Liszt-Junior-Wettbewerb, der schon jetzt für 2010 (20. Februar bis 2. März) in Weimar angekündigt ist.

Ein Fernseh-Team des Medien-Partners MDR Figaro verfolgte dezent Ablauf und Umfeld dieses Wettbewerbes, und er will Ende Oktober auch den (anderen) Liszt-Wettbeweb für die Profi-Riege in Weimar verfolgen und versuchen, die Interpretation Liszt’scher Werke durch die junge Generation von heute am Platz seiner langen Wirkungsstätte nachzuzeichnen.

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