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Stillsitzen und anbeten und nichts verstehen...

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Das öffentliche Konzert hat abgewirtschaftet
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Das öffentliche Konzertwesen liegt im Koma. Es ist verbraucht und stirbt langsam vor sich hin. Höchste Zeit für die letzte Ölung. Warum? Es zelebriert wie noch vor 100 Jahren sein immergleiches stumpfsinniges Ritual. Dauert bis zu zwei Stunden. Bietet haarsträubend langweilig geschriebene Programmhefte an. Kann und will niemandem erklären, warum heute abend die Dritte und nicht die Zweite von Brahms.

Das öffentliche Konzertwesen liegt im Koma. Es ist verbraucht und stirbt langsam vor sich hin. Höchste Zeit für die letzte Ölung. Warum? Es zelebriert wie noch vor 100 Jahren sein immergleiches stumpfsinniges Ritual. Dauert bis zu zwei Stunden. Bietet haarsträubend langweilig geschriebene Programmhefte an. Kann und will niemandem erklären, warum heute abend die Dritte und nicht die Zweite von Brahms.Etwa 98 Prozent der Konzertbesucher, so unsere realistische Schätzung, können im Sinfonie-konzert weder die Qualität der musikalischen Werke noch die Qualität ihrer Interpretation beurteilen. Denn an diesem Paradoxon ist nicht zu rütteln: Musik, obgleich das sinnlich unmittelbarste Medium, ist zugleich das erklärungsbedürftigste von allen.

 

Warum das öffentliche Sinfoniekonzert so inflationär, so langweilig, so aus der Mode gekommen, so lächerlich geworden ist?

Erstens gibt es einfach zuviel Musik. Das Angebot ist ins Gigantische geschwollen. Keine Scheune mehr, in der es nicht tönt. Keine säkularisierte Kirche, kein Innenhof und kein Marktplatz und keine stillgelegte Schachtanlage, wo Musik nicht wäre. Das öffentliche Konzert, sei es sinfonisch, sei es kammermusikalisch, hat seinen Ausnahme-, seinen Ereignis-Charakter verloren. Und die aus Verzweiflung geborene alberne „Cross Over“-Erfindung enttäuscht sowohl den Jazz- als auch den Klassik-Fan: Beide sitzen im falschen Film.
Zweitens hat sich der Bildungsfundus auf Seiten des Zuhörers dezimiert. Musikalische Bildung, allen musikpädagogischen Beschwörungen zum Trotz, ist in ausreichender Form – vor allem bei Jugendlichen – nicht mehr vorhanden, um so etwas wie Neugier auf neue musikalische Erfahrung zu stiften. Darum altert das Konzertpublikum sukzessive. Mag sein, dass ein Fünfzigjähriger noch etwas anfangen kann mit einem „Nocturne“, eine Sechzehnjährige hält es vermutlich für Designer-Parfum. Beinahe niemand kennt die vorgestellten Werke und ihre kulturellen, historischen, ästhetischen oder musikologischen Kontexte. Fragen Sie mal in der Pause, im Anschluss an Griegs „Peer Gynt“-Suite, ein paar Konzertbesucher nach Peer Gynt ... oder nach Egmont, Harry János, Mazeppa, Coriolan. Ja, tun Sie das doch mal!
Drittens erschöpfen sich die Programme in den ewigen Top Fifty der Weltliteratur. Die häppchenweise verabreichte Neue Musik kann sich im Sandwich-Muster ebenfalls nicht empfehlen: ohne Plausibilität, warum sie „an der Zeit“ war oder ist, wird sie als Notwendigkeit nicht akzeptiert... Welche Not wendet sie denn eigentlich, na?

Viertens verfügt heute jedermann – preiswerten CD-Labels sei Dank – über einen hinreichenden Fundus an Musik. Wer die Vierte von Mendelssohn unter George Szell hat, muss nicht unbedingt in ein Sinfoniekonzert nach Osnabrück gehen, um sich dort den Aufguss der Vierten von Mendelssohn anzuhören. Mir war es lange Zeit ein Rätsel, warum meine Studenten (Musikstudenten!) selten ins Konzert gehen – in ihrem stattlichen CD-Fundus liegt eine von vielen Erklärungen. Meine Studenten gehen mit Musik um, statt dorthin zu gehen, wo man Musik spielt. Und sie machen selber Musik, nicht zuletzt am PC und mit Hilfe des Sound-Samplers. Das scheint ihnen zu reichen, weil es eine kreative, aktive und keine rezeptive Umgangsform ist.

Fünftens sind Programme, wenn sie denn schon so etwas wie einen roten Faden haben, düster, pessimistisch, betroffensheitsbeflissen. Niemand braucht sich zu wundern, dass ein Konzert wenig verlockt, wenn das Thema „Musik gegen den Krieg“ heißt – Kriege haben wir alle Abende im Fernsehen. Und wer Filmmusik-Konzerte mit Werken von John Williams anbietet, hat verschlafen, dass im derzeitigen Kino Sound-Design goutiert wird.
Sechstens sind die Programme zu lang. Wo bitteschön steht geschrieben, dass einer zwei Stunden lang hochkomplexer Musik ungeteilte Aufmerksamkeit schenken könne? Ich gestehe freimütig: Bei mir ist spätestens nach einer Dreiviertelstunde Schicht, dann fange ich an, die Lampen im Saal zu zählen.

Irgendwie ahnt jeder Konzertbesucher, dass er mit den musikalischen Werken allein gelassen wird, dass sie als tosender Klangschwall an ihm vorbeirauschen und dass er sie nicht versteht. Also verlagert sich sein Interesse, wo er mit der Substanz nichts anfangen kann, aufs Unwesentliche, auf die Sensation, aufs andächtige Staunen wie im Zirkus. „Name dropping“ springt dort ersatzweise ein, wo ein musikalisches Verstehen systematisch unterbunden wird. Und der Dirigent sollte mindestens Barenboim oder Levine heißen. Ich halte als Wette dagegen: Die Leute würden erst recht ins Konzert strömen, wenn Egon Krenz und Boris Becker dirigierten.

Wie heraus aus diesem Circulus vitiosus?

Erstens mit einer gründlichen Revision von Programmheft-Texten. Mit dem Mut, die sattsam beliebten analytischen Hochnäseleien zu verbieten und stattdessen einer narrativen Textkultur Raum zu geben. Als Programmtext-Autor weiß ich, wie schwer das ist: Musik metaphorisch dergestalt einzukreisen, dass Bilder im Kopf entstünden; Musik so beim Wort zu nehmen, auf dass sie ihren Prozesscharakter enthüllte; Musik so zu befragen, wie ein Laie sie befragen würde; Musik auf eine Weise zu skizzieren, auf dass die Skizze zum sicheren Leitfaden beim Hören würde und ein griffiger „Umriss“ entstünde. Erklärungsmuster der üblichen Art greifen nicht, weil sie in aller Regel Formalanalyse betreiben. Schon mal was von Ausdrucksanalyse gehört? Nein? Kann ja auch fast keiner.

Zweitens mit der Erkenntnis, dass zur dargebotenen Musik Sprache hinzutreten muss: in der einfachsten Form – meinetwegen – eine intelligente Conférance, in der aufwändigeren zwischengebaute Textdokumente aus dem Munde gut einstudierter Sprecher/-innen (das können Briefe sein, Poesien, Auszüge aus Dramen, je nach musikalischem Anlass; das können aber auch Rezensionen sein). Denn wie verschaffen wir, die sogenannten Kenner, uns denn einen sicheren Eindruck von Musik? Seien wir ehrlich: indem wir all das lesend zur Kenntnis nehmen, was sich zwiebelschalenartig um ein betreffendes Werk herum angelagert hat (etwa nach dem gelungenen Modell der Rororo-Ricordi-Opernbücher).

Also: Wenn wir denn schon solche Weisheiten selber gewinnbringend verwerten, dann sollten wir sie doch auch dem Hörer anbieten ... und zwar im Konzert selbst, damit er simultan erlebe, wie man Musik verstehen könne, indem er das Nachdenken über die Musik und die Auseinandersetzung mit ihr gleich mitgeliefert bekommt.

Drittens mit der radikalen Umgestaltung der musikalischen Darbietungsformen: mit der Möglichkeit, Musik im Moment ihrer Präsentation wenn nicht zu verstehen, so doch wenigstens orten zu können. Musikwerke sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind gewachsen auf dem Kartoffelacker einer weit verzweigten Kulturgeschichte. Sie haben etwas zu tun mit Menschen. Mit Menschen, welche sie ersannen. Mit Menschen, für die sie ersonnen wurden. Mit Menschen, denen sie viel später in die Hände fielen. Mit Menschen auch, die so dreist sind, sie für ihre ganz persönlichen Zwecke zu missbrauchen. Will sagen: Musikalische Werke geistern nicht bindungslos irgendwo im Welt- oder Konzertsaal-All herum, sie sind eingewoben in mehr oder weniger dichte Koordinatennetze. Sie haben, neben ihrer Erscheinungsweise als Werk, ihre Entstehungsgeschichte, sie haben ihre Werkgeschichte, sie haben ihre Rezeptionsgeschichte. Und sie haben, wenn man so sagen darf, andere Werke in ihrer Nachbarschaft, mit denen sie sich – wie im richtigen Leben – entweder friedlich vertragen oder im gerichtlichen Streit liegen.

Was folgt daraus für die eben geforderte radikale Umgestaltung der musikalischen Darbietungsweisen, möchte man wissen?

Aus den kontextuellen und den textuellen Daten muss ein Inszenierungs-Konzept entwickelt werden. Was bitteschön soll inszeniert werden? Das, womit die Geschichte jene Musikwerke von sich aus inszeniert hat. Alles klar? Nein? Na dann: Zum Beispiel wäre ein zyklisches Musikwerk X aus der Zeit Y als Achse zu denken. An diese Achse docken Ereignisse unterschiedlicher Art aus der Zeit Y an... Nachrichten, parallel entstandene Werke, verwandte Kulturdokumente, literarische Zeugnisse, private Komponistennotate, Bewertungs-Widersprüche et cetera.

Was haben Woodstock und Berios „Sinfonia“ gemeinsam? Was der „Feuervogel“ mit dem Schlager „Immer an der Wand lang“ oder mit Schönbergs op. 11? Ein Drehbuch gediegener Art würde jene scheinbar inkommensurab-len Fakten zusammenbringen... als Koordinatennetz, in dem alles mit jedem verwoben ist. Wie stehen plötzlich „Peter und der Wolf“ da, wenn (sagen wir nach der ersten Hälfte) sich das ereignisreiche Jahr 1936 dazwischen schieben würde? Als Musik für Kinder? Unsinn, als hoch brisante politische Parabel! Was hätten sich Bach und Schostakowitsch zu erzählen, würde man sie in einem „wohltemperierten“ Streitgespräch aufeinander loslassen? Was die Herren Robert Schumann und E.T.A. Hoffmann, ließe man sie in einem fiktiven Dialog über ihre „Kreisleriana“ räsonieren? Wie würde eine Anthologie von Märschen tönen, die bei der Musterungsbehörde durchfallen, weil sie nicht kriegerisch genug sind? Haben die Damen und Herren Konzertveranstalter schon mal darüber nachgedacht, wie schön ein Interpret ins Licht zu setzen wäre mit einem, mit seinem „Interpretenporträt-Konzert“? Wie atemberaubend eine durchs Programm führende Lichtregie sein könnte? Wie hintersinnig, witzig, kontrapunktisch, ergänzend, unvermutet oder verblüffend Statements zur Musik wirken könnten, würde man sie auf einer Dia-Leinwand einblenden? Haben sie nicht. Sie lassen lieber Sting mit den Drei Tenören „La donna è mobile“ singen und Muti dirigieren.
Inszenierte Konzerte arbeiten nach dem Prinzip der filmischen Collage. Bilder und Gegenbilder erhellen sich wechselseitig, ohne dass man schulmeisterlich dazwischenfahren müsste. Und vor allem: Bilder – das heißt gezeigte Bilder, Personenkonstellationen und Sprachbilder, Requisiten und Beleuchtungen inklusive – werden, weil sorgsam inszeniert und miteinander in Kontrast gebracht, zu Sinnbildern, zu Bedeutungsträgern. Man muss also, um möglichst viele Sinne des Zuhörers/Zuschauers anzuregen und zu beschäftigen, diesem Zuhörer/Zuschauer viel zu sehen geben, man muss seine Fantasietätigkeit neben der Musik auch mit den Mitteln der Sprache und mit den Mitteln visueller Eindrücke anregen. Kurz: man muss ihn mitspielen lassen. Dann verknüpft er, was wir ihm zur Verknüpfung anbieten. Mehrsinnlich beschäftigt, bleibt er wach und beobachtet das musikalische Werk als eine Art Spinne, wie sie im Netz sitzt, wie sie ihr Netz gewoben hat, wie sie in diesem Netz ruht oder emsig arbeitet.

Warum solche Inszenierungs-Konzepte?

Weil sie erstens ein geschriebenes Drehbuch zur Grundlage haben. Weil die Wahrnehmung einer zeit- und kulturgeschichtlichen Collage so alltäglich ist wie die Wahrnehmung einer filmischen Collage in einem „Bella Block“, „Tatort“ oder in einer TV-Werbung: Da kennen wir uns heute aus, die filmische Wahrnehmung ist uns zur zweiten Natur geworden. Und das ist, ganz nebenbei, auch der tiefere Grund, warum sich junge Leute im Sinfoniekonzert nicht mehr zurechtfinden: unversöhnlich kollidieren dort die alten monosensorischen mit den neuen audiovisuellen Rezeptionsgepflogenheiten. Wohingegen der Einbau von musikalischen Kunstwerken in ihren Zeithorizont – einem „Setzkasten“ vergleichbar – der vergleichenden und verknüpfenden Wahrnehmung entgegenkommt. Weil zweitens die Inszenierungs-Konzepte das mitlesende Auge, das Sprache vernehmende Ohr beschäftigen – Stammhirn und Hirnrinde arbeiten so auf das Schönste zusammen. Weil sie drittens mit Licht, also mit visuellen Focussierungen arbeiten: Das macht schon einen starken Effekt, wenn nach einer Orchester-Pièce plötzlich die Oboistin mit einer Britten-Metamorphose im einsamen Lichtkegel steht, während um sie herum alles im Dunkel versinkt.

Inszenierte Konzert-Konzepte veranlassen Musik, ihre ihnen eingeschlüsselte Geschichte zu erzählen. Inszenierte Konzerte spielen mal auf das Feld des Theaters, mal auf das Feld von Geschichtenerzählungen hinüber. In jedem Fall aber geben die solcherart „eingekreisten“ Werke mehr preis, als in ihren Noten steckt; sie geben preis, was zwischen den Notenlinien nistet und zum Sprechen, zum Erzählen befreit werden will.

Man wird einwenden: Da werde zusammengekleistert, was nicht zusammengehöre. Richtig und falsch! Richtig ist, dass bei der programmatischen Frage „Wie klang das Jahr 1908?“ Werke unterschiedlicher Ranghöhe gemixt werden, gar mit Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ für Sprechchor. Falsch ist, dass eine solche Zusammenstellung willkürlich sei: In diesem Jahrhundert (manche sagen: im Jahrhundert der Postmoderne) steht im Museum der Künste ein zerbrochener Regenschirm neben der Aktskulptur aus Marmor, steht eine Harley-Davidson unter einem Tintoretto. Eine verbindliche Ästhetik gibt es nicht mehr, alles gesellt sich zu allem, das Elitäre ist trivial, das Triviale elitär. Und wenn es überhaupt noch so etwas wie eine ästhetische Verbindlichkeit gibt, dann wäre es die des Sammelsuriums. Wer also die Frage stellt „Wie klang das Jahr 1908?“, der muss durch ein sinnenfälliges Inszenierungs-Konzept beweisen, dass zu diesen 1908-Klängen Debussys „Children’s Corner“, Ravels „Ma Mère l’Oye“, Bartóks 1. Streichquartett, de Falla-Klavierstücke, aber auch der Klang eines Wilhelm Busch, der Klang eines Autos namens „Tin Lizzy“ (es läuft 1908 vom Band), der Klang eines mit der orthodoxen Kirche streitenden Leo Tolstoi, der Klang eines in Zentralasien einschlagenden Meteoriten, der Klang des ersten Autorennens „rund um die Welt“, der Klang eines aus der Haft entlassenen „Hauptmanns von Köpenick“ dazu gehören. Die Welt klingt auf vielstimmige Weise. Musik ist nur eine Stimme in diesem Konzert. Vielleicht nicht einmal die wichtigste, wenn man fragt, wie denn die Jahre 1941 oder 1977 „geklungen“ und wer damals als „Dirigenten“ in welchen „Konzerten“ den „Takt“ geschlagen haben. Inszenierte Konzerte erzählen Geschichten, erzählen Geschichte. Und zwar so, dass das jeder versteht: Kinder, Jugendliche, Eltern, Onkels zweiten, Großmütter ersten Grades, unverheiratete Tanten. Will sagen: Sie machen die hilf- und erfolglose Diversifikation in Kinderkonzerte, Jugendkonzerte, Familienkonzerte, Promadenkonzerte, Sonntagskonzerte, Schulkonzerte et cetera schlichtweg überflüssig dadurch, dass sie die Restkindlichkeit des Erwachsenen und den reifen Verstehenshorizont des Kindes gleichermaßen beim Wort nehmen – dem narrativen Zauber entzieht sich niemand.

Noch einmal: warum?

Weil nach zirka 1.000 Jahren das „Warenhaus“ mit Musik bis unters Dach gefüllt ist. Weil – um es drastisch zu sagen – die Zeiten bahnbrechender musikalischer Erfindungen sowohl in der Rockmusik als auch in der so genannten Klassik vorbei sind trotz Pärt, trotz Rautavaara. Eben jetzt hätte eine ebenso erfinderische Zeit der musikalischen Vermittlung, der Sichtung von Musik, der Zusammenstellung von Konzertprogrammen zu beginnen, in denen die Auseinandersetzung mit Musik essenzieller Teil der eigentlichen Performance ist links neben der Volkshochschule und rechts neben Helmut Lotti, André Rieu und Justus Frantz.

Um also wieder – wie im 19. Jahrhundert – im Konzertsaal konkurrenzlos zu werden, muss sich das öffentliche Konzert darauf besinnen, eine Darbietungsform zu entwickeln, welche auf CD oder CD-ROM nicht, sondern nur (!) im Konzertsaal zu haben ist: Musikwerke zu spiegeln an der Welt, aus der sie stammen oder an jener anderen Welt, in die sie hineingeraten sind, und umgekehrt die Welt zu spiegeln an Musikwerken, welche Zeugnis ablegen von Menschen und ihrem Denken, ihren Hoffnungen, ihrer Unzulänglichkeit. Dazu aber sind Hilfen nötig. Hilfen durch begleitende beziehungsweise widersprechende Texte, Hilfen durch erhellende Bilder, Hilfen durch Sinn stiftende Szenarios.

Darauf will ich entschieden hinaus: Inszenierte Konzerte sind Transplantationen des anspruchsvollen Radio-Features live in den Konzertsaal unter Zuhilfenahme visueller Gestaltungsmöglichkeiten: Voilà – die Geburt des audiovisuellen Konzert-Features!
Nicht mehr gilt es, Musik einfach nur zu spielen, abzuspielen, plattzuspielen. Es gilt, jene Rolle zu zeigen, welche Musik spielte und spielt... in Rollenspielen also.

Dort und nur dort wird sie, die Musik, endlich auch preisgeben, welche Rolle sie für uns spielen könnte: Als Ärgernis oder als Trost, als Botschaft oder als Amüsement, als Erinnerung oder als Versprechen in die Zukunft, als Lebens-Mittel oder als Kostprobe. Damit das Stillsitzen im Kopf aufhöre. Damit das Anbeten von dirigentischen oder pianistischen Hohepriestern ein Ende habe. Damit Schluss sei mit dem Nichtverstehen dessen, was inständig um Verständnis bittet: die Sache Musik.

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